(Ankara) Die Islamisierung der Türkei geht weiter. Zuerst stand der Vorschlag im Raum, die berühmte Hagia Sophia von Konstantinopel (Istanbul) wieder zur Moschee zu machen. Einige Jahre später wurde ein entsprechender Antrag im türkischen Parlament eingebracht. Ab Januar 2013 diskutierte das Parlament die Frage und sprach sich mehrheitlich für die Umwidmung in eine Moschee aus. Nun ist es soweit. Die Hagia Sophia wird für die Dauer des islamischen Fastenmonats Ramadan wieder zur Moschee, wie gestern bekanntgegeben wurde. Die Christen in der Türkei und das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel fürchten, daß es sich nur mehr um den letzten Schritt handelt, die ständige Umwandlung in eine Moschee vorzubereiten.
Prestigegewinn für Erdogan
Die symbolische Bedeutung der Umwandlung wäre enorm, ebenso der Prestigegewinn des türkischen Staatspräsidenten Erdogan und der Türkei im islamischen Raum.
Der Vorschlag auf Umwandlung geht offiziell auf eine Petition von Talip Bozkurt zurück, einem türkischen Bürger von Kahramanmaras in Anatolien. In Wirklichkeit steht der politische Wille Erdogans dahinter, der den Vorschlag lediglich aufgriff, um ihn als „Wunsch des Volkes“ darzustellen.
Die Hagia Sophia ist die größte und prächtigste Basilika des Ostens. Sie war als christliche Kirche erbaut worden. 916 Jahre lang wurde darin das heilige Meßopfer zelebriert, ehe sie 1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken entweiht und in eine Moschee umgewandelt wurde.
Der typisch christliche, basilikale Baustil der Kirche ist noch heute unverändert erkennbar. Allerdings wurde die Kirche um vier Minarette ergänzt und die Kreuze auf den Kuppen durch Halbmonde ersetzt, um die islamische Inbesitznahme zu symbolisieren.
Nach 482 Jahren als Moschee wurde die Hagia Sophia 1935 von Kemal Atatürk in ein Museum umgewandelt. Sie zählt heute zu den meistbesuchten Museen der Welt. Die in ihrer heutigen Form im 6. Jahrhundert errichtete ehemalige Kirche ist ein Magnet für kunst- und kulturinteressierte Menschen.
Hagia Sophia von Nizäa und Trapezunt
2011 hatte die Regierung Erdogan den Probelauf vollzogen und die Umwandlung einer anderen bedeutenden christlichen Kirche, der Hagia Sophia von Nizäa, in eine Moschee beschlossen. In der Kirche hatte 787 das Zweite Konzil von Nizäa getagt. Auch sie war nach der türkischen Eroberung (1331) in eine Moschee umgewandelt worden, bis Atatürk 1920 ein Museum daraus machte.
Der damalige stellvertretende Ministerpräsident der Türkei, Bülent Arinc erklärt zur Umwandlung der nizäischen Hagia Sophia:
„Mit diesem Akt haben wir uns die Anerkennung unserer Ahnen zurückgewonnen. Die Kirche Hagia Sophia von Iznik ist Beute unserer Eroberung und als solche haben wir ein Recht auf sie. Eine Kirche kann in eine Moschee umgewandelt werden.“
Bülent Arinc war 2012 für die Umwandlung einer weiteren berühmten ehemaligen christlichen Kirche in eine Moschee, der Hagia Sophia von Trapezunt, verantwortlich. Auch sie hatte dasselbe Schicksal wie die Hagia Sophia von Konstantinopel und von Nizäa erlitten und war nach der Profanierung durch die Osmanen im 20. Jahrhundert als Museum genützt worden. Trapezunt war erst 1511 von den Türken erobert und zur Moschee gemacht worden.
Die Umwandlung von berühmten ehemaligen Kirchen in Moschee ist ein symbolträchtiger Bestandteil der von Erdogan betriebenen Islamisierung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons