(New York) Am Montag veröffentlichte das Wall Street Journal ein historisches Interview mit dem Erzbischof von New York, Timothy Kardinal Dolan. Angesichts des herrschenden Kulturkampfes dürfte das dort gemachte Eingeständnis ein geradezu heilsamer Tabubruch sein. Der Vorsitzende der amerikanischen Bischofskonferenz drang auf ein Terrain vor, das bisher von vielen katholischen Oberhirten gemieden wurde. Aufgrund eigener Vorbehalte suchten viele vor allem zur katholischen Morallehre nicht den öffentlichen Dialog und auch die mögliche Konfrontation mit anderen Kräften, weshalb sie erst recht nicht sichtbares Zeugnis für den Glauben abgeben konnten. Die direkte authentische katholische Stimme fehlte daher. Sie wurde nur gefiltert, durch Dritte und dadurch nicht selten kraftlos oder verzerrt wiedergegeben.
„Kirche hat katechetisches Problem“ – Glaubensvermittlung durch eigene Schuld vernachlässigt
Kardinal Dolan steht mit anderen Oberhirten jüngster Ernennungen oder „Beförderungen“ durch Papst Benedikt XVI. trotz aller charakterlicher Unterschiede für eine neue Generation von Bischöfen, die ihren Glauben auch in den weltlichen Massenmedien bekennen und nicht vor Interview- oder Diskussionspartnern zurückschrecken, die anderer Meinung oder gar provozierend sein könnten.
Durch die Selbstbeschränkung und das Zaudern wurde die katholische Stimme zu den zentralen moralischen Fragen nicht mehr ausreichend wahrgenommen, angefangen vom offenen oder stillschweigenden Widerstand gegen die Enzyklika Humanae vitae. Wie in den deutschsprachigen Ländern Europas stellt auch in den USA die Ablehnung der von Papst Paul VI. veröffentlichten Enzyklika durch Bischöfe die Bruchlinie einer Fehlentwicklung dar, deren Überwindung inzwischen schrittweise stattfindet, aber langwierig und mühevoll ist.
„Bischöfe benahmen sich zu lange wie Politiker mit Mitra, Geschäftsführer oder Sozialaktivisten“
„Die Bischöfe haben heute weniger Autorität, weil sie sich zu lange wie Politiker mit Mitra, wie Geschäftsführer eines Unternehmens, wie liberale Sozialaktivisten oder wie furchtsame Verwalter benahmen“, so Steve Jalsevac von LifeSiteNews.
Kardinal Dolan gestand in dem Wall Street Journal-Interview ein, und darin liegt das historische Ereignis, daß die katholische Kirche darin versagt habe, den Katholiken die Bedeutung, Richtigkeit und Schönheit der katholischen Moral- und Sexuallehre zu vermitteln. Erst recht gegenüber Nicht-Katholiken. „Ich bin nicht erfreut, eingestehen zu müssen, daß wir ein internes katechetisches Problem haben“, könnte man die Worte des Kardinals zusammenfassen. Die Kirche, so der Erzbischof von New York, muß wieder auf neue und intensive Weise beginnen, den Katholiken die Glaubenslehre zu vermitteln, sie darin zu unterweisen und zu erziehen. Das Glaubenswissen sei durch eigene, kirchliche Nachlässigkeit geschwunden.
Katholische Morallehre heißt auch: Keine Sakramente für Pro-Abtreibungs- und Pro-Homo-„Ehe“-Politiker
Es gehe auch darum, so der Kardinal, die Katholiken zu überzeugen, zum Beispiel nicht für Politiker zu stimmen, die für die Tötung ungeborener Kinder eintreten oder gegen die einmalige Institution der Ehe zwischen Mann und Frau auftreten, indem sie eine Homo-„Ehe“ einführen wollen. In diesem Zusammenhang müsse unzweideutig vermittelt werden, daß Politiker, die für Abtreibung und für die Homo-„Ehe“ sind, vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen sind, so Dolan.
„Kardinal Dolan, Erzbischof Chaput und eine wachsende Zahl anderer Bischöfe und glaubenstreuer Kirchenführer sind Ausdruck eines neuen Erwachens des Glaubens (thank you President Obama) in den harten Auseinandersetzungen unserer Zeit. Sie brauchen viel Unterstützung“, so Jalsevac von LifeSiteNews. Die Gefahr, so der Lebensrechtler, sei groß, daß die Bischöfe unter dem öffentlichen, politischen und medialen Druck einknicken und Kompromisse eingehen. „Wir wollen aber, daß sie für ihr eigenes Seelenheil und zum Nutzen von uns allen Heilige werden.“
Das Eingeständnis und die Schlußfolgerungen von Kardinal Timothy Dolan sind das genaue Gegenteil des Weges, den der Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn in diesen Tagen zur Homosexualität beschritten hat, indem er eine ebenso eigenwillige wie eigenmächtige Auslegung der katholischen Lehre zur Homosexualität praktiziert.
Im deutschen Sprachraum äußerte der emeritierte Bischof von Feldkirch, Msgr. Elmar Fischer Kritik an den Erklärungen der Bischofskonferenzen in Königstein, Maria Trost und Solothurn, mit denen 1968 die Bischäfe der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz sich von der Enzyklika Himanae vitae distanzierten. Bischof Fischer bestätigt damit, was Kardinal Dolan gegenüber dem Wall Street Journal sagte, daß die Überwindung der 68er Positionen zu Humanae vitae notwendig und von grundlegender Bedeutung ist, wenn die katholische Kirche Kohärenz, Glaubwürdigkeit und Authentizität bei der Verkündigung der katholischen Morallehre zurückgewinnen will.
Text: LifeSiteNews/Giuseppe Nardi
Bild: LifeSiteNews