Vatikan-Tagung: Kaiser Konstantin der Große läßt Juden und Christen noch nach 1700 Jahren streiten


(Vati­kan) Kai­ser Kon­stan­tin der Gro­ße läßt noch nach 1700 Jah­ren die Juden mit dem Hei­li­gen Stuhl strei­ten. Die Schlacht an der Mil­vi­schen Brücke im Jahr 312 gilt als ent­schei­den­der Anstoß dazu, daß sich Kon­stan­tin als erster römi­scher Kai­ser dem Chri­sten­tum zuwand­te. In der Schlacht errang er „unter dem Zei­chen des Kreu­zes“ einen Sieg über sei­nen Mit­kai­ser Maxi­mi­nus Daia, der die Chri­sten im gro­ßen Stil ver­folg­te und das Hei­den­tum zu stär­ken ver­such­te. Eine Tagung im Vati­kan will die Gestalt die­ses „gro­ßen Herr­schers und genia­len Poli­ti­kers“ neu beleuch­ten und man­che Ver­zer­rung zurechtrücken.

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Kon­stan­tin der „gro­ße Herr­scher und genia­le Poli­ti­ker“ gewähr­te dem römi­schen Rei­che all­ge­mein Religionsfreiheit

Die von Kon­stan­tin 313 gewähr­te all­ge­mei­ne Reli­gi­ons­frei­heit im römi­schen Reich, ging als „Kon­stan­ti­ni­sche Wen­de“ in die Welt­ge­schich­te ein. Als Weg­be­rei­ter der Reli­gi­ons­frei­heit, aber auch der christ­li­chen Staats­re­li­gi­on wird Kon­stan­tin jedoch kon­tro­vers beur­teilt. Teils zu Unrecht, wie die Tagung im Vati­kan deut­lich machen will, die einer dif­fe­ren­zier­ten Annä­he­rung die­nen soll.

Der römi­sche Kai­ser, der die Haupt­stadt des Rei­ches vom Westen in den Osten, in die nach ihm benann­te Stadt Kon­stan­ti­no­pel ver­leg­te, habe, so der Vor­wurf, die Juden ver­folgt. Der Vor­wurf des Anti­se­mi­tis­mus haf­tet heu­te schwer und nimmt auch histo­ri­sche Gestal­ten nicht aus.

„Schwar­ze Legen­de“ vom „anti­se­mi­ti­schen“ Kai­ser widerlegt

Im Vati­kan ist man der Über­zeu­gung, wenn sich die­se „schwar­ze Legen­de“ noch heu­te um die­sen Kai­ser rankt, habe das weni­ger mit einem tat­säch­li­chen oder ver­meint­li­chen „Anti­se­mi­tis­mus“ (der Ter­mi­nus ist für die Anti­ke ohne­hin unzu­tref­fend) zu tun, son­dern mehr mit jenen Kräf­ten, die heu­te das Chri­sten­tum und die Chri­sten aus dem öffent­li­chen Leben ver­drän­gen möchten.

“Die Ver­fol­gun­gen fan­den erst nach dem 4. Jahr­hun­dert nach Chri­sti statt. Unter Kon­stan­tin wur­de nur ein Gebäu­de in Jeru­sa­lem in eine Kir­che umge­wan­delt, das nicht jüdisch, son­dern heid­nisch war“, erklär­te die Histo­ri­ke­rin Clai­re Soti­nel von der Eco­le Fran­cai­se de Rome bei der Eröff­nung der Inter­na­tio­na­len Tagung „Kon­stan­tin der Gro­ße. Zu den Wur­zeln Euro­pas“, die dem fas­zi­nie­ren­den Kai­ser gewid­met ist. Die vom 18.–21. April dau­ern­de Tagung wird vom Päpst­li­chen Komi­tee für Geschichts­wis­sen­schaft ver­an­stal­tet und fin­det an der Late­ran­uni­ver­si­tät statt. Das Komi­tee, des­sen Prä­si­dent bis 2009 vom renom­mier­te deut­schen Kir­chen­hi­sto­ri­ker Wal­ter Brand­mül­ler war, der 2010 von Papst Bene­dikt XVI. zum Kar­di­nal erho­ben wur­de, wird seit­her vom Histo­ri­ker und Prä­mon­stra­ten­ser  Ber­nard Ardua gelei­tet. Ins­ge­samt sind drei Tagun­gen zu Kon­stan­tin dem Gro­ßen geplant, deren letz­te 2013 anläß­lich des 1700. Jah­res­ta­ges des Reli­gi­ons­edikts in Mai­land statt­fin­den wird.

Mit­ver­ant­wort­lich für ein ver­zerr­tes Geschichts­bild von Kai­ser Kon­stan­tin sei in jüng­ster Zeit der 2001 erschie­ne­ne Roman „Constantine’s Sword: The Church and the Jews“ von James Car­roll, der zwar „histo­risch unhalt­bar“ ist, aber ein Best­sel­ler wur­de. Car­roll, ein ehe­ma­li­ger katho­li­scher Prie­ster spick­te sei­nen histo­ri­schen Roman mit per­sön­li­chen Ansich­ten zur katho­li­schen Kir­che und aktu­el­len reli­gi­ons­po­li­ti­schen Stand­punk­ten. „A work of histo­ry, theo­lo­gy, and per­so­nal con­fes­si­on“, wie der Ver­lag den Roman bewirbt. Der Autor ver­zeich­ne­te dar­in Kon­stan­tin zum Anti­se­mi­ten und will den Ein­druck erwecken, als sei Anti­se­mi­tis­mus ein kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment der katho­li­schen Kir­che, um mit unzwei­deu­ti­gen Asso­zia­tio­nen zum 20. Jahr­hun­dert eine Ankla­ge zu erhe­ben. Die Dar­stel­lung ent­spricht zwar nicht den histo­ri­schen Fak­ten, schon gar nicht in sei­nen ideo­lo­gi­schen Impli­ka­tio­nen zur mör­de­ri­schen Juden­ver­fol­gung des 20. Jahr­hun­derts, bedient aber eine in der öffent­li­chen Mei­nung ver­brei­te­te kli­schee­haf­te Ver­zer­rung des Anti­se­mi­tis­mus, der dem jüdi­schen-katho­li­schen Dia­log nicht gera­de för­der­lich ist.

Roms Ober­rab­bi­ner greift Anti­se­mi­tis­mus-Vor­wurf auf

Pünkt­lich zur Tagung im Vati­kan griff der Ober­rab­bi­ner von Rom den „Antisemitismus“-Vowruf gegen Kai­ser Kon­stan­tin wie­der auf. Ric­car­do Di Seg­ni ist zur Per­son Kon­stan­tins ande­rer Mei­nung als die ver­sam­mel­ten Histo­ri­ker und tat dies auch öffent­lich kund. „Mit der Bekeh­rung Kon­stan­tins hat sich alles geän­dert. Die­ses Ereig­nis hat­te ent­schei­den­den Ein­fluß auf die Geschich­te und ist eng mit der Juden­ver­fol­gung ver­bun­den.“ Die Bekeh­rung des Kai­sers „ist eine epo­cha­le Was­ser­schei­de, die die Geschich­te in ein vor­her und ein nach­her geteilt und einen dra­ma­ti­schen Umbruch aus­ge­löst hat, dem sich der aus­ge­zeich­ne­te Kai­ser Juli­an ver­geb­lich zu wider­set­zen ver­such­te und der dafür von den Chri­sten pole­misch und unge­recht­fer­tigt der Apo­stat genannt wur­de.“ „Dies zu leug­nen, geht gegen jede histo­ri­sche Evi­denz“, so der Ober­rab­bi­ner und zwar ganz unab­hän­gig davon, ob die Bekeh­rung des Kai­sers „ehr­lich oder ein poli­ti­scher Schach­zug“ war.

Paul VI.: Kon­stan­tin „ent­schie­den­ster Ver­fech­ter der Religionsfreiheit

Um die histo­ri­sche Bedeu­tung des Kai­sers her­aus­zu­strei­chen, zitier­te Gio­van­ni Maria Vian, der Chef­re­dak­teur des Osser­va­to­re Roma­no den mar­xi­sti­schen Histo­ri­ker San­to Maz­z­ari­no, der Kon­stan­tin als den „revo­lu­tio­när­sten Poli­ti­ker der euro­päi­schen Geschich­te“ bezeich­ne­te. Der sprin­gen­de Punkt in der Beur­tei­lung jenes Herr­schers, der die welt­hi­sto­ri­sche Kon­stan­ti­ni­sche Wen­de voll­zog bleibt das Ver­hält­nis Staat und Reli­gi­on. Papst Paul VI. war empört über die Kri­tik am Kai­ser wegen des­sen Reli­gi­ons­po­li­tik, denn Kon­stan­tin „war in Wirk­lich­keit der ent­schie­den­ste Ver­fech­ter der Reli­gi­ons­frei­heit“, wie Vian die­sen Papst zitierte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Pon­ti­fi­cio Comi­ta­to di Sci­en­ze Storiche

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