(Rom) Die Glaubenskongregation präzisiert das Verhältnis zwischen den Bischöfen und den charismatischen Bewegungen. Momente, in denen Papst Franziskus in der Öffentlichkeit kniet, sind rar, und wenn, dann kaum vor dem Allerheiligsten Altarsakrament. Einer dieser seltenen Momente ereignete sich am 1. Juni 2014, als Franziskus am 37. Jahrestreffen der charismatischen, katholischen Bewegung „Erneuerung im Geist“ (Rinnovamento nello Spirito) im Olympiastadion von Rom teilnahm.
Es war das erste Mal, daß ein Papst an einem Treffen der charismatischen Bewegung teilnahm. Den Charismatikern, dieser Richtung werden rund 100 Millionen Katholiken zugerechnet, empfahl der argentinische Papst damals allen Ernstes Kardinal Leon-Joseph Suenens und Erzbischof Helder Camara als Vorbilder.
Papst Franziskus stand bereits in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires der charismatischen Bewegung wohlwollend gegenüber. Das hängt mit den Kontakten zu den Evangelikalen zusammen, um die es in jüngster Zeit jedoch ruhiger geworden ist.
Glaubenskongregation: „Verhältnis zwischen hierarchischen und charismatischen Gaben“
Am kommenden 14. Juni stellt die römische Glaubenskongregation ein Dokument vor, mit dem das Verhältnis zwischen den Bischöfen und der charismatischen Bewegung geklärt werden soll. An der Pressekonferenz nehmen der Kardinalpräfekt Gerhard Müller von der Glaubenskongregation, der Kardinalpräfekt Marc Ouellet von der Bischofskongregation, Msgr. Piero Coda, Mitglied der Internationalen Theologenkommission, und Maria del Carmen Aparicio Valla, Dozentin an der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom teil.
Das Schreiben Iuvenescit Ecclesia (Die Kirche verjüngt sich) der Glaubenskongregation richtet sich an alle Bischöfe und bezieht sich auf das Verhältnis zwischen „den hierarchischen und den charismatischen Gaben für das Leben und die Mission der Kirche“.
Damit sollen Unklarheiten ausgeräumt und die Anerkennung der zuständigen hierarchischen Autoritäten sichergestellt werden. In der Vergangenheit war es zu Reibungen zwischen Charismatikern und Bischöfen gekommen, weil sich Erstere nicht an die Autorität der Bischöfe gebunden fühlten.
Wie steht es aber um das Verhältnis zwischen Glaubenspräfekt und Papst Franziskus?
Bekanntlich herrscht zwischen Papst Franziskus und dem Glaubenspräfekten Kardinal Müller keine allzugroße Übereinstimmung im Kirchenverständnis und in der Theologie. Dazu gibt es von Seiten des Papstes, zumindest laut Medienberichten, auch persönliche Vorbehalte. Das argentinische Kirchenoberhaupt läßt es spüren, ob er jemanden als Freund sieht oder nicht.
Welche Rolle das Schreiben Iuvenescit Ecclesia in diesem kircheninternen Richtungsstreit auf höchster Ebene spielt, läßt sich noch nicht sagen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß Kardinal Müller in diesem Dokument zwar etwas sagt, Papst Franziskus aber ganz andere Signale aussendet.
Einen ersten solchen Widerspruch äußerte Papst Franziskus bereits wenige Monate nach seiner Wahl, als er am 6. Juni 2013 die Vorstandsmitglieder der progressiven Lateinamerikanischen und karibischen Konferenz der Ordensleute (CLAR) empfing. Die progressive chilenische Publikation Reflexion y Liberacion veröffentlichte kurz darauf eine Audienz-Mitschrift. Vatikansprecher Pater Federico Lombardi SJ meldete sich dazu zu Wort und erklärte, daß die Mitschrift „nicht autorisiert“ sei, dementierte ihren Inhalt aber nicht.
Unter anderem bestätigte Papst Franziskus gegenüber der CLAR-Delegation die Existenz einer „Homo-Lobby“ im Vatikan. Der Papst selbst habe diese Formulierung gebraucht.
Bei der Privataudienz für den CLAR-Vorstand griff Papst Franziskus auch zum ersten Mal die Tradition in der katholischen Kirche an, die er des „Pelagianismus“ bezichtigte und von „restaurativen Kräften“ sprach, die ihm „Sorge“ bereiten.
Die CLAR-Vertreter besorgte hingegen ganz anderes, nämlich die Glaubenskongregation, die eingreife und Theologen wegen irriger und häretischer Thesen verurteile. Wie wichtig dieser Punkt den progressiven Ordensleuten war, zeigt, daß die von Reflexion y Liberacion veröffentlichte Mitschrift gleich mit diesem Thema beginnt. Papst Franziskus erteilte der Delegation faktisch die Erlaubnis, sich nicht um Schreiben der Glaubenskongregation zu kümmern und einfach weiterzumachen.
Wörtlich sagte der Papst laut Reflexion y Liberacion:
„Wenn man etwas falsch macht, sich vergaloppiert: das passiert! Vielleicht bekommt man dann ein Schreiben der Glaubenskongregation, das sagt, man habe das oder jenes gesagt… Das soll aber nicht besorgen. Man erklärt, was zu erklären ist, geht aber weiter… Öffnet Türen, tut etwas, wo das Leben ruft. Mir ist eine Kirche lieber, die Fehler macht, als eine, die krank ist, weil sie sich einsperrt…“
Aussagen, die von Vatikansprecher Lombardi nicht dementiert wurden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: RnS (Screenshot)