(Washington) Der Katholik Rick Santorum ist der eigentliche Sieger der ersten Vorwahlen der Republikanischen Partei, die gestern im Bundesstaat Iowa stattfanden. Mit 25 Prozent erreichte er dasselbe Ergebnis wie Mitt Romney, der als Favorit ins Rennen ging. Romney lag am Ende nur 8 Stimmen vor Santorum. Der Italoamerikaner mit österreichischen Wurzeln sammelte die ersten 12 Delegiertenstimmen für den Nominierungskongreß der Republikaner in der Woche des 27. August, der in Tampa im Bundesstaat Florida stattfinden wird. Romney erhielt 13 Delegiertenstimmen.
Romney hält – Santorum von Null auf 25
Romney startete mit den 25 Prozent, die er bereits bei den Vorwahlen von 2008 in Iowa erhalten hatte. Damals erreichte er damit nur Platz 2 hinter Mike Huckabee, der Anfang 2008 noch die republikanische Szene zu beherrschen schien. Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts konnte also seinen damaligen Anteil halten, aber nicht ausbauen. Santorum startete hingegen von Null auf 25. Mitte Dezember erreichte er in Umfragen erst sechs Prozent und zuletzt höchstens 18 Prozent. Sein Stern ist aufsteigend. Allerdings können auch leuchtende Sterne am amerikanischen Polithimmel schnell verbrennen.
Santorum und die „nicht verhandelbaren Werte“
Santorum, bis 2006 einer der beiden Vertreter Pennsylvanias im US-Senat und derzeit Mitglied des pennsylvanisches Parlaments und Mitarbeiter, ist als Katholik bereits eine Ausnahme im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Der Rechtsanwalt und Ritter des Souveränen Malteserordens ist einer der Hoffnungsträger einer kämpferischen Rechten, die sich den linksliberalen Versuchen, eine kulturelle Hegemonie durchzusetzen, keineswegs kleinlaut beugt. Santorum ist ein bedingungsloser Verteidiger des Lebensrechts. Er verneint entschieden ein behauptetes „Recht“ auf Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib. Deshalb und wegen seiner Verteidigung von Ehe und Familie gegen deren Zersetzung durch Homosexuellenprivilegien wird er stark angefeindet. Der ORF berichtete entsprechend bereits vom „religiösen Außenseiter“. Gemeint sind damit nicht seine katholische Kirchenzugehörigkeit, sondern seine politischen Positionen. Der Starterfolg in Iowa belegt hingegen, daß Santorums Position alles andere als die eines „Außenseiters“ ist. Santorum hat österreichische Wurzeln. Seine Familie stammt aus Riva del Garda dem südlichsten Teil Tirols. Wenige Jahre nachdem Welschtirol nach dem Ersten Weltkrieg zu Italien kam, wanderte Santorum Großvater 1925 in die USA aus.
USA haben tiefsitzendes antikatholisches Tabu überwunden
Das wahrscheinlich bedeutendste Ergebnis des Vorwahlausgangs von gestern liegt darin, daß das alte, tiefsitzende antikatholische Tabu der mehrheitlich protestantischen USA wirklich überwunden ist. Die Ergebnisse in den vorwiegend evangelikalen Countys sprechen eine deutliche Sprache. Wo 2008 mit großem Vorsprung der evangelikale Huckabee siegte, gewann 2011 der Katholik Santorum. 54 Prozent der Wähler, die am 3. Januar an den republikanischen Vorwahlen teilnahmen, sind „wiedergeborene“ Christen. In dieser wichtigen Wählergruppe lag am Ende Santorum vorne und das deutlich. Sein Erfolg in den konservativen Bezirken signalisiert eine aufschlußreiche Tendenz. Gleichzeitig konnte Santorum in allen Teilen des heterogenen Bundesstaates gleichmäßige Ergebnisse erzielen. Ein Zeichen dafür, daß er gefällt, überzeugt und gewinnend ist.
An dritter Stelle platzierte sich mit 22 Prozent Ron Paul. Seine Stimmen gingen jedoch verloren wie auch die aller nachgereihten Kandidaten, da nur die beiden erstplatzierten Delegierte für den Parteitag erhalten. Paul ist mit 76 Jahren der Älteste unter den Bewerbern. Hinter Paul sammelte sich in Iowa der Großteil der Tea Party, die nach den Präsidentenwahlen von 2008 unter dem Motto „Für Gott, Vaterland und Familie“ als Gegengewicht zum siegreichen Obama entstand. Für Paul stimmte mit 48 Prozent auch die überwältigende Mehrheit der sogenannten Unabhängigen, die keiner organisierten Richtung im Umfeld der Partei angehören.
Was macht die Tea Party?
Iowa brachte noch keine wirkliche Vorentscheidung. Mit Romney, Santorum und Paul liegen drei Kandidaten verhältnismäßig nahe beieinander, die drei verschiedene Arten des amerikanischen Konservativismus repräsentieren, die alle drei zusammen für einen Wahlsieg im November gegen Obama notwendig sind. Wollte man eine Vereinfachung vornehmen, dann steht Romney der Finanzoligarchie näher, ist Santorum der Vertreter der christlichen Rechten und Paul der Verfechter einer antidirigistischen Zurückdränkung des staatlichen Einflusses, eines rigiden Abbaus des Staatsdefizits und damit außenpolitisch am stärksten der alten isolationistischen Richtung der Republikaner verpflichtet. Iowa hat gezeigt, daß der Mormone Romney das Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten schaffen kann. Er ist an Wahlkampferfahrung und an Dotierung seiner Wahlkampfkasse den anderen Bewerbern überlegen. Er wird sich den Erfolg jedoch gegen starke Konkurrenz „verdienen“ müssen. Der Katholik Santorum ist in den Kreis der ernsten Herausforderer aufgestiegen. Romney, der unter den republikanischen Bewerbern vom republikanischen Establishment und den Medien bevorzugt wird, muß zudem die Rechnung mit der Tea Party machen, die mit dem ehemaligen Gouverneur ganz und gar nicht warm wird. Es wird nicht nur von einem Bundesstaat abhängen, mit wem sich die Tea Party verbündet, die mit dem Erfolg bei den Halbzeitwahlen von 2010 zur Erneuerung des amerikanischen Parlaments die „Reifeprüfung“ bestand.
Romney, Santorum und Paul als „Konservative“ glaubwürdig
Aus der Sicht der „nicht verhandelbaren Werte“, wie sie Papst Benedikt XVI. definierte, allen voran der Lebensschutz, schaffen Romney, Santorum und Paul, wenn auch mit Nuancen die Hürde. Allein diese Tatsache unterscheidet die USA grundlegend von den meisten europäischen Staaten. Dazu gehört auch die Selbstverständlichkeit, mit der alle republikanischen Kandidaten sich selbstbewußt als „Konservative“ bezeichnen. Gegner Romneys werfen dem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts vor, ein „Moderater“ zu sein. In Deutschland ist die Bezeichnung „moderat“ bereits das Maximum, was ein Nicht-Linker-Politiker von sich selbst sich zu sagen trauen würde. Romney ist im Vergleich zum westlichen Europa auch in den „nicht verhandelbaren“ Fragen glaubwürdig.
Nun sind die Augen auf die nächste Runde der Vorwahlen gerichtet, die am 10. Januar in New Hampshire stattfinden. Teilt sich in Iowa die Wählerschaft traditionell zu etwa gleichen Teilen in Republikaner, Demokraten und “Unabhängige“, die von Wahl zu Wahl entscheiden, für welche Seite sie sich entscheiden, ist der Ostküstenstaat New Hampshire ein traditionell liberaler Bundesstaat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: BQ