(Mexiko-Stadt) Am vergangenen Montag, dem 24. Oktober, wurde der neue Apostolische Nuntius für Mexiko, Msgr. Franco Coppola, von Staatspräsident Enrique Peña Nieto empfangen. Der Nuntius überreichte bei dieser Gelegenheit sein Akkreditierungsschreiben. Bei der anschließenden Pressekonferenz im Präsidentenpalast stand die Diskussion über die „Homo-Ehe“ im Mittelpunkt, die von der Linksregierung angestrebt, aber von einer starken, katholisch geprägten Volksbewegung abgelehnt wird.
Nuntius Coppola erklärte auf Journalistenfragen, von Papst Franziskus „keine Order“ zur Debatte um das Thema „matrimonio igualitario“ (gleiche Ehe) erhalten zu haben, wie in Mexiko die „Homo-Ehe“ unter Verweis auf eine Gleichstellung mit der natürlichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau genannt wird.
Er werde sich aber, so der Nuntius, an die „grundsätzliche Anweisung“ halten, „mit den Menschen zu sprechen und sie zu verstehen, um eine angemessene Antwort geben zu können“.
Auf die Frage, ob die Menschenrechte auch für die Homosexuellen gelten, antwortete Msgr. Coppola:
„Natürlich, sie sind Menschen und haben dieselben Rechte wie alle Menschen. Ich wüßte nicht, warum man ihnen Rechte verweigern sollte, die allen Männern und Frauen dieser Welt garantiert werden.“
Ob dies auch für die „Homo-Ehe“ gelte, wollte ein Journalist wissen.
„Wenn etwas in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht, gilt es. Das ist aber nicht das Evangelium. Man kann neue Rechte entdecken, finden, dann muß man sehen.“
„Ich könnte mit der Doktrin der Kirche antworten, aber …“

Auf die konkrete Situation in Mexiko angesprochen:
„Ich weiß, es gibt eine Debatte in Mexiko. Es ist eine Untertreibung, wenn man ‚Debatte‘ sagte. Ich denke, daß ich dem ‚mexikanischen Weg‘ zu begegnen habe, um auf diese Notwendigkeiten, Wünsche oder Gesuche antworten zu können. Ich könnte mit der Doktrin der Kirche antworten, das ist aber nicht die Antwort, die ich als Hirte geben muß.“
„Ich will die Menschen kennenlernen, um ihnen den Weg zeigen zu können. Es ist leicht auf den Gipfel des Berges zu zeigen. Ich habe aber aufzuzeigen, wie man den Gipfel erreichen kann. Das ist die Arbeit der Hirten: auf den Gipfel zu begleiten.“
Die Zurückhaltung des neuen Nuntius wurde im Umfeld der Volksbewegung für die Familie (Frente Nacional por la Familia) mit Enttäuschung aufgenommen. Eine offizielle Stellungnahme gibt es aber nicht. Der Frente por la Familia entspricht der Manif pour tous in Frankreich, dem Family Day in Italien und der Demo für alle in der Bundesrepublik Deutschland ist. Am 10. September mobilisierte er 1,2 Millionen Mexikaner, die in 132 Städten gegen die Einführung der „Homo-Ehe“, für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder und gegen die Gender-Ideologie an den Schulen demonstrierten. Am 24. September zogen allein 400.000 Mexikaner im selben Anliegen durch Mexiko-Stadt.
Msgr. Coppola sagte, für den in Mexiko wie in anderen Teilen der Welt stattfindenden Kulturkampf zu Ehe und Familie „keine Order“ vom Papst zu haben.
Papst Franziskus sagte am 22. Januar 2016 in seiner Ansprache zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota allerdings:
„Es darf keine Verwirrung zwischen der von Gott gewollten Familie und allen anderen Formen von Lebensgemeinschaften geben.“
Die Hintergründe

Der Vatikandiplomat Coppola war am vergangenen 9. Juli von Papst Franziskus zum Apostolischen Nuntius in Mexiko ernannt worden. Zuvor war der Titularerzbischof Nuntius in der Zentralafrikanischen Republik und im Tschad.
Die Neubesetzung war notwendig geworden, weil Franziskus nach seinem Mexiko-Besuch im vergangenen Februar den damaligen Nuntius, Msgr. Christophe Pierre, nach Washington versetzte.
Nach dem Papst-Besuch hatte der Primas von Mexiko, Kardinal Norberto Rivera Carrera die Papst-Rede an die mexikanischen Bischöfe kritisiert.
„Improvisierte Worte und schlecht beraten.“
So lautete sein negatives Urteil. Die Kolumne in der Kirchenzeitung des Erzbistums Mexiko-Stadt, in der dem Ärger über die Papst-Worte freie Bahn gelassen wurde, war zwar nicht gezeichnet, wird aber normalerweise vom Kardinal persönlich verfaßt.

Ein „schlechter Ratgeber“, den Kardinal Rivera meinte, war Nuntius Christophe Pierre. Den Primas ärgerte der vorwurfsvolle Ton in den Papst-Worten. Die mexikanische Kirche gilt insgesamt als deutlich „konservativer“ als die Kirchen anderer lateinamerikanischer Staaten. Die katholische Kirche in Mexiko konnte weit besser dem laizistischen und vor allem dem evangelikalen Ansturm standhalten. Wegen des befreiungstheologischen Linksrucks in anderen Ländern erleidet die Kirche bis zum heutigen Tag einen starken Schwund, weil Gläubige in Scharen zu evangelikalen Gemeinschaften abwandern.
Kardinal Rivera gab zu verstehen, daß einige lateinamerikanische Papst-Berater vor der eigenen Haustüre kehren sollten, ehe sie sich über andere erheben, die es offenbar besser machen. Wörtlich schrieb der Kardinal:
„Sind die improvisierten Worte des Heiligen Vaters nicht etwa die Folge eines schlechten Rates, der ihm von jemand gegeben wurde, der ihm nahesteht? Wer hat den Papst schlecht beraten? Warum versucht man das Wirken der mexikanischen Bischöfe herabzusetzen? Zum Glück kennt das Volk seine Hirten und geht mit ihnen bei der Errichtung des Reichs Gottes, was auch immer der Preis dafür ist, wie die Geschichte dieses Landes zeigt.“
Kardinal Riveras Papst-Kritik – Beförderung eines Nuntius
Die päpstlichen Rügen erinnerten an jene, die Franziskus bereits dem Episkopat der USA und Italien erteilt hatte, während er gegenüber den Episkopaten anderer Länder „freundlicher“ war. Der Tonfall des Papstes, so Beobachter, scheint in erster Linie davon abzuhängen, wie nahe (oder fern) eine Bischofskonferenz dem „Bergoglio-Kurs“ steht.
Die mexikanische Kritik an Papst Franziskus wirkt im Vatikan wie ein Stich ins Wespennest. Die Journalisten und Vatikanisten, die dem Papst besonders nahestehen, wurden umgehend aktiv, um Franziskus zu verteidigen. Sie machten publik, daß hinter den Worten Kardinal Rivera stehe, der zugleich in päpstliche Ungnade fiel.
Nuntius Pierre aber, einer der „schlechten Ratgeber“, wurde aus Mexiko abberufen und nach Washington versetzt, was einer Beförderung gleichkommt. Dafür wurde der Nuntius in den USA, Carlo Maria Viganò, pensioniert.
Titularerzbischof Viganò wurde nachgetragen, beim Papst-Besuch in den USA, die County-Amtsträgerin Kim Davis in die Nuntiatur eingeladen zu haben, wo es zu einem kurzen Treffen mit Franziskus kam. Davis war zur Symbolfigur des Widerstandes gegen den richterlichen Handstreich geworden, mit dem der Oberste Gerichtshof im Juni 2015 bundesweit die „Homo-Ehe“ legalisierte. Davis lehnte eine Mitwirkung als County-Amtsinhaberin an „Homo-Ehen“ unter Verweis auf ihren christlichen Glauben, ihr Gewissen und den Verfassungsrang ab, den 75 Prozent der Wähler 2004 in einer Volksabstimmung der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau verliehen hatten. Als das Zusammentreffen von Davis mit dem Papst bekannt wurde, ging der Vatikan sofort auf Distanz.
Der Neokardinal „steht Staatspräsident Peña Nieto nahe“
Offiziös hieß es, die Ernennung von Msgr. Pierre zum neuen Nuntius in den USA hänge damit zusammen, daß seine Tätigkeit in Mexiko vor allem von der Einwanderungsfrage von Mexiko in die USA geprägt gewesen sei. Der Nuntius erhielt somit von Rom den Auftrag, in Washington auf eine freizügige Haltung in Sachen Einwanderung zu drängen.

Am 19. November wird Papst Franziskus den Erzbischof von Tlalnepantla, Msgr. Carlos Aguiar Retes, zum Kardinal erheben. In Rom und Mexiko wird darin ein Signal für die Nachfolge von Kardinal Rivera Carrera als Erzbischof von Mexiko-Stadt und Primas von Mexiko gesehen. Kardinal Rivera, wird im Juni 2017 sein 75. Lebensjahr vollenden. Der von Franziskus mit der Kardinalswürde ausgezeichnete Aguiar Retes „steht Staatspräsident Peña Nieto nahe“, so die linksliberale spanische Tageszeitung El Pais. Aguiar Retes sei „das Gegenteil des ultrakonservativen Rivera“.
Ihm fällt es zu, die Kirche Mexikos auf „Bergoglio-Kurs“ zu bringen. Dazu gehört auch, daß Papst Franziskus keine Konfrontation zu bioethischen und gesellschaftspolitischen Fragen mit der politischen Linken „mag“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Frente Nacional por la Familia (Screenshots)
„Sind die improvisierten Worte des Heiligen Vaters nicht etwa die Folge eines schlechten Rates, der ihm von jemand gegeben wurde, der ihm nahesteht? Wer hat den Papst schlecht beraten?“ Wenn er schon fragt und wenn der darin erwähnte Sachverhalt zutrifft: Der Heilige Geist kann es nicht gewesen sein.