(London) Laut aktuellen Schätzungen werden in den nächsten 30 Jahren in Irland lediglich 180 Neupriester geweiht. Die Rechnung ist natürlich nach menschlichem Ermessen erstellt, nicht nach göttlichem. Derzeit gibt es auf der grünen Insel im Diözesanklerus nur 32 Priester, die jünger als 34 sind. Das Durchschnittsalter liegt bei 64 Jahren. Der Vorsitzende der Kommission für die Berufungen der Bischofskonferenz, Donal McKeown, bezeichnete vor wenigen Tagen die Situation gegenüber der Irish Times als „besorgniserregend“.
Der Mangel an Priesterberufungen bedrängt auch andere europäische Länder, allen voran die Niederlande und Belgien und den deutschen Sprachraum. Die Ursachen sind bekannt, werden aber auch von den zuständigen Stellen kaum ausgesprochen. Das Bild des Priesters wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil systematisch zerstört, indem sich viele Priester selbst, in modernem Gehabe und unter dem Mäntelchen des nunmehr vorrangigen „allgemeinen Priestertums“ in die Säkularität verabschiedeten mit Pensionsalter und Sechs-Tage-Woche. Die Annäherung an das protestantische Verständnis eines Dienstleisters, die Aufgabe der Priesterkleidung und damit der priesterlichen Sichtbarkeit, die Selbstklerikalisierung besonders eifriger Laien, die Laienpredigt, die „Konzelebration“ von ständigen Diakonen und sogar Frauen beim eucharistischen Hochgebet, vernichteten über weite Flächen in den Pfarreien jeden heiligen Schauer und jede heilige Bewunderung vor der Priesterschaft Gottes. Auf diesem Boden konnten und können keine Berufungen wachsen. Ein Priester sagte einmal: „Wenn jeder Priester in seinem Priesterleben nur eine Berufung fördert und begleitet, gäbe es nie einen Priestermangel.“ Die meisten Priester der vergangenen 30 Jahre haben diese eine Berufungsförderung nicht vorzuweisen. Darin wird das wichtigste und schwerwiegendste Ausmaß eines verlorengegangenen Priesterverständnisses sichtbar. Die positiven Gegenbeispiele gibt es und sie bestätigen umgekehrt die Regel.
Wie Irish Catholic berichtet, werden auch in Irland die Pläne immer detaillierter, um Laien die Leitung von Pfarreien zu übertragen, allen voran verheirateten Diakonen, die in Abwesenheit eines Priesters einen Wortgottesdienst feiern oder sogar weitergehend eine Fast-Eucharistie-Feier zelebrieren können. Ein Betrug an den Gläubigen? Ein vorgegaukeltes heiliges Schauspiel?
Im Oktober werden sich die irischen Bischöfe auf ihrer Herbstversammlung in Maynooth damit befassen. Msgr. Diarmuir Martin, der Erzbischof von Dublin hat bereits einer Ordensfrau die Erlaubnis erteilt, in Blessington, einer Pfarrei der Grafschaft Wicklow, eine Liturgie samt Austeilung der heiligen Kommunion zu feiern.
Die sinkenden Zahlen der sonntäglichen Meßbesucher sollten eigentlich auch an einen rückläufigen Arbeitsdruck für die Priester denken lassen. Doch dem ist nicht so. Der Wunsch, die Kinder taufen und die Toten katholisch bestatten zu lassen, ist nach wie vor sehr hoch. Sie zwingen die immer weniger werdenden Priester das an sich nicht mehr haltbare Pfarreinetz besserer Tage abzudecken.
Im benachbarten England ist die Erzdiözese von Liverpool inzwischen einen Schritt weiter gegangen. Erzbischof Patrick Kelly, seit 1996 Oberhirte des Erzbistums, erteilte laut Catholic News Service als erster Bischof 22 Laien die Erlaubnis, verkürzte Totenmessen zu zelebrieren und Beerdigungen durchzuführen. Die Maßnahme soll die Priester entlasten, die zum Teil mehr als sieben Beerdigungen in der Woche durchführen mußten.
Die neue Initiative wurde mit einer eigenen Broschüre der Erzdiözese publik gemacht, in der den Gläubigen erklärt wird, daß und warum ein Laie oder ein ständiger Diakon dem Requiem für den lieben Verstorbenen vorsteht. Die eigentliche Totenmesse für die Verstorbenen wird dann zu einem späteren, vereinbarten Zeitpunkt von einem Priester zelebriert. Die vom Erzbischof ernannten Laien, darunter auch Ordensfrauen, kommen aus den Reihen der „außerordentlichen“ Kommunionspender. Kirchenrechtlich eine Funktion, die nur ein Provisorium darstellt. Die Tendenz zeigt jedoch, daß die Provisorien nicht wieder abgebaut, sondern ausgebaut werden. Unter den Ausgewählten sind ebenso Katecheten oder in den Pfarreien besonders „engagierte“ Laie.
Erzbischof Kelly von Liverpool erklärte gegenüber dem The Tablet, daß in manchen Pfarreiern im Jahr auch bis zu 120 Beerdigungen stattfinden. Seine Schlußfolgerung: „Wir sind in der Hand der Laien.“ Die Lösung sei aber keineswegs eine Entscheidung „zweiter Wahl“, wie Diana Klein betont. In einer Zeit, in der in einem Großteil der Familien Nicht-Praktizierende leben, sei eine Totenmesse vielleicht nicht so passend. „Eine Beerdigung ist der Moment, in dem Gott gedankt wird, für das Leben, das dem Verstorbenen geschenkt war und in der die Hoffnung zum Ausdruck gebracht wird, daß er nun ein anderes Leben im Himmel haben werde.“ Die Abhaltung der Totenmesse durch Laien sei vielleicht geeigneter jene die der Kirche fernstehen anzunähern und es ihnen zu ermöglichen, über den Sinn des Lebens und des Todes nachzudenken, so Klein. „Die Kirche besteht nicht nur aus ordinierten Priestern, sondern aus dem ganzen Gottesvolk mit vielen Laien, die eine entscheidende Rolle auch im Augenblick der Trauer erfüllen können.“ Die studierte Theologin Diana Klein ist im Amt für die Evangelisierung der Diözese Westminster beschäftigt und betreut dort die Katechetenausbildung. Sie ist Mitarbeiterin der Pastoral Review von England und betreut in der progressiven katholischen Wochenzeitung The Tablet die Berichterstattung aus den Pfarreien.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons