(Stuttgart) Die Priesterbruderschaft St. Pius X. ruft Deutschlands Katholiken auf, das Kirchensteuersystem zu sprengen. Das Motto lautet: Austritt aus dem Kirchensteuersystem zum Wohl der Kirche. Die Bruderschaft greift damit einen Anstoß von Papst Benedikt XVI. auf, der zum Abschluß seines Deutschland-Besuchs im September 2011 von der deutschen Kirche eine „Entweltlichung“ gefordert hatte. Beobachter waren sich einig darin, daß das Kirchenoberhaupt damit vor allem das deutsche Kirchensteuersystem meinte.
In der Bundesrepublik Deutschland wird die Kirchensteuer vom Staat eingehoben. Wer sie nicht bezahlt, gilt als exkommuniziert und aus der Kirche ausgeschlossen. So zumindest die Lesart der deutschen Bischöfe. Eine Situation, wie sie weltweit sonst in keinem Land anzutreffen ist.
Im Vatikan sieht man die Sache ganz anders. Gegen diese Verquickung von Kirchenzugehörigkeit und Geldzahlung hat Rom mehrfach Stellung bezogen und die Praxis der deutschen Kirche verurteilt. Dies geht aus römischen Dokumenten hervor, vor allem einer Erklärung des Päpstlichen Rats für die Gesetzestexte von 2006, die von der Bruderschaft in einem umfangreichen Dossier „MB-Spezial“ veröffentlicht wurden. Das Dossier ist Teil der März-Ausgabe des Mitteilungsblattes der Piusbruderschaft. Darin werden die Katholiken über die zivilrechtliche und kirchenrechtliche Situation des Kirchensteuersystems informiert. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. befindet sich gerade in der entscheidenden Phase der Versöhnungsgespräche mit dem Heiligen Stuhl.
Laut Piusbruderschaft werde „ein Großteil“ der Kirchensteuer dazu gebraucht um einen großen Apparat von „Laienorganisationen, Räten und Funktionären zu bezahlen, welche die Kirche an der Basis zerstören.“ Die herrschende Situation bedeute für gläubige Katholiken einen „Gewissenskonflikt“: „Muß ich wirklich die Zerstörung der Kirche mit meinem Kirchensteuerbeitrag mitfinanzieren?“, fragt die Priesterbruderschaft.
Je eher die Finanzierung der Kirche auf eine neue Grundlage gestellt werde, desto schneller sei „das nachkonziliare Zerstörungswerk (Stichwort Laien- bzw. Frauenpriester, Zölibatsaufhebung, Sakramente für Ehebrecher usw.) zu Ende“, das von religiösen Analphabeten vorangetrieben werde, die als Kirchenfunktionäre auftreten und sich von der Kirche bezahlen lassen, jedoch gegen die Kirche reden, wie es bei der Piusbruderschaft heißt.
Die Piusbruderschaft ruft daher zum Austritt aus dem Kirchensteuersystem auf, nicht zum Austritt aus der Kirche. Es sei sogar Pflicht der Katholiken, für den Unterhalt der Kirche eine Abgabe zu leisten. Der Aufruf richtet sich jedoch gegen die derzeit vom Staat eingehobene Kirchensteuer. Die Katholiken, so die Bruderschaft, sollten ihren „Zehnt“ stattdessen direkt kirchentreuen Werken, Einrichtungen und Orden spenden, „welche der Tradition der Kirche treu geblieben sind und so am Aufbau der Kirche weiterarbeiten“. Die Bruderschaft veröffentlichte im Dossier ein Formular, mit dem kirchenrechtskonform beim Standesamt der Austritt aus dem staatlichen Kirchensteuerverband erklärt, aber gleichzeitig beim Pfarramt die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche bekräftigt wird.
Die Aktion „Katholisch bleiben ohne Kirchensteuer“ sei notwendig geworden, um auf die Unbeweglichkeit der deutschen Bischöfe in der Frage und den fortgesetzten „Mißbrauch“ der Kirchensteuer zur „Zerstörung des Glaubens“ zu reagieren, heißt es bei der Piusbruderschaft.
Der Distriktobere Pater Franz Schmidberger betont das „Modell der Piusbruderschaft“, die nie etwas von der Kirchensteuer erhalten habe und sich ausschließlich aus Spenden finanziere. Die Aktion gilt derzeit der Bundesrepublik Deutschland, betrifft aber wegen des ähnlichen Kirchensteuersystems auch Österreich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: pius.info