(Götingen) Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Montag vor neuen Gewaltakten gegen Christen in Indien gewarnt. Hindu-Extremisten hätten am Wochenende ihre Absicht bekräftigt, am 25. Dezember im Bundesstaat Orissa einen Generalstreik auszurufen, um die christlichen Weihnachtsfeiern zu stören. Einer Delegation europäischer Botschaften aus Neu Delhi, die zuvor besonderen Schutz für die Christen gefordert hatte, wurde die Einreise in die Unruheregion im Kandhamal-Distrikt verwehrt.
„Offensichtlich sind die indischen Behörden von ihren beschwichtigenden Erklärungen zur Lage der Christen selbst nicht überzeugt“, sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius, „denn sonst müßten sie ausländische Beobachter nicht aussperren.“ Orissas Innenminister Aditya Prasad Padhi habe den Diplomaten Großbritanniens, Italiens, Irlands, Finnlands und der Niederlande nur gestattet, die Hauptstadt des Bundesstaates Bhubaneswar sowie die Stadt Berhampur zu besuchen. Er habe der Delegation versichert, es gebe seit Oktober keine Gewalt mehr im Kandhamal-Distrikt.
„Mehr als 10.000 seit Ende August vor pogromartigen Übergriffen von Hindu-Nationalisten geflohene Christen wagen es aus Angst vor neuem Terror nicht, in ihre Dörfer heimzukehren“, berichtete Delius. „Wer trotzdem zurückkehrt und sich nicht zum Hinduismus bekehren läßt, riskiert sein Leben.“ So sei die 52 Jahre alte Frau Bimala Nayak am 25. November mit Äxten zu Tode gehackt worden, als sie aus einem Flüchtlingslager in die Nähe ihres Dorfes zurückkehrte, um Reis zu ernten. Auch die 45 Jahre alte Lalita Digal, die am 21. November ein Flüchtlingslager verließ, um in ihr Dorf zurückzukehren, wurde umgebracht.
„In Orissa gibt es für Christen keine Religions- und Meinungsfreiheit“, kritisierte Delius. So seien am 8. Dezember der Journalist Lenin Kumar sowie seine beiden Mitarbeiter Ravi Jena und Dhananjay Lenka verhaftet worden, weil sie in dem 80-seitigen Buch „Blutvergießen in Kandhamal im Namen der Religion“ Hindu-Extremisten für die Gewalt verantwortlich gemacht und namentlich genannt hätten. Vergeblich haben dutzende Journalisten, Schriftsteller und Bürgerrechtler gegen die Festnahmen protestiert.
Seit der Ermordung eines radikalen Hindu-Führers am 23. August 2008 sind in Orissa 53.000 Christen aus 315 Dörfern vertrieben worden, 151 Kirchen wurden zerstört sowie 4.640 Häuser von Christen geplündert und niedergebrannt. Rund 60 Angehörige der religiösen Minderheit wurden getötet. Mehrfach hat die Europäische Union (EU) in den letzten Wochen ihre Besorgnis über die Situation der Christen in Orissa ausgedrückt.
(PM/ JB)