(München) Konkrete wirtschaftliche Interessen von Landbesitzern heizen nach Auffassung des katholischen Erzbischofs von Bophal in Zentral-Indien, Leo Cornelio, die derzeitigen Ausschreitungen gegen Christen im indischen Bundesstaat Orissa an. Neun von zehn Christen dort seien Stammesangehörige und Kastenlose (Dalits) mit geringer Bildung. Sie dienten den reichen Bauern als billige Arbeitskräfte, sagte der Erzbischof bei einem Besuch des Hilfswerks Kirche in Not am heutigen Freitag.
Die hinduistischen Landbesitzer fürchteten, ihre Arbeiter könnten mit einer besseren Ausbildung durch christliche Schulen in die
Städte abwandern. Außerdem hätten sie Angst, daß sich die Christen nicht mehr so leicht politisch beeinflußen ließen wie bisher. „Die Christen lehren, daß alle vor Gott gleichwertig sind“, sagte Erzbischof Cornelio. „Die reichen Bauern, die noch am Kastensystem festhalten, stört das.“ Sie beeinflußten die örtlichen Sicherheitsbehörden, gegen Gewaltexzesse nicht einzuschreiten.
In sechs Bundesstaaten Indiens sei der Übertritt vom Hinduismus zu einer anderen Religion verboten, darunter auch in Orissa sowie in Madhya Pradesh, wo Erzbischof Cornelio seinen Sitz hat.
Die Ausschreitungen gegen Christen in Orissa begannen, nachdem dort am 23. August ein von Hindus hochverehrter Führer ermordet worden war. Obwohl sich eine maoistische Gruppe zu der Tat bekannte, wurden die Christen als Drahtzieher beschuldigt. Mindestens 25 Menschen sind bei den Ausschreitungen gegen Kirchen, kirchliche Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Konvente und Pfarrhäuser ums Leben gekommen. Vierzig- bis fünfzigtausend Christen sind auf der Flucht, davon sind fünfzehntausend in Flüchtlingslagern untergebracht, in denen sie aber auch nicht sicher vor Verfolgung sind.
(PM/ JF)