(ROM) „Man muß das Möglichste tun, um den Frauen zu helfen, ihr Kind anzunehmen“. Diesen Appell richtete Kardinal Camillo Ruini, Generalvikar des Papstes in der Diözese Rom und einer der einflußreichsten Mitarbeiter des Heiligen Vaters, gestern abend an die Öffentlichkeit, berichtet die Presseagentur SIR.
„Die Erfahrungen der Lebensschutzzentren mit ihrer Beratungstätigkeit und ihren konkreten Hilfsprogrammen beweisen, daß Abtreibung vermieden werden kann, vor allem wenn es um ökonomische Probleme geht“, erklärte der Kardinal im italienischen Fernsehsender La7 und verwies auf die „mehr als 85.000 Abtreibungen“, die allein durch die italienischen Lebenszentren „im Lauf der Jahre verhindert werden konnten“. Zur Frage nach der „Freiheit der Frau, entscheiden zu können“, die seit dem Beginn der Abtreibungsdebatte im Mittelpunkt der Diskussion steht, erinnerte der Kardinal, daß diese Behauptung „bereits vom Gedankenansatz her falsch ist und vielmehr umgekehrt werden muß“. „Die Frau treibt ab, weil sie nicht frei ist. Sie wird frei, wenn man ihr die konkrete Möglichkeit gibt, nicht abzutreiben. Das ist ein Angebot, ein Akt der Solidarität, der meist gerne angenommen wird“, so Kardinal Ruini.
Wie ein roter Faden zog sich die Feststellung des Kardinals durch das Interview, daß die geltende Abtreibungsgesetzgebung grundsätzlich „in sich schlecht“ und „Abtreibung die Auslöschung eines Menschenlebens ist“. Der ehemalige Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz forderte ein weltweites Abtreibungsmoratorium und forderte zur Unterstützung dieser Forderung an die Vereinten Nationen und die nationalen Regierungen auf.
Zur Feststellung „Abtreibung ist Mord“, stellte der Kardinal fest, daß er persönlich dieses Wort nicht gebrauche, auch aus einer Haltung des Respekts gegenüber den Frauen und den Familien. Allerdings „verdunkeln“ andere Begriffe wie „Schwangerschaftsunterbrechung“ die Realität. Die Sprache müsse „so ungetrübt wie möglich, aber immer wahrheitsgetreu sein“ und vor allem durch „ehrliche Zuneigung, Freundschaft und Solidarität für die betroffenen Frauen begleitet sein“. Ruini fügte hinzu: „Gegenüber den Frauen, die abtreiben lassen, wie gegenüber allen Personen, die aus irgendeinem Grund in einer Situation leben, die die Kirche negativ oder als irregulär bewertet, nehmen wir keine Haltung der Verfolgung oder der Ablehnung ein, sondern der Bereitschaft zur Wiederannahme.“
Zum Vorwurf, die Kirche würde sich in politische Angelegenheiten „einmischen“, antwortete der Kardinal, daß die Kirche, „wann immer ethische Fragen auf dem Spiel stehen“, die gesetzlich geregelt werden, „gar nicht anders kann, als zu intervenieren“. Zu den Katholiken unter den Politikern bekräftigte der Kardinal, daß diese „sich nicht zu Promotoren von Gesetzen machen können, die im Gegensatz zu dem stehen, was auch im Licht des Glaubens gut für die Menschen ist“.
Kardinal Ruini war Gast in der Fernsehsendung Otto e mezzo von Giuliano Ferrara, der vor kurzem eine internationale Kampagne für ein weltweites Abtreibungsmoratorium gestartet hat.
(Sir/RP