(London/Rom) Das geistliche Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, der Erzbischof von Canterbury Rowan Williams befindet sich in Rom, um Papst Benedikt XVI. zu besuchen. Dabei geht es um wesentlich mehr als um die weitere Festigung der ohnehin guten ökumenischen Beziehungen. Auch um mehr als um den sicher wichtigen Gebetsmoment und das gemeinsame Essen, das Williams mit Benedikt XVI. im Kamaldulenserkloster von San Gregorio al Celio einnimmt, wo die Mönchsgemeinschaft das 1000. Gründungsfest des Eremitenordens begeht. Das römische Kloster arbeitet eng mit der römischen Kurie und den päpstlichen Universitäten zusammen. Es geht auch um wesentlich mehr als um die mit großer Aufmerksamkeit erwartete Lectio, die Williams in Rom zum Thema: „Die monastischen Tugenden und die ökumenischen Hoffnungen“ hält.
Zwischen Williams und Benedikt XVI. brennt auch das Feuer, das die gesamte große anglikanische Gemeinschaft verzehrt. Ein Feuer, das die Anglikaner entzweit und das in diesen Tagen der heftigen Auseinandersetzungen zwischen den katholischen Bischöfen und der englischen Regierung über die Legalisierung einer Homo-„Ehe“ auch außerhalb ihrer Grenzen spürbar ist.
Williams kommt als Freund nach Rom. Es gilt jedoch als sicher, daß im Gespräch mit dem Papst, das am Rande des Gebetsmoments vorgesehen ist, auch ein zentrales Thema zur Sprache kommen wird, nämlich jene traditionsverbundenen Teile der anglikanischen Welt, die stark den Ruf nach Rom verspüren hin zur unverkürzten Glaubensüberlieferung der katholischen Kirche.
Williams befindet sich gerade in der Klemme, sich im Gegensatz zu den englischen Katholiken, nicht offen und eindeutig gegen die Entscheidung der Regierung Cameron aussprechen zu können, eine Homo-„Ehe“ einzuführen. Die traditionsverbundenen Anglikaner sind empört. Das Verhalten Williams treibt sie der katholischen Kirche in die Arme. Viele sprechen offen von einem Schisma. Glaubwürdige Stimmen schätzen, daß die Hälfte der Anglikaner die laue Haltung Williams als Versagen betrachtet und mißbilligt. Die Hälfte der gesamten Gemeinschaft, das bedeutet einen schweren Mühlstein, der auf dem anglikanischen Primas lastet.
Die Position des Erzbischofs von Canterbury wird noch erschwert durch seinen Vorgänger. Der frühere Primas Lord Carey bezog im Gegensatz zu Williams eindeutig Stellung. Er sammelte 106.000 Unterschriften für eine Petition der Coalition for Marriage, mit der im Interesse der staatlichen Ordnung und dem vom Staat zu garantierenden Gemeinwohl gefordert wird, die rechtliche Definition der Ehe „als freiwilligen Bund für das Leben von einem Mann und einer Frau“ aufrechtzuerhalten.
Teile der Anglikaner sind von der veröffentlichten Meinung und dem damit verbundenen Zeitgeist beeinflußt. Zugunsten der Homo-„Ehe“ nahm die Tageszeitung Times Stellung: „Eine Gesetzesreform, um es gleichgeschlechtlichen Paaren zu ermöglichen, zu heiraten, würde die historische Institution bereichern.“ Eine Position, die viele Anglikaner ablehnen. Sie sehen darin einen grundlegenden Widerspruch zum christlichen Glauben und ebenso zur Institution Ehe und dem Auftrag des Staates, diese Institution zum Wohl der Allgemeinheit besonders zu schützen, die nichts mit dem privaten Sexualverhalten einzelner zu tun habe.
Text: Palazzo Apostolico/Giuseppe Nardi
Bild: news.va