(Peking/Neu Delhi) In weniger als 30 Jahren wird es 20 Prozent mehr Männer als Frauen geben. Das größte Ungleichgewicht wird es in der riesigen Volksrepublik China geben, wo im besten Fall 130 Männer auf 100 Frauen kommen, im schlimmsten Fall sogar 150 Männer auf 100 Frauen. In Indien wird die Schere zwischen Männern und Frauen auf 110–120 Männer auf 100 Frauen auseinanderklaffen. Diesen Bevölkerungsriesen folgen Singapur, Hong Kong, Taiwan und Südkorea.
Die Ursache für diese dramatische Fehlentwicklung ist die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib. Um genau zu sein die selektive Tötung von Mädchen durch Abtreibung. Diese doppelte Diskriminierung, die sich gegen das Lebensrecht wendet und zudem gegen das weibliche Geschlecht richtet, verändert das natürliche Geschlechtergleichgewicht der Weltbevölkerung. Dies geht aus den Zahlen hervor, die von der United Nations Population Division (UNPD) und dem U.S. Census Bureau’s International Programs Center (IPC) bekannt gegeben wurden. Das sind die beiden wichtigsten Institutionen, die sich mit der Bevölkerungsentwicklung befassen. Asien ist trauriger „Spitzenreiter“ bei der Tötung ungeborener Kinder. Das ist nicht die einzige Plage, die den größten Kontinent beutelt. In Asien wird eine gegen Mädchen gerichtete selektive Abtreibung durchgeführt, mit dem Ergebnis, daß auf 120 Buben nur 100 Mädchen das Licht der Welt erblicken. Die Natur kennt ein natürliches Gleichgewicht bei der Geburt der beiden Geschlechter. Alles was über den Index 105 eines der Geschlechter hinausgeht, bedeutet einen künstlichen Eingriff und damit eine Verzerrung des Geschlechterverhältnisses mit schwerwiegend Langzeitfolgen. Davon sind die Volksrepublik China, Indien, Hong Kong, Singapur, Taiwan, Südkorea und Vietnam bereits massiv betroffen.
Das Phänomen einer unnatürlichen Entwicklung im Geschlechterverhältnis, der sogenannten Sex Ratio, der sexuellen Selektion, wurde erstmals in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts festgestellt. Ausgangspunkt ist die Verordnung der Ein-Kind-Politik durch das kommunistische Regime in China. Familien, die mehr als ein Kind bekommen, unterliegen schweren Sanktionen bis hin zu Zwangsabtreibungen und Gefängnis. 1982 war die sexuelle Selektion in China (das Übergewicht der Männer) auf 108,5 zu 100 Frauen gestiegen, 1990 auf 111,14, 1995 auf 115,6, 2005 auf 118,9. In einigen Regionen lag sie 2011 bereits zwischen 130 und 140. Spitzenwerte erreichen ein Verhältnis von 150 : 100. Wenn vor 2000 rund 96 Prozent der Männer im Alter von 40 Jahren verheiratet waren, werden 23 Prozent aller Männer im Jahr 2040 in China keine Frau finden.
Abtreibung und selektive Abtreibung von Mädchen sind auch auf dem indischen Subkontinent weit verbreitet. Indien ist die drittgößte Wirtschaftsmacht Asiens und größte Demokratie der Welt. Das größte Ungleichgewicht findet sich in den nordwestlichen Bundesstaaten Punjab, Haryana, Rajasthan, Gujarat, Maharashtra, Uttar Pradesh, Himachal Pradesh. Dort liegt die sexuelle Selektion bei den Kindern unter sechs Jahren bei 120, wenn nicht schon höher. In der indischen Hauptstadt Neu Delhi liegt sie bei 115. In Taiwan und Hong Kong liegt das Ungleichgewicht bei 109 beziehungsweise 110, in Singapur bei 107.
Laut der Studie von Daniel Gookind “Child underreporting, fertility, and sex ratio imbalance in China“ bildet Südkorea eine Ausnahme. Dort zeichnet sich der umgekehrte Weg ab und die Rückkehr zu einem ausgeglichenen natürlichen Geschlechterverhältnis bei den Lebendgeborenen. Nachdem sich die Schere um 1995 bereits auf eine Kluft von 115 Männern auf 100 Frauen aufgetan hatte, liegt sie heute bei 107. „Nicht dank einer veränderten Regierungspolitik, sondern durch eine Mentalitätsänderung der Menschen, die auf spontane, nicht koordinierte Weise wieder begonnen haben, ihre Töchter zu ehren, zu achten und zu schützen.“
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews