(Rom) Nun ist es raus. Zweieinhalb Jahre drückte er sich vor einer klaren Aussage, er ließ es anklingen, ließ es durchblicken, es lag ihm auf der Zunge. Eine klare Antwort gab er aber nicht. Erst nach drei Jahren des Pontifikats, drei Jahren nach dem ersten Lob für Kardinal Kasper und dessen „Barmherzigkeit“, zweieinhalb Jahren nach der Ankündigung einer Bischofssynode über die Familie und nach zwei langen, hitzigen Synodenjahren kam es Papst Franziskus über die Lippen, was er wohl schon von Anfang an dachte und sagen wollte. Dürfen die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion gehen: Ja oder Nein? Auf dem Rückflug von der Insel Lesbos gab Papst Franziskus endlich eine Antwort. Über die werden manche erfreut, andere – mit gutem Grund – entsetzt sein. Sie lautet: „Ja und Punkt“.
Das Spiel mit der Macht des Faktischen
Der Papst selbst widersprach damit jenen, die bisher behaupteten, Papst Franziskus stehe ganz auf dem Boden der katholischen Lehre. Er habe nur einen „anderen“ Kommunikationsstil und spiele ein bißchen mit Gesten und Worten, doch ansonsten wolle er nichts anderes und könne auch gar nichts anderes wollen als das, was die Kirche schon immer zum Thema gelehrt und gelebt hat. Ist dem aber wirklich so? Das fragen sich viele Katholiken seit bald drei Jahren, die einen mit bangem Wohlwollen, die anderen mit banger Sorge. So ganz sicher konnte sich niemand sein.
In den vergangenen zwei Jahren haben es zahlreiche enge Mitarbeiter von Papst Franziskus offen ausgesprochen, angefangen von Kardinal Kasper. Für aufmerksame Beobachter war damit klar, was auch Papst Franziskus denkt. Ohne seine Zustimmung und sein Wohlwollen hätten seine Vertrauten manche Stellungnahmen nie abzugeben gewagt. Das entscheidende päpstliche Wort fehlte aber noch.
Es folgten zwei Bischofssynoden, ein wenig beachteter, doch weitreichender Eingriff in das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren und zuletzt das nachsynodale Schreiben Amoris Laetitia. Jede Etappe wortreich, teils verwirrend, teils irritierend. Jedesmal wurde in der katholischen Kirche eifrig diskutiert. Auf progressiver Seite setzte pünktlich Jubel ein, wenn auch zeitversetzt, da sie immer eine Zeitlang brauchten, um die „Revolution“ hinter den so zahlreich gezündeten Nebelkerzen zu erkennen. Die sogenannten „Konservativen“, die sich seit 2013 jeden Morgen schon davor fürchten, was der argentinische Papst heute sagen und tun werde, verheizen den Großteil ihrer Energie damit, seine irritierenden Aussagen „zurechtzubiegen“, „richtig zu interpretieren“ und ihn gegen allerlei „böse Unterstellungen“ in Schutz zu nehmen. Nach drei Jahren wirken sie müde und abgekämpft.
Nun wurden sie vom Papst selbst bloßgestellt. Ein Teil wird es gewohnheitsgemäß bestreiten. Weh tut es dennoch. Die persönliche Aussage des Papstes im Rahmen einer improvisierten Pressekonferenz in luftigen Höhen kann natürlich nicht die Lehre der Kirche ändern. Dennoch müssen jene wieder ordentlich rudern und strampeln, die aus der päpstlichen Äußerung das x‑te Mißverständnis machen wollen, das böswillige Medien dem Papst andichten würden. Fest steht, daß sich die päpstliche Aussage in ein Gesamtszenario einfügt, das dieses Pontifikat charakterisiert: Das Spiel mit der Macht des (irdisch) Faktischen.
Franziskus trifft Bernie Sanders und empfiehlt Kritikern einen „Psychiater“
Auf dem Rückflug von Lesbos stellte sich Papst Franziskus den Fragen der mitreisenden Journalisten.
Zunächst bestätigte Papst Franziskus auf die Frage der Journalistin Inés San Martin von Crux, daß er den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders getroffen hatte. Bisher herrschte Unklarheit darüber. Der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, ein enger Papst-Vertrauter, hatte Sanders zu einer Tagung über die katholische Soziallehre in den Vatikan eingeladen. Da Sanders als einziger der derzeit fünf US-Präsidentschaftskandidaten eine Exklusiveinladung erhalten hatte, wurde damit deutlich zum Ausdruck gebracht, wen Papst Franziskus als 45. US-Präsidenten im Weißen Haus sehen möchte. Zu deutlich sei diese Einmischung in den US-Wahlkampf, wie das erst spät über die Einladung informierte vatikanische Staatssekretariat den Papst wissen ließ.
Darauf sagte Papst Franziskus im letzten Augenblick seine persönliche Teilnahme an der Tagung ab. Beobachter waren sich einig, daß die Tagung nur ein Vorwand zu einer Begegnung zwischen Sanders und dem Papst war. Ob und wann es zu einem Treffen kam, blieb jedoch unklar. Der Papst selbst schaffte Aufklärung. Auf seine Art, und strapazierte dabei etwas die intellektuelle Redlichkeit. Wörtlich sagte er:
„Heute Morgen, als ich aufbrach, war da Senator Sanders, der zu einer Tagung der Stiftung Centesimus Annus gekommen war. Er wußte, daß ich um diese Zeit aufbrechen würde und war so freundlich mich zu grüßen. Ich habe ihn gegrüßt, ihm die Hand gedrückt, seiner Frau und einem anderen Paar, das mit ihm war, die in Santa Marta genächtigt hatten, weil alle Teilnehmer, außer den beiden Staatspräsidenten, die, wie ich meine, in ihren Botschaften übernachteten, in Santa Marta untergebracht waren. Und als ich hinunterging, war er da, hat gegrüßt, ein Händedruck und nicht mehr. Das ist Erziehung. Das nennt sich Erziehung, und nicht Einmischung in die Politik. Und wenn jemand denkt, daß es bedeutet, sich in die Politik einzumischen, weil man jemanden grüßt, empfehle ich ihm, sich einen Psychiater zu suchen! (lacht).“
Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene: Gibt es „neue konkrete Möglichkeiten“?
Dann fragte Francis Rocca vom Wall Street Journal: „Einige behaupten, daß sich bezüglich der Disziplin, die den Zugang zu den Sakramenten für die wiederverheirateten Geschiedenen regelt, nichts geändert habe, und daß das Gesetz und die pastorale Praxis und natürlich die Doktrin so bleiben. Andere behaupten hingegen, daß sich viel geändert habe und daß es viele neue Öffnungen und Möglichkeiten gebe. Die Frage lautet für einen Menschen, für einen Katholiken, der Bescheid wissen will: Gibt es neue konkrete Möglichkeiten, die vor der Veröffentlichung des nachsynodalen Schreiben nicht gegeben waren oder nicht?“
Papst Franziskus: Ich könnte sagen Ja und Punkt. Aber das wäre eine zu knappe Antwort. Ich empfehle Euch allen, die Vorstellung zu lesen, die Kardinal Schönborn gemacht hat, der ein großer Theologe ist. Er ist Mitglied der Glaubenskongregation und kennt die Lehre der Kirche gut. In dieser Präsentation wird Ihre Frage eine Antwort finden.
„Was ist mit der berühmten Fußnote 351?“ – Papst: „Ich erinnere mich nicht“
Jean Marie Guénois von Le Figaro bohrte nach: „Man hat nicht verstanden, warum Sie jene berühmte Fußnote von Amoris Laetitia über die Probleme der wiederverheirateten Geschiedenen geschrieben haben: die Fußnote 351. Warum eine so wichtige Sache in einer kleine Fußnote? Haben Sie Widerstand vorhergesehen oder wollten Sie damit sagen, daß dieser Punkt nicht so wichtig ist?
Papst Franziskus: Hören Sie, einer der jüngsten Päpste hat gesagt, als er über das Konzil sprach, daß es zwei Konzile gab: das Zweite Vaticanum, das im Petersdom abgehalten wurde, und ein anderes „Konzil der Medien“. Als ich die erste Synode einberufen habe, war die große Sorge der Mehrheit der Medien: Werden die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion dürfen? Und da ich kein Heiliger bin, hat mich das ein bißchen genervt und mich auch ein bißchen traurig gemacht. Denn ich denke: Aber dieses Medium, das das sagt, merkt das gar nicht, daß das gar nicht das wichtige Problem ist? Merkt es nicht, daß die Familie auf der ganzen Welt in der Krise ist? Und die Familie ist die Grundlage der Gesellschaft! Merkt es nicht, daß die Jungen nicht mehr heiraten wollen? Merkt es nicht, daß die Geburtenrate in Europa zum Weinen ist? Merkt es nicht, daß Mangel an Arbeit und der Möglichkeit zu arbeiten, dazu führt, daß der Vater und die Mutter zwei Arbeiten annehmen und die Kinder allein aufwachsen und nicht lernen, im Dialog mit dem Vater und der Mutter aufzuwachsen? Das sind die großen Probleme! Ich erinnere mich nicht an diese Fußnote, aber wenn etwas dieser Art in einer Fußnote ist, dann wurde sie sicher in Evangelii gaudium gesagt. Garantiert! Es muß ein Zitat von Evangelii gaudium sein. Ich erinnere mich nicht an den Paragraphen, das ist aber sicher.“
Papst Franziskus sagte, sich kaum eine Woche nach der Veröffentlichung nicht mehr an die Schlüsselstelle von Amoris Laetitia zu erinnern. Sie gehört zum umstrittenen Achten Kapitel über die Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten. Konkret geht es um einen Abschnitt des Paragraphen 305:
„Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt.“
Dazu gehört die Fußnote 351:
„In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb ‚erinnere ich [die Priester] daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn‘ (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium [14. November 2013], 44: AAS 105 [2013], S. 1038). Gleichermaßen betone ich, dass die Eucharistie ‚nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen‘ ist (ebd., 47: AAS 105 [2013], S. 1039).“
Ob sich Papst Franziskus während der improvisierten Pressekonferenz an die Fußnote 351 erinnerte oder auch nicht, auf die Frage des Journalisten, ob es durch Amoris Laetitia „neue konkrete Möglichkeiten“ zum Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedenen gebe: Ja oder Nein, antwortete er mit den Worten: „Ich könnte nun sagen Ja und Punkt.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Nichts für ungut, aber die Überschrift ist irreführend. Wo diese den Indikativ erwarten ließ, benutzte Franziskus den Konjunktiv. Das ist zwar in diesem Zusammenhang schon sehr viel. Aber eben nicht alles.
Es wäre ja auch sonst die erste wirklich direkte Aussage des Papstes. wenn man von den Verbalinjurien gegen die Vertreter der seit 2000 Jahren gepredigten Lehre absieht.
Insofern ist seine Bemerkung die übliche Nebelwerferei.
Kleine Klarstellung (ich habe das Interview im Original angehört): Bergoglio sagte wörtlich „Io posso dire sì. Punto.“ also „Ich kann sagen: Ja, und Schluss.“.
Keine Konjunktiv also, was hier konkret „potrei“ statt „posso“ wäre.
Bei Zitaten ist ja der exakte Wortlaut sehr wichtig!
Wir können jetzt nur hoffen, daß sich eine Gruppe von glaubenstreuen Kardinälen endlich ermannt und feststellt, daß ein „papa haereticus“ nicht mehr Papst sein kann. Zu lange hat man zugeschaut, wie Papst Franziskus in der Doktrin und in der Praxis so vieles kaputtmacht.
Jetzt wäre ein Amtsenthebungsverfahren fällig – subito.
Und Papst emeritus wäre jetzt auch aufgerufen, öffentlich klarzustellen, daß dieses Pontifikat eine Katastrophe ist und daß sein Rücktritt unter inakzeptablen Umständen erfolgte.
Lieber Wolfgang Schrems, wer soll ihn abwaehlen ?
Die grosse grosse Mehrheit der Kleriker ist doch voellig beseelt von diesem Papst.
Viel schlimmer finde ich, ich gehe regelmaessig zu FSSPX in die hl. Messe, das von dort kein lauter Protest kommt.
Trotzdem denke ich, als Katholik ist man dort am Besten aufgehoben.
Nein, Rom geht solange zum „Brunnen des 2 Vatikanums“, bis es bricht und es wird brechen.
„Ich könnte nun sagen Ja und Punkt.“ – So arbeitet der Widersacher.
Es wird kaum einen Aufstand geben, weil das auch nichts mehr bringen würde. Wen sollte das noch überzeugen, wenn‚s so käme?
Den Aufstand hätte es m.Er. in den Tagen nach dem 11.2.2013 geben müssen. Damit meine ich eine starke, auch öffentliche, Solidaritätserklärung von Kardinälen zu Papst Benedikt XVI., daß er hätte bleiben sollen. Wäre es dazu gekommen, wären sie aufgestanden, weil sie doch wissen konnten, was auf dem Spiel steht und hätte Papst Benedikt XVI. gesehen, daß die glaubenstreuen Bischöfe und Kardinäle fest zu ihm stehen würden, hätte er es sich noch anders überlegen können. Aber mit Ablauf des 28.2.2013 war diese Chance vertan.
Und dann wählten die meisten von ihnen J.M. Bergoglio mit, obgleich sie hätten gewarnt sein müssen über die Umtriebe der anti-kirchlich operierenden „Mitbrüder“.
Ergänzung: die „konservativen“ Kardinäle und Bischöfe ließen Papst Benedikt XVI. im Regen stehen, aber auch die Gläubigen. Wie sollte man ihnen noch vertrauen können?
Liebe Mitleser,
wäre es so, wie Sie hier mutmaßen, hätten wir längst unendliche Lobeshymnen der Presse lesen müssen. Tatsächlich herrscht aber eher Schweigen. Da eine Zulassung zur Eucharistie bei gültiger Ehe nicht möglich ist, bleibt doch nur wieder der Weg des Ehenichtigkeitsverfahrens. Im Grunde beschreitet ja wohl auch Kardinal Schönborn mit seinen Thesen der Gradualität den Weg, diese auf die Gültigkeit der Ehe zu beziehen. Dass dieser Weg enorme Gefahren für Missbrauch birgt, steht außer Frage.
In einem ist Papst Franziskus klar zuzustimmen. Das Verständnis der Ehe hat sich in den letzten fünfzig Jahren grundlegend gewandelt und zwar ins erschreckend Negative. Die Ehe wird nicht mehr als lebenslänglicher Bund von Mann und Frau angesehen, sondern lediglich als Zweckgemeinschaft auf Zeit. Insofern ist die Krise des Christlichen sehr viel tiefer und wirft in der Tat die Frage auf, ob heute bei vielen „Ehen“ überhaupt noch von einer solchen gesprochen werden kann. Wo aber der Bund selbst bloßer Schein ist, wo also ein tieferes Verständnis für das Sakrament schon im Wollen des Eheschlusses fehlt, da hilft das Pochen auf die Lehre auch nicht viel weiter. Der Rückfall ins Heidnische, den wir heute allenthalben sehen, bringt überall irreguläre Lebenszustände hervor. Die Kirche muss diesem Verfall des Glaubens durch eine vertiefte Katechese begegnen, die natürlich nicht gegen die Lehre der Kirche stehen kann.
Was mich an diesen ganzen Diskussionen, wie auch hier wieder, erstaunt, ist, dass Gott als Handelnder überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird. Wenn es so wäre, wie einige auch hier wieder vermuten, wo ist dann Gottes Lenkung? Seien wir doch besser etwas zurückhaltender und vertrauen auf das Wirken des Hl.Geistes.
Ergänzung:
Gemeint ist das Wirken des Hl.Geistes in der Kirche, die ohne Gottes Beistand ohnehin nichts bewirken kann.
Ja und Punkt. Si. Punto.
Roma locuta, causa finita. „Der Kas is bissn“, wie der geschätzte Vorgänger in Landessprache sagen würde. Die Christgläubigen werden sich damit abfinden.