(Mailand) Seit mehr als einem Jahr wird mit großer Spannung die Ernennung des künftigen Erzbischofs von Mailand erwartet. Dies gilt nicht nur für Italien, sondern weit darüber hinaus. Das Erzbistum Mailand ist die größte Diözese der Welt. Die Kathedra, die bereits der Kirchenvater Ambrosius innehatte, brachte im 20. Jahrhundert mehrere Päpste hervor. Wegen des dort noch heute geltenden ambrosianischen Ritus, nimmt die norditalienische Metropole auch liturgisch eine gewiße Sonderstellung in der Kirche ein.
Angelo Scola, Patriarch von Venedig ist der Favorit
Der seit 2002 amtierende Erzbischof, Dionigi Kardinal Tettamanzi, erreichte vor zwei Jahren die Altersgrenze. Papst Benedikt XVI. bat den Kardinal im Amt zu bleiben. Seither dreht sich das Nachfolgerkarusell. Gleich zwei Kardinäle galten lange als Favoriten um den prestigeträchtigen Bischofsstuhl: Kardinal Angelo Scola, Jahrgang 1941, Patriarch von Venedig mit sehr gutem Kontakt zu Papst Benedikt XVI. Scola steht der Gemeinschaft Communione e Liberazione (CL) von Don Luigi Giussani nahe. Er setzte in der Lagunenstadt sofort das Motu proprio Summorum Pontificum um, indem er eine Kirche am Canal Grande zur Verfügung stellte, die von der Petrusbruderschaft betreut wird. Im vergangenen Jahr zelebrierte der Kardinal bei einem Besuch dieser Kirche selbst eine Heilige Messe im Alten Ritus.
Kardinal Gianfranco Ravasi, Jahrgang 1942, Exeget, seit 2007 Präsident des Päpstlichen Kulturrats und seit 2010 Kardinal, dem man nachsagt, er habe sich selbst ins Spiel um die Nachfolge in Mailand gebracht. Beide stammen aus der Lombardei und die Namen beider waren schließlich im Fünfer-Vorschlag enthalten, den der Apostolische Nuntius für Italien in diesem Frühjahr dem Heiligen Stuhl übermittelte.
Übriggeblieben ist ein Dreiervorschlag. Ein solcher wird auch dem Papst vorgelegt werden mit denselben oder anderen Namen. Er kann daraus wählen, muß aber nicht. Im Dreiervorschlag, der nun der Bischofkongregation vorliegt, fehlt Kardinal Ravasi. Obwohl in Mailand nicht wenige und nicht zuletzt auch die Tageszeitung Corriere della Sera für Msgr. Ravasi warben, wurde seine Ernennung immer unwahrscheinlicher, je deutlicher wurde, daß der Papst nicht gewillt scheint, die nach einiger Mühe personell austarierte römische Kurie bereits umzubauen.
Diözese mehrerer Päpste
Der Bischofskongregation liegen nun die Namen von drei geeigneten Kandidaten vor: an erster Stelle steht Kardinal Angelo Scola, Patriarchen von Venedig, gefolgt von Msgr. Francesco Lambiasi, Bischof von Rimini und Msgr. Aldo Giordano, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls beim Europarat. Am Donnerstag, den 9. Juni wird die Bischofskongregation diesen verbliebenen Dreiervorschlag prüfen und dem Papst eine Empfehlung geben.
Msgr. Giuseppe Bertello, der Apostolische Nuntius für Italien führte drei verschiedene Befragungen durch, mit denen er die Meinung Hunderter von Bischöfen, Priestern und Laien von Mailand und der Lombardei einholte. Bei der letzten Befragung in den vergangenen Wochen wurde gezielt zum erwähnten Fünfervorschlag befragt, der aus den drei Genannten sowie Kardinal Ravasi und Msgr. Pietro Parolin, Apostolischer Nuntius für Venezuela bestand. Die Letztgenannten scheinen jedoch im Dreiervorschlag, den die Kongregation prüfen wird, nicht mehr auf.
Laut Kirchenrecht besagt dies noch gar nichts, da der Papst in seiner Entscheidung nicht gebunden ist. Auch die Kongregation kann dem Papst andere Namen vorschlagen. Erst in den vergangenen Tagen wurden neue Mitglieder der Kongregation ernannt, die vielleicht andere Akzente setzen. Dazu gehören Kardinal Mauro Piacenza und der emeritierte Bischof Lorenzo Chiarinelli.
Kardinal Scola ist demnach der Favorit für die Diözese des heiligen Ambrosius. Vor seiner Ernennung zum Patriarchen von Venedig war er Bischof von Grosseto, Rektor der Lateranuniversität und vom damaligen Präfekten Kardinal Joseh Ratzinger geschätzer Mitarbeiter an der Glaubenskongregation.
Bischof Lambiasi ist seit Jahren geistlicher Assistent der Katholischen Aktion Italiens. Msgr. Giordano, der noch nicht Bischof ist, gehört dem päpstlichen Diplomatenstab an. Er stand bereits im vergangenen Jahr auf dem Dreiervorschlag für die Erzdiözese Turin. Damals entschied sich der Papst schließlich für den Bischof von Vicenza, Msgr. Cesare Nosiglia.
Ende Juni wird Nachfolger Tettamanzis bekanntgegeben
Zum ersten Mal seit bald einem Jahrhundert erfolgt die Ernennung des neuen Erzbischofs von Mailand, und damit einer der bedeutendsten Diözesen der Welt, mittels ordentlichem Auswahlverfahren, wie es für die meisten anderen Diözesen angewandt wird. Zuletzt erfolgte die Ernennung stets direkt durch den Papst ohne Einbindung der Bischofskongregation und deren Prüfungsverfahren.
Am 9. Juni erfolgt die letzte Prüfung der Kandidaten. Wenige Tage später wird Kardinal Marc Ouellet, der Präfekt der Bischofskongregation, Papst Benedikt XVI. einen Vorschlag unterbreiten. Der Name des neuen Erzbischofs von Mailan wird voraussichtlich Ende des Monats bekanntgegeben.
(Sacri Palazzi/Giuseppe Nardi, Bild: Sacri Palazzi)