(Jerusalem) Israel erlebt ein neues Phänomen: Die Einwanderung von Katholiken. Es sind nicht mehr Heilig-Land-Pilger, die eine besondere Nähe zu den Orten suchen, an denen Jesus legte und wirkte. Es sind Arbeitsmigranten, die vom israelischen Arbeitsmarkt gebraucht werden. Wie in den prosperierenden, aber bevölkerungsarmen Staaten am Persischen Golf sind es vor allem Filipinos, die seit knapp 15 Jahren auch in den Staat der Juden am Mittelmeer kommen. Ihre Zahl wird mit 40.000 angegeben. Seit einigen Jahren kommen Lateinamerikaner hinzu. Gemeinsam ist ihnen ihr katholischer Glaube.
Arbeitsmigranten von den Philippinen und Lateinamerika geben katholischer Kirche neues Gesicht
In Israel leben heute mehr als 200.000 Christen der verschiedenen Konfessionen. Sie machen etwa 2,7 Prozent der im Land anwesenden Bevölkerung aus. Ihren Kern bilden mit noch etwa 120.000 die einheimischen arabischen Christen. Hinzu kommen rund 30.000 Christen vor allem aus dem Westen und den Ländern der Orthodoxie und neuerdings mehr als 60.000 katholische Arbeitsmigranten aus der sogenannten Dritten Welt. Ihr Anteil an den Christen Israels beträgt bereits mehr als ein Viertel. Tendenz steigend.
1945 waren 30 Prozent der Bewohner Palästinas Christen – heute sind es 2,8 Prozent
Die Gesamtzahl der Katholiken steigt, jene der palästinensischen Christen sinkt. Die ganze Dramatik der Entwicklung seit Ende des Zweiten Weltkrieges wird an den Zahlen sichtbar. Vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 waren 30 Prozent der Einwohner Palästinas arabische Christen. Heute machen sie im selben Gebiet nur mehr 2,8 Prozent aus: 1,4 Prozent der Einwohner Israels und etwa 5 Prozent der Bewohner in den von Israel besetzten Palästinensischen Autonomiegebieten.
1945 waren 15 Prozent der Einwohner Jerusalems Christen. Heute sind es, zählt man nur die israelischen Staatsbürger, nur mehr 1,9 Prozent. Der Exodus der arabischen Christen erfolgt ebenso aus den Palästinensergebieten. Sie sehen nach Jahrzehnten des israelisch-palästinensischen Konflikts keine Zukunft mehr für ihre Kinder. Im Gazastreifen leben noch etwa 10.000 Christen (0,7 Prozent der Bevölkerung). Im Westjordanland machen die mehr als 200.000 Christen noch etwa acht Prozent der Bewohner aus. Die große Mehrheit der palästinensischen Christen lebt heute jedoch fern ihrer eigentlichen Heimat.
Die Vielfalt der katholischen Kirche im Heiligen Land
Die Einwanderung führt zu Verschiebungen innerhalb der christlichen Vielfalt in Israel. Der Großteil der Christen des Heiligen Landes sind Katholiken, die allerdings verschiedenen Kirchen und Riten angehören. Da sind lateinische Christen (unter ihnen die neuen Einwanderer), die Christen der verschiedenen mit Rom unierten Kirchen des Ostens, aber auch kleine maronitische und andere Gemeinden und sogar eine Gemeinde hebräischsprachiger Katholiken. Die Gemeinde der zum katholischen Glauben konvertierten Juden zählt in Israel rund 500 Mitglieder. Darunter auch Dimitrij, ein russischer Jude, den auf der Suche nach Wahrheit der Primat des Papstes zur Konversion zur katholischen Kirche überzeugte.
Nicht zu dieser Gruppe, aber zu den Hebräischsprachigen gehören auch die bereits in Israel geborenen Kinder der katholischen Arbeitsmigranten, die die Sprache ihres Gastlandes erlernen und israelische Schulen besuchen.
Pater David Neuhaus, selbst Konvertit, betreut katholische Einwanderer
Wie Oliver Maksan in einem Bericht über Israels neue Katholiken in der katholischen Tageszeitung „Die Tagespost“ berichtete, werden die neuen Katholiken vom Jesuiten Pater David Neuhaus betreut, der mit Sitz in Tel Aviv die Migrantenseelsorge in Israel leitet. Pater Neuhaus, israelischer Staatsbürger, ist der Sohn deutscher Juden, die nach Südafrika ausgewandert sind.
„Billige und willige“ Arbeitskräfte aus der Dritten Welt
Die neuen Katholiken kommen als „billige und willige“ (Maksan) Arbeitskräfte nach Israel, wo sie als Hausangestellte, Kindermädchen und Kranken- und Altenpfleger gefragt sind. Wie Pater Neuhaus erwähnt, lebt jeder Vierte von ihnen illegal im Land.
Die vom Staat Israel gewährten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse sind auf fünf Jahre befristet. Eine dauerhafte Niederlassung wünscht der Staat nicht. Die Reise und vor allem die „Vermittlung“ einer Einreise- und Arbeitsgenehmigung koste die neuen Katholiken große finanzielle Opfer. Sie nehmen sie auf sich, weil die Alternative zu Hause noch prekärer ist. Die israelischen „Vermittler“ verdienen „gut“ an den Bestimmungen, die ihnen durch die Fünfjahresbefristung immer ein sicheres Geschäft garantieren. Die „Tagespost“ zitiert Pater Neuhaus mit den Worten: „Manche werden wie Sklaven gehalten. Man nimmt ihnen den Pass weg und zwingt sie zur Arbeit. Aus Angst vor Abschiebung wehren sie sich oft nicht gegen ihre Behandlung.“ Die Illegalität zwingt zu möglichst unauffälligem Verhalten. An Gegenwehr ist da auch bei sexuellen Übergriffen nicht zu denken. Der Großteil der katholischen Arbeitseinwanderer sind Frauen und Mädchen. Pater Neuhaus ist eine sichere Anlaufstelle auch in den schwierigsten Situationen.
Die Gläubigen versammeln sich vor allem am Samstag besonders zahlreich in der Tel Aviver Kapelle. Da in Israel der Samstag arbeitsfrei ist, besuchen die Katholiken vor allem die Vorabendmesse. Mit der Arbeitsmigration sind eine Vielzahl von Problemen verbunden. Die neuen Katholiken hauchen jedoch der katholischen Kirche in Israel ein unerwartet frisches Leben ein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: EU Times