- Karl Hafen ist seit 1995 Geschäftsführender Vorsitzender
und seit 1978 Mitarbeiter der IGFM. Er studierte Architektur
und zusätzlich Sozialarbeit. Bild: IGFM/ Christoph Rüttger
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) wurde 1972 in Frankfurt (M.) gegründet und ist bekannt geworden durch die Schwerpunktarbeit Osteuropa. Vor allem in der Zeit 1975 bis kurz nach der Wende erreichte die IGFM Zuspruch und Anerkennung, als sie sich unermüdlich für die Umsetzung der Menschenrechte auf der Grundlage der Schlußakte von Helsinki in der „DDR“ und den Ostblockstaaten einsetzte. Auf Grund dieser Arbeit wurde die IGFM von zahlreichen Geheimdiensten der Ostblockstaaten und vor allem vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) „bearbeitet“. Unter anderem wurden in Westmedien Verleumdungskampagnen lanciert auf deren Grundlage noch heute Beiträge und Artikel über die IGFM erscheinen.
Ein Hauptthema der heutigen Arbeit der deutschen Sektion der IGFM ist der Einsatz für verfolgte Chirsten und Religionsfreiheit. Mit Karl Hafen dem Geschäftführenden Vorsitzenden sprach Jens Falk.
35 Jahre IGFM, wie sieht die Bilanz Ihrer Menschenrechtsarbeit aus? Wo haben Sie Ihre Kernkompetenz?
Von einer Bilanz von 35 Jahren zu sprechen ist sehr schwierig. Es gibt auch in einer Menschenrechtsorganisation Zeiten großer Erfolge und Zeiten geringerer Erfolge. Zunächst ist die Freilassung eines jeden politischen Gefangenen oder jedes politisch Verfolgten ein Erfolg für sich allein. Wirklich große Erfolge hat es in der Zeit von 1975 bis zur Wende und vielleicht kurze Zeit danach gegeben, als die Schlußakte von Helsinki sich in Osteuropa langsam durchzusetzen begann und wir an diesem Prozeß beteiligt waren.
Heute ist Erfolg, wenn man es schafft in Länder hineinzugehen, zum Beispiel der ehemaligen Sowjetunion, um dort ungestraft über Menschenrechte berichten zu dürfen. Das haben wir getan, zum Beispiel durch geförderte EU-Projekte für den Aufbau der zivilen Gesellschaft in Rußland, für die Humanisierung des Strafvollzugs in der Ukraine, für die Humanisierung des Militärwesens, also die Abschaffung der Dedowschtschina, d.h. die Herrschaft der Längerdienenden gegenüber den Jüngern.
Das, würde ich sagen, sind große Erfolge; ansonsten bleibt uns immer weiter die Arbeit im kleinen , d.h. hier einen politischen Gefangenen freibekommen, da ein öffentliches Wort durchsetzen, hier selber Unterricht für Menschen in Diktaturen leisten, wie wir das im vergangenen Jahr in Vietnam haben tun können, indem wir junge Juristen per Internet über humanitäre Völkerrechte
unterrichtet haben.
Und die Kernkompetenz.
Die Kernkompetenz der deutschen Sektion der IGFM liegt nach wie vor in der Beobachtung der bürgerlichen und politischen Rechte und der Förderung dieser Gedanken in Osteuropa.
In Ihrem Tätigkeitsbericht hoben Sie die Kompetenz der IGFM in der Frage Menschenrechtsverletzungen in Kuba besonders hervor.
Kuba ist ein Land in Lateinamerika, das in besonderen Maße und vor allen Dingen über einen langen Zeitraum immer noch politische Verfolgung praktiziert und in dem immer noch sehr viele, nämlich über 200 bis 300 politische Gefangene inhaftiert sind. Während in vielen anderen lateinamerikanischen Staaten in den 80iger Jahren die Militärdiktaturen überwunden werden konnten, hat in Kuba dieser Wandel noch nicht stattgefunden. Seit mehr als 47 Jahren werden in Kuba die Menschenrechte massiv verletzt.
Nun haben wir in Kuba zwei Problemfelder. Einmal das Problem Castro für Kuba und dann Guantanamo auf Kuba als amerikanisches Desaster mit all seinen Folgen. Hier verurteilen wir natürlich die US-Amerikaner, die sich einerseits die Menschenrechte auf die eigene Fahne geschrieben haben, aber andererseits die Gefangenen so festhalten, wie es nicht dem Völkerrecht entspricht. Sie brechen das Völkerrecht und verletzen Menschenrechte. Auf der anderen Seite bleibt unser Schwerpunkt aber weiterhin das Kuba von Castro, weil wir den dortigen politischen Gefangenen und den Angehörigen
wirksam helfen können.
Wie reagieren Wirtschaft und Politik auf Ihre Arbeit? Sind Menschenrechtsthemen der IGFM unbequeme Themen?
Diese Themen sind natürlich unbequeme Themen. Es hat sich allerdings auch etwas am Interesse der Politik als solches verändert. Während nach der Veröffentlichung der Schlußakte von Helsinki nahezu die gesamte Politik, zumindest im Westen, das Thema Menschenrechte übernahm und auch das Thema gegenüber der Politik der Staaten Osteuropas instrumentalisierte, sind heute, nach der Wende, andere Themen in den Vordergrund gekommen, z.B. der Kampf gegen den Terrorismus. Daneben verschwindet faktisch der Einsatz für die Menschenrechte. Er ist in vielen Bereichen nur noch ein Alibi-Tun.Andere Bereiche, die sich eigentlich immer vor dem Thema Menschenrechte versteckt haben, treten wieder hervor. Während man früher bei jedem Vertrag, zum Beispiel mit den so genannten AKP – Ländern, darauf geachtet hat, daß bestimmte Menschrechtskriterien eingehalten werden, verzichtet man heute darauf oder man schweigt und geht über Menschenrecht hinweg. Das kann insbesondere bei Verträgen mit starken Staaten wie China und Rußland beobachtet werden, wo nicht mit der selben Inrtensität auf die Einhaltung der Menschenrechte gedrungen wird, wie früher bei den AKP-Ländern.
Bekommt die IGFM von ehemaligen Dissidenten, von ehemaligen politisch Verfolgten, vor allem aus der ehemaligen „DDR“ Unterstützung und Spenden?
Ja, das ist eine ganz interessante Frage. Mit dem Spenden, um mit dem Letzten anzufangen, hat man es noch nicht. Es gibt in den ehemaligen sozialistischen Staaten keine so genannte Spendenkultur. Man verläßt sich darauf, daß der Westen, der damals schon geholfen hat, auch heute noch hilft; daß zumindest das Geld aus diesen Quellen weiterhin fließt. Es haben sich dort zwar Bürgerrechtsgruppen gebildet, aber Geld finden sie im eigenen Land nicht. Das ist ein erster Punkt.
Die Bürgerrechtsgruppen beispielsweise in Rußland finden kein Geld von den eigenen Bürgern, andererseits will ein neues Vereinsgesetz in Rußland die Annahme von ausländischen Mitteln untersagen. Das hat wahrscheinlich zum Ziel, die Kritiker im eigenen Land mundtot zu machen und andererseits ausländische „Muttergesellschaften“ z.B. IGFM, AI, Human rights Watch und andere sind solche, aus dem Land zu drängen. Die Bürgerrechtsgruppen sind ohne Geld zwar von der Regierung unabhängig, aber wenn sie von ausländischen Organisationen oder Mutterorganisationen abhängig bleiben, dann werden sie leicht angreifbar für den Vorwurf, im Dienste anderer Mächte zu arbeiten. Genau darum müssen die Vereine es in Osteuropa schaffen, eigene Wege der Mittelbeschaffung zu finden; es würde auch ihren Rückhalt in der Bevölkerung stärken. Die Sektionen der IGFM sind im Gegensatz zu Untergliederungen von vielen anderen Vereinen so organisiert, daß sie wie eigene Vereine in ihren Ländern auftreten, aber nicht weisungsgebunden werden.
Dann ist festzustellen, daß das Thema Menschenrechte sehr an Anziehungskraft verloren hat. Hatten wir vor der Wende noch vielfach Demonstration gesehen oder auch Hungerstreiks, oder Mahnwachen oder sonst etwas, war dies zumindest einmal wöchentlich in den Medien zu bemerken; heute aber findet man in den Medien kaum noch etwas über die Menschenrechtssituation Osteuropas.
Und wenn die Medien heute nicht mehr berichten, dann läßt die Spendenbereitschaft allgemein nach.
Was die Bürgerrechtler von damals angeht, so können wir eigentlich froh sein, daß sie noch im Sinne der Menschenrechte tätig sind und in ihrem Land versuchen, das Mögliche zu tun. Jedoch finden wir keine nennenswerte finanzielle Unterstützung für diese Tätigkeit.
Ein Hauptschwerpunkt Ihrer Arbeit ist das Thema Christenverfolgung. Wie müssen Sie die derzeitige Situation beschreiben?
Man könnte eine Zone beschreiben. Diese Zone erstreckt sich ungefähr vom vierzigsten Grad nördlicher bis etwa zum zehnten Grad südlicher Breite. In dieser Zone finden in einem so genannten islamischen Gürtel Menschenrechtsverletzungen statt. Nahezu alle Staaten der islamischen Gemeinschaft liegen in diesem Bereich, und dort, wo der Koran oder die Scharia das Fundament der Verfassungen bildet, gibt es keine Religionsfreiheit.
Es mag dort Religionsfreiheit für Muslime geben, aber es gibt keine Religionsfreiheit für Nichtmuslime. Und Nichtmuslime heißt Christen, Juden auf der einen sowie alle übrigen auf der anderen Seite.
Während Christen und Juden als Angehörige der Bücher im Islam noch gewisse Rechte haben, oder auch durch den Islam geschützt werden, wenn im Gegenzug beispielsweise mehr Steuern gezahlt werden, so haben die anderen Nichtmuslime noch weit geringere Rechte.
Unter all diesen muß man wieder unterscheiden zwischen denen, die vor dem Schariarecht oder vor dem Strafrecht beispielsweise mehr oder weniger Rechte haben. Die Frauen haben deutlich weniger Rechte als die Männer. Die Nichtmuslime haben deutlich weniger Rechte als die Muslime. Durch dieses ungleiche Rechtssystem kommt es zu Menschrechtsverletzungen. Ein Bürger der nicht die gleichen Rechte hat, hat somit eine Vielzahl von anderen Rechten eben auch nicht, welche nicht unmittelbar zur Religionsfreiheit gehören.
Dazu gehört die freie Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht. Nehmen wir beispielsweise Saudi-Arabien, wo kein christlicher Gottesdienst stattfinden kann. Dort gibt es eine Religionspolizei, die solche Versammlungen verhindert und Verhaftungen vornimmt.
Oder betrachten wir noch Verfolgung subtilerer Art, wie es sie in der Türkei gibt. Kirchen bekommen keinen Rechtsstatus. Das heißt, daß noch nicht einmal ein Konto eingerichtet werden kann.
Wir schätzen, daß viele Millionen Menschen in den islamischen Staaten bedrängt leben. Bedrängt heißt, sie leben in einem islamischen Land mit einer islamischen Verfassung, und diese Verfassung schreibt vor, welche Rechte der Nichtmuslim hat. Diese sind auf jeden Fall eingeschränkter als die Rechte der Muslime und das nennen wir Bedrängung.
Neben echter Verfolgung, wie es sie beispielsweise in Saudi-Arabien gibt, findet fast überall in den islamischen Staaten Verfolgung von Christen auf private Initiative hin statt, die ihrerseits in den meisten Fällen wiederum in staatliche Verfolgung mündet.
Zum Beispiel Pakistan. Die Christen in Pakistan gehören überwiegend der unteren Schicht an. Das heißt, es gibt dort sehr viele Analphabeten. Diese wissen beispielsweise nicht, daß eine Tageszeitung oben im Text Korantexte enthält und wenn sie dann diese Zeitung zerknüllen und in den Papierkorb werfen, so könnte ein Muslim kommen und Anzeige wegen Blasphemie erstatten; dies nicht nur theoretisch, es ist tatsächlich so passiert. Es dauert dann meist mehrere Jahre bis festgestellt wird, daß der Christ durch sein Analphabetentum gar nicht wissen konnte, was er tat, und freigelassen wird.
In den Gefängnissen in Pakistan befinden sich derzeit im Rahmen der Terrorismusbekämpfung Talibanen und andere islamistische Fundamentalisten, die es als ihre Pflicht ansehen, an denen wegen Blasphemie verurteilten Christen das Todesurteil zu vollstrecken, welches in einer ersten Instanz fast immer verhängt wird, und das obwohl noch Berufungsverfahren anhängig sind. Aber es interessiert nicht. Die Christen werden angegriffen wie im Falle des Christen Ranjha Masih, der im vergangenen Jahr freigekommen ist, und einen Übergriff nur schwer verletzt überlebte.
Dann werden die Christen isoliert, d.h. sie kommen in Einzelhaft. Und obwohl diese Einzelhaft dem Schutz dient, ist sie nach fünf oder sechs oder acht Jahren wie bei Ranjha Masih ein Foltermittel besonderer Art und Weise. Ranjha Masih ist krank, ist zerstört, und in dritter Instanz hat er tatsächlich Recht bekommen und wurde freigesprochen.
Ist der Islam menschenrechtsfähig?
Das ist schwer zu sagen. Generell muß man sagen, jeder Muslim ist menschenrechtsfähig. Ob der Islam als Religion in der Lage ist, den Katalog der Menschenrechte zu akzeptieren, das wage ich angesichts der aktuellen Vorkommnisse zu bezweifeln.
Der Islam hat einen eigenen Menschenrechtskatalog.
Ja, dieser Menschrechtskatalog nach der Kairoerklärung von 1981 sagt ganz eindeutig bereits im Vorspann, daß nur derjenige volle Menschenrechte haben kann, der im Besitz der allgemeinen Wahrheit ist, und dass diese Wahrheit durch die Scharia vorgegeben werde; das ist ein klares Bekenntnis zum Islam.
In Ihrem Tätigkeitsbericht vor der Mitgliederversammlung sagten Sie, ich zitiere, „Wenn die katholischen Bischöfe die Mauer zwischen Israel und Palästina anprangern, die zweifelsfrei wegen des Terrors errichtet wurde, dann kann schon ein Vergleich dazu führen, daß sich das Ziel der Anklage, nämlich die Einschränkung der Menschenrechte für die jenseits der Mauer, gegen die Ankläger wendet und damit vom eigentlichen Problem abgelenkt wird.“ Könnten Sie das bitte näher erläutern.
Vor zwei Jahren hat die IGFM eine Mission ins Heilige Land unternommen. Dazu zählen wir Israel und insbesondere Palästina. Wir sind dort an der Mauer vorbeigegangen, die stellenweise bis zu acht Metern hoch ist. Menschen, die dahinter leben, nimmt sie nicht nur das Licht weg oder ist nicht nur eine
Einschränkung des Rechts, von a nach b zu gehen, sondern diese Menschen fühlen sich eingesperrt. Sie können nicht am normalen Leben teilnehmen. Da liegt es nahe, einen Vergleich zu nennen, der in Deutschland mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Ich tue das deswegen hier auch nicht.
Aber es ist nun einmal so, dass, wenn wir heute sagen, in bestimmten Bereichen finde eine Ghettoisierung statt, dann ist genau das dort durch diese Mauer passiert. Die Menschen hinter der Mauer leben in Unfreiheit. Das muß man ganz klar sagen. Auch wenn die Israelis die Mauer errichtet haben, weil sie sich vor dem Terror schützen wollen, so ist an vielen Stellen die Mauer, so wie sie dort steht, einfach unangebracht, sie ist der Beginn einer schweren Menschenrechtsverletzung.
Es ist leider tragisch, daß die katholischen Bischöfe einen Vergleich gewählt haben mit dem Warschauer Ghetto, welches ein besonderes Symbol der Einsperrung, der Isolation von Juden in Europa war. Das hätten sie vermeiden können, indem sie schlicht einfach von einer Ghettoisierung gesprochen hätten, dann wäre das auch richtig verstanden worden.
Der Vergleich ist ein bedauerlicher Fehler gewesen. Ich persönlich unterstelle den katholischen Bischöfen keinerlei böse Absicht bei dem, was sie getan haben. Sie waren genauso wie unsere Gruppe damals in Palästina erschüttert über die Realität dieser Mauer.
Wodurch unterscheidet sich die IGFM von anderen Organisationen?
Uns unterscheidet zunächst die Praxis unserer Arbeit. Nicht der Vorstand entscheidet über den Weg der IGFM, sondern die Mitglieder entscheiden darüber.
Amnestie International diskutiert über ein „Menschenrecht“ auf Abtreibung. Wird sich die IGFM dieser Diskussion anschließen und ebenfalls von einem „Menschenrecht“ auf Abtreibung sprechen?
Klare Antwort: Nein. Wir werden diese Diskussion nicht mitführen, wir werden sie auch nicht mittragen. Wir sind der Meinung, daß es ein Recht auf Abtreibung nicht geben kann.
Das erste Recht eines Menschen ist das Recht, geboren zu werden?
Das grundsätzliche Recht eines Menschen ist das Recht auf Leben. Wir haben bereits in den Pakten für bürgerliche und politische Rechte und in den Protokollen danach Einschränkungen dieses Lebensrechtes, Notwehr beispielsweise. Abtreibung im gleichem Zuge wie Notwehr zu nennen, hält die IGFM für abwegig.
Siehe auch:
Scharia Islamisches Recht und Menschenrechte
IGFM