(Kuala Lumpur) Auf einer Studientagung islamischer Rechtsgelehrter in Malaysia wurde die Ausdehnung der Sharia auf Nicht-Muslime vorgeschlagen. Rechtsanwälte, religiöse Minderheiten, aber auch muslimische Frauen und Religionsvertreter äußerten umgehend große Bedenken gegen den Vorstoß. Bekannt wurde die Absicht durch Mohamed Asri Abdullah, Richter am islamischen Berufungsgericht. Er erklärte, daß bei der Tagung islamischer Rechtsgelehrter über die Anwendung des islamischen Rechts auf Nicht-Muslime an ordentlichen Gerichten diskutiert wurde.
Konkret gehe es um das „Delikt“ der Khalwat (wenn zwei Personen sich zu nahe kommen), das nur das islamische Recht kennt, nicht aber das staatliche. In Malaysia existieren zwei verschiedene Rechtsordnungen nebeneinander: die von der Verfassung garantierte staatliche und die islamische, die häufig miteinander in Konflikt geraten. Ein dramatisches Beispiel ist die Religionsfreiheit, die von der Verfassung garantiert, aber von der Sharia verletzt wird. Das islamische Recht bestraft, wer sich vom Islam abwendet und etwa zum Christentum konvertiert.
Nach Aussage der Vorsitzenden der Anwaltskammer, Ambiga Sreenevasan, „stehen wir vor einer Verletzung der Bundesverfassung. Der Vorschlag ist inakzeptabel“. In einer offiziellen Erklärung, bringt die Anwaltskammer ihre Besorgnis auch über andere, gegen die Verfassung verstoßende Vorschläge zum Ausdruck: „Die Verschärfung der Strafen, die Einrichtung eines Zentrums für die Rehabilitierung von Moslems, die wegen ‚Verbrechen gegen Moral und Glauben‘ verurteilt wurden.“
Gegen den Vorschlag, der einen „schwere Verletzung der Bürger- und Freiheitsrechte von Nicht-Muslimen“ bedeuten würde und „verfassungswidrig“ wäre, sprach sich selbst einer der Organisatoren der Studientagung aus. Syed Ali Tawfik al-Attas, Direktor des Ismalic Institute of Understanding Malaysia, bezeichnete den Vorschlag als „Fehler“ und distanzierte sich von den Erklärungen Asri Abdullahs.
Beunruhigt über die Situation zeigen sich die nicht-muslimischen Religionsgemeinschaften. Der Vorsitzende des Malaysian Consultive Council of Buddhism, Christianity, Hinduism, Sikhism, and Taoism betonte, daß die staatliche Rechtsordnung Khawalt nicht als Straftat kenne. Es handle sich dabei um eine ausschließlich islamische Angelegenheit, die Nicht-Muslime in keiner Weise betreffen dürfe. Kritik am Vorstoß islamischer Rechtsgelehrter übte auch die Frauenrechtsorganisation Sisters in Islam.
(Asianews/JF)