Liebe Ministranten, liebe Freunde, liebe deutschsprachige Pilger,
willkommen hier in Rom! Mit euch grüße ich den Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone; er heißt Tarcisio wie euer Patron. Ihr habt ihn freundlicherweise eingeladen, und er, der den Namen des heiligen Tarzisius trägt, freut sich, daß er mit unter den Ministranten der Welt und unter den deutschen Ministranten sein kann. Ich grüße die lieben Mitbrüder im Bischofsamt sowie die Priester und Diakone, die an dieser Audienz teilnehmen. Von Herzen danke ich Weihbischof Martin Gächter aus Basel, dem Präsident des »Coetus Internationalis Ministrantium«, für die Begrüßungsworte, die er an mich gerichtet hat, für das große Geschenk der Tarzisiusstatue und für das Halstuch, das er mir überreicht hat. All das erinnert mich an die Zeit, als ich selber ein Ministrant war. Weihbischof Gächter danke ich in euer aller Namen auch für den großen Einsatz, den er unter euch leistet. Ebenso danke ich seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen, die dieses fröhliche Beisammensein möglich gemacht haben. Mein Dank gilt auch den Förderern aus der Schweiz und allen, die auf vielfältige Weise mitgeholfen haben, die große Statue des heiligen Tarzisius zu realisieren.
Ihr seid in großer Zahl hier! Ich habe mit dem Hubschrauber schon den Petersplatz überflogen und all die Farben und die Freude gesehen, die auf diesem Petersplatz zugegen ist. So sorgt ihr nicht nur für eine gute Stimmung auf diesem Platz, sondern vermehrt auch die Freude in meinem Herzen! Vielen Dank! Die Tarzisiusstatue hat schon einen langen Pilgerweg hinter sich. Im September 2008 wurde sie im Beisein von 8.000 Ministranten erstmals in der Schweiz präsentiert. Sicher waren einige von euch damals schon dabei. Von dort wurde sie über Luxemburg bis nach Ungarn gebracht. Heute nehmen wir sie hier festlich in Empfang und freuen uns, diese Gestalt aus den ersten Jahrhunderten der Kirche besser kennenzulernen. Später wird die Statue, wie Weihbischof Gächter schon gesagt hat, bei den Kalixtuskatakomben aufgestellt werden, wo sich das Grab des heiligen Tarzisius befindet. Vor euch allen äußere ich meinen Wunsch, daß dieser Ort, die Kalixtuskatakomben und diese Statue, ein Bezugspunkt für die Ministrantinnen und Ministranten wird sowie für alle, die Jesus als Priester, Ordensleute und Missionare unmittelbarer nachfolgen wollen. Sie alle können auf diesen mutigen und starken jungen Menschen hinschauen und dabei ihre Freundschaft mit dem Herrn selber erneuern. So lernen wir, immer mit Gott zu leben und dem Weg zu folgen, den er uns mit seinem Wort und durch das Zeugnis so vieler Heiliger und Märtyrer zeigt, von denen wir durch die Taufe Brüder und Schwestern sind.
Wer war der heilige Tarzisius? Wir haben nicht viele Auskünfte über ihn. Er lebte in den ersten Jahrhunderten der Kirchengeschichte, näherhin im 3. Jahrhundert. Man erzählt sich, daß Tarzisius ein Junge war, der regelmäßig die Kalixtuskatakomben hier in Rom besuchte und seine Pflichten als Christ besonders treu erfüllte. Er hatte eine große Liebe zur Eucharistie, und aufgrund einiger Anhaltspunkte kommen wir zu dem Schluß, daß er vermutlich ein Akolyth, also ein Ministrant gewesen ist. In jenen Jahren verfolgte Kaiser Valerian die Christen mit aller Härte. Sie mußten sich heimlich in ihren Privathäusern oder gelegentlich auch in den Katakomben treffen, um das Wort Gottes zu hören, miteinander zu beten und die heilige Messe zu feiern. Auch der Brauch, die Eucharistie zu den Gefangenen und Kranken zu bringen, wurde immer gefährlicher. Eines Tages fragt der Priester wie gewohnt, wer bereit sei, die Eucharistie zu den Brüdern und Schwestern zu bringen, die darauf warteten. Da erhob sich der junge Tarzisius und sagte: »Schicke mich!« Dieser Junge schien aber noch zu klein für eine so schwierige Aufgabe. »Mein junges Alter«, erwiderte Tarzisius, »wird der beste Schutz für die Eucharistie sein.« Das überzeugte den Priester, und er vertraute ihm das kostbare Lebensbrot an und sagte: »Tarzisius, denk daran, daß du einen himmlischen Schatz in deinen schwachen Händen hältst. Vermeide die vollen Straßen und vergiß nicht, daß die heiligen Dinge nicht den Hunden und die Edelsteine nicht den Schweinen vorgeworfen werden dürfen. Wirst du die heiligen Geheimnisse treu und sicher bewahren?« »Ich werde eher sterben, als sie mir wegnehmen zu lassen«, erwiderte Tarzisius. Unterwegs traf er ein paar Freunde, die auf ihn zukamen und ihn einluden, mit ihnen zu gehen. Als er ablehnte – es waren Heiden –, wurden sie mißtrauisch und aufdringlich. Dann bemerkten sie, daß er etwas an seine Brust drückte, als wollte er es verteidigen. Sie versuchten, es ihm zu entreißen, aber vergeblich. Der Kampf wurde immer wilder, vor allem als sie erfuhren, daß Tarzisius Christ war. Sie traten ihn mit den Füßen, bewarfen ihn mit Steinen, aber er gab nicht nach. Von einem Prätorianergardisten namens Quadratus, der auch heimlich Christ geworden war, wurde der Sterbende zu einem Priester gebracht. Sein Körper war bereits leblos, aber an seiner Brust hielt er immer noch das kleine Leinentuch mit der Eucharistie. Gleich danach wurde er in den Kalixtuskatakomben begraben. Papst Damasus hat eine Inschrift für das Grab des heiligen Tarzisius verfaßt, gemäß der er im Jahr 257 gestorben ist. Das Römische Martyrologium legt den Todestag auf den 15. August fest und gibt auch die schöne mündliche Überlieferung wieder, nach der das Allerheiligste nicht am Körper des heiligen Tarzisius gefunden wurde, nicht in seinen Händen und auch nicht in seiner Kleidung. Das legte man so aus, daß die geweihte Hostie, die der kleine Märtyrer mit seinem Leben verteidigt hatte, Fleisch von seinem Fleisch geworden war und so mit seinem eigenen Leib vereint ein einziges makelloses Opfer, das Gott dargebracht wurde.
Liebe Ministrantinnen und Ministranten, das Zeugnis des heiligen Tarzisius und diese schöne Überlieferung zeigen uns die tiefe Liebe und die große Verehrung, die wir für die Eucharistie haben müssen: Sie ist ein kostbares Gut, ein Schatz von unermeßlichem Wert, sie ist das Brot des Lebens, sie ist Jesus selbst, der für uns zur Speise wird, Stütze und Kraft für unseren täglichen Weg und ein Pfad, der zum ewigen Leben führt; sie ist das größte Geschenk, das Jesus uns hinterlassen hat.
So wende ich mich an euch, die ihr hier versammelt seid, und durch euch an alle Ministrantinnen und Ministranten der Welt: Tut großzügig euren Dienst an Jesus, der in der Eucharistie gegenwärtig ist! Das ist eine wichtige Aufgabe, die euch erlaubt, besonders nahe beim Herrn zu sein und in einer tiefen wirklichen Freundschaft mit ihm zu wachsen. Bewahrt diese Freundschaft voll Eifer in eurem Herzen, so wie der heilige Tarzisius, und seid bereit, dafür einzustehen, dafür zu ringen, dafür euer Leben hinzugeben, damit Jesus zu allen Menschen kommt. Teilt auch ihr euren Altersgefährten das Geschenk dieser Freundschaft mit, mit Freude und Begeisterung und ohne Angst, daß sie spüren, ihr kennt es, es ist wahr, und ihr liebt dieses Geheimnis! Jedes Mal, wenn ihr zum Altar hintretet, habt ihr das Glück, bei der großen Liebestat Gottes dabei zu sein, der sich auch heute jedem von uns schenken will, uns nahe sein will, uns helfen will und Kraft geben will, damit wir richtig leben. Bei der Wandlung, ihr wißt es, wird dieses kleine Stück Brot Leib Christi, und der Wein wird Blut Christi. Ihr habt das große Glück, dieses unsagbare Geheimnis aus nächster Nähe erleben zu dürfen! Erfüllt eure Aufgaben als Ministranten mit Liebe, Andacht und Treue und kommt nicht einfach irgendwie herein, sondern bereitet euch inwendig auf die heilige Messe vor! Wenn ihr euren Priestern beim Dienst am Altar helft, tragt ihr dazu bei, daß Jesus mehr erfahrbar wird, daß die Menschen mehr spüren und erkennen: er ist da, daß er in dieser Welt, im Alltag, in der Kirche und an jedem Ort immer mehr gegenwärtig sein kann. Liebe Freunde, ihr leiht Jesus eure Hände, eure Gedanken, eure Zeit. Das wird er euch vergelten, indem er euch die wahre Freude schenkt und spüren läßt, wo das wirkliche Glück zu Hause ist. Der heilige Tarzisius hat uns gezeigt, daß jemand sogar sein Leben für ein wirkliches Gut, für das wahre Gut, für den Herrn aus Liebe hingeben kann.
Von uns wird nicht sogleich das Martyrium verlangt, aber Jesus bittet um die Treue in den kleinen Dingen, um die innere Sammlung, das innere Mit-dabei-Sein, unseren Glauben, und darum, daß wir uns mühen, im Alltag diesen Schatz gegenwärtig zu halten. Er bittet uns um Treue in den täglichen Aufgaben, um das Zeugnisgeben für seine Liebe, indem wir in die Kirche gehen aus innerer Überzeugung und Freude, daß er da ist. So können wir auch für unsere Freunde erfahrbar machen, daß Jesus lebt. Dabei helfe uns die Fürsprache des heiligen Johannes Maria Vianney, dessen Gedenktag wir heute feiern, des demütigen Pfarrers von Frankreich, der eine kleine Gemeinde umgewandelt und der Welt damit ein neues Licht geschenkt hat. Das Beispiel der Heiligen Tarzisius und Johannes Maria Vianney ermutige uns jeden Tag, Jesus zu lieben und seinen Willen zu erfüllen, so wie die Jungfrau Maria, die ihrem Sohn bis zum Ende treu war. Noch einmal herzlichen Dank euch allen! Gesegnete Tage und gute Heimkehr!