(Vatikan/Econe) Manche können es nicht lassen. Die Beilage Christ und Welt (ex Rheinischer Merkur) der Wochenzeitung Die Zeit berichtet in ihrer heute erschienenen Ausgabe, daß „laut Einschätzung“ des italienischen Vatikanisten Andrea Tornielli die Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X. „gescheitert“ seien. Die Katholische Nachrichtenagentur KNA verbreitete die Meldung sofort weiter. Ebenso schnell wurde sie von zahlreichen weltlichen und katholischen Medien übernommen.
Tatsächlich handelt es sich nur um die (Falsch-)Meldung, die Alessandro Speciale vergangene Woche, den 3. Februar verbreitete und die am selben Tag von Andrea Tornielli aufgegriffen wurde. Speciale behauptete, der Generalobere der Piusbruderschaft, Msgr. Bernard Fellay habe die Gespräche für gescheitert erklärt. Nichts dergleichen war jedoch geschehen.
Stattdessen fand am selben Tag, an dem Speciale am Morgen bereits seine Nachricht verbreitet hatte, eine Begegnung zwischen Papst Benedikt XVI. und Kardinal Levada statt, dem Präfekten der Glaubenskongregation, der die Verhandlungen mit der Piusbruderschaft führt. Thema der Begegnung waren eben die Gespräche mit Econe. Der Papst ließ sich von Kardinal Levada über den aktuellen Stand informieren und besprach mit ihm, wie der nächste Schritt des Heiligen Stuhls ausschauen könnte. Der Vatikan ist nämlich an der Reihe, der Piusbruderschaft zu antworten.
Ein Scheitern der Gespräche ist nicht ausgeschlossen, genau so wenig jedoch eine Einigung zwischen Rom und Econe. Was Speciale veröffentlichte und andere weiterverbreiteten, war ein gezieltes Störfeuer zur Torpedierung der Gespräche, ein Versuch, von außen Einfluß zu nehmen, wobei der Wunsch offensichtlicher Vater des Gedankens war. Die Aktualität der Christ und Welt-Einschätzung Torniellis entspricht dem Stand vom Morgen des 3. Februar 2012 (nur diesmal in deutscher Sprache). Seither hat er in Italien nichts mehr zum Thema veröffentlicht, auch nicht auf seinem eigenen Blog.
Die Frage, ob es zu einer Einigung oder zu einem Scheitern der Gespräche zwischen Rom und Econe kommt, ist nach wie vor offen.
Der Zeit-Redaktion scheint der Gedanken eines Scheiterns der Gespräche zu gefallen, weshalb man in deutscher Version die Meldung der Vorwoche neu aufwärmte. Daß Teile der katholischen Kirche am Scheitern der Gespräche interessiert sind, war bekannt. Die Verbreitung dieser voreiligen Negativmeldungen skizziert in etwa eine Landkarte, wer welchem Wunschdenken anhängt. Das ist durchaus aufschlußreich für Beobachter der katholischen Kirche. Es ist derzeit aber nicht mehr und auch nicht weniger.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Dieter Volkerts