(Rom) Diese Frage stellten sich mehrere katholische Internetseiten, nachdem der traditionsverbundene amerikanische Kardinal Raymond Burke von Papst Franziskus innerhalb eines Jahres aller seiner Zuständigkeiten in der Kirchenleitung entbunden und aus der Römischen Kurie entfernt worden war. Im Anschluß an diese „Entmachtung“ erschienen in verschiedenen Medien, auch katholischen, Artikel gegen den Kardinal, um die päpstliche Entscheidung zu rechtfertigen oder kleinzureden.
Am 30. März veröffentlichten Messa in Latino und Riscossa Cristiana gemeinsam den Artikel „Wer wirklich Angst vor Kardinal Burke hat“ von Giuseppe Trucco. Darin werden verblüffende Auszüge aus einem Rundschreiben des Religionssoziologen und ehemaligen OSZE-Repräsentanten gegen die Diskriminierung von Christen und anderer Minderheiten zitiert. Introvigne ist derzeit auch geschäftsführender Vorsitzender der Katholischen Allianz. Mit dem Rundschreiben warnte Introvigne die Mitglieder der Katholischen Allianz vor Kardinal Burke.
Die römische Internetseite Chiesa e postconcilio bestätigte unterdessen die Echtheit des verbandsinternen Rundschreibens. Es wirft einige Fragen zum aktuellen Zustand an der Kirchenspitze auf und wie Katholiken damit umgehen. Anders ausgedrückt: Manche katholische Kreise verteidigen jedes Wort und jede Handlung des amtierenden Papstes, egal wie mehrdeutig oder zweifelhaft sie sind.
Die für Katholiken höchst angemessene Papstverehrung ausnützend, wird von bestimmten kirchlichen Kreisen, allen voran Kardinal Walter Kasper selbst, behauptet, wer Kaspers These der „neuen Barmherzigkeit“ kritisiert, kritisiere den Papst. Das aber sei Majestätsbeleidigung, ein Ärgernis und die Ausführenden dermaßen niederträchtig, daß eine Beschäftigung mit deren Argumenten und Positionen sich kategorisch von selbst erübrige. Man könnte auch sagen, die gesunde Papstverehrung wird schamlos für eine ungesunde Papolatrie ausgenützt, weil das gläubige Volk und vielleicht mehr noch glaubenstreue Kleriker und Kirchenvertreter sich schwertun mit der neuen Situation eines unberechenbar erscheinenden Papstes auf dem Stuhl Petri.
Vor allem Katholiken und Organisationen, die seit Jahrzehnten während der Amtszeiten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als Gegenbewegung zu progressistischen Zersetzungstendenzen sich besonders eng an die Person des römischen Papstes angelehnt haben und aus dieser „Papsttreue“ ein besonders markantes Element der eigenen Identität gemacht haben, stehen seit dem 13. März 2013 vor einem beachtlichen Dilemma. Dabei geht es nicht nur um lautere Beweggründe, sondern zum Teil auch um eine ganze Reihe von Interessen. Die Reaktionen darauf sind deshalb sehr unterschiedlich. Ein Teil hat sich dafür entscheiden, eisern am gewohnten Kurs festzuhalten, und gegenüber Papst Franziskus dieselbe bedingungslose „Treue“ einzunehmen, die sie seinen beiden unmittelbaren Vorgängern entgegengebracht haben. Eine Position mit erheblichen Schwierigkeiten, wie Giuseppe Trucco aufzeigt. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
.
Wer wirklich Angst vor Kardinal Burke hat
von Giuseppe Trucco
„Wer hat wirklich Angst vor Kardinal Burke?“ fragte sich am vergangenen 22. März das katholische Nachrichtenportal Nuova Bussola Quotidiana (NBQ). Andrea Zambrano kritisierte dabei den ehemaligen linksdemokratischen Parlamentsabgeordneten Pierluigi Castagnetti. Castagnetti ist ein geeichter Linkskatholik. Jahrgang 1945, Studium der Politikwissenschaften, wurde er bereits in jungen Jahren Mitglied der christdemokratischen Democrazia Cristiana (DC). Ende der 60er Jahre gehörte er zu den Mitarbeitern von Don Giuseppe Dossetti, dem politisch geschulten Konzils-Strategen der progressistischen Rheinischen Allianz. 1980 wurde er in der roten Emilia-Romagna Abgeordneter des Regionalparlaments und bald darauf Landesparteiobmann der dortigen DC. 1987 zog er als DC-Abgeordneter in das Italienische Parlament ein.
Der Angriff eines Linkskatholiken gegen Kardinal Burke
Dann kam nach dem Ende des Ostblocks der Zusammenbruch der bis dahin mächtigen italienischen christdemokratischen Partei. Castagnetti gehört zu den Gründern der christdemokratischen Nachfolgepartei PPI (Italienische Volkspartei) und wurde 1994 in Europäische Parlament gewählt. Von 1999 bis 2002 war er Vorsitzender des PPI. Dann aber zog es ihn wie zahlreiche andere ehemalige Christdemokraten nach links. Gemeinsam mit den ehemaligen Kommunisten wurde in mehreren Etappen die heutige Demokratische Partei als italienischer Teil der europäischen Sozialdemokratie geschaffen. Castagnetti überführte als letzter Parteivorsitzender den PPI in das neue große Linksbündnis. Jede dieser Etappen, die als Identitätswandel zu sehen sind, gestaltete Castagnetti als Parlamentsabgeordneter und in Parteigremien mit. Nach dem Wahlsieg der Linken wurde er 2006 Vizepräsident der Abgeordnetenkammer des Parlaments. 2013 bewarb er sich nicht mehr um ein Parlamentsmandat. Seither ist er als Politikberater und politischer Autor tätig.
Eben dieser in Italiens politischer Landschaft und in katholischen Kreisen sehr bekannte Castagnetti hatte Kardinal Burke auf Facebook scharf angegriffen. Castagnetti warf dem Kardinal vor, „unterwegs zu sein, um Ansprachen gegen die Thesen von Kard. Kasper zum Thema Familie (in Wirklichkeit gegen Papst Franziskus) zu halten“. Ein Vorwurf, der teils öffentlich, teils unter der Hand seit Monaten in bestimmten kirchlichen Kreisen gegen Kardinal Burke vorgebracht wird: Der amerikanische Kardinal sei „gegen den Papst!“ Eine Haltung, mit der sich der Purpurträger gewissermaßen selbst das Urteil gesprochen habe und man sich somit erst gar nicht mit dem, was er zu sagen hat, auseinandersetzen müsse.
Nuova Bussola Quotidiana fiel es nicht schwer, diese Form der Diskussionsverweigerung am Beispiel Castagnettis zu widerlegen. Der Wirkungsgrad läßt sich freilich nicht so leicht abschätzen. Zambrano zeigte in der Nuova Bussola Quotidiana auf, daß Kardinal Burke zur Sache nichts anderes vertritt als die katholische Ehe- und Morallehre. Mehr noch, daß seine Position tadellos und seine Kritik in der derzeitigen Situation der Kirche sogar dringend notwendig ist.
Die Kritik eines Rechtskatholiken gegen Kardinal Burke
Im Raum stehen blieb jedoch die Frage „Wer hat Angst vor Kardinal Burke?“ Die Frage ist keineswegs müßig, sondern verlangt angesichts der aktuellen Lage eine Antwort. Unter jenen, die Angst vor Kardinal Burke haben, befindet sich auch ein führender Mitarbeiter der Nuova Bussola Quotidiana. Und niemand hat es bemerkt? Es handelt sich um den Turiner Religionssoziologen Massimo Introvigne, Koryphäe in den Bereichen Ideengeschichte, politische und religiöse Sondergemeinschaften und Freimaurerei. Introvigne, im Nahverhältnis zu Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ist auch geschäftsführender Vorsitzender der Katholischen Allianz und Vordenker dieser Vereinigung. Ein Katholik mit Gewicht. An die Mitglieder der Katholischen Allianz verschickte er vor kurzem ein Rundschreiben, in dem er vor Kardinal Burke warnte und gegen diesen noch weit heftigere Kritik erhob, als es der Linkskatholik Castagnetti auf Facebook getan hat.
Um zu erklären, wie Kardinal Burke und dessen unerschrockenes Handeln zur Verteidigung der katholischen Glaubens- und Morallehre von einem Rechtskatholiken noch weit schärfer und radikaler kritisiert werden kann als von einem Linkskatholiken, bräuchte es wohl eines Soziologen. Aber solche Soziologen gibt es nicht und daher müssen wir uns mit einfacheren Anmerkungen begnügen.
Alleanza Cattolica warnt vor Kardinal Burke (und anderen Bischöfen)
Im Rundschreiben von Massimo Introvigne an seine Mitbrüder, das an erster Stelle zahlreiche von diesen selbst erstaunte, empfiehlt der geschäftsführende Vorsitzende, „nicht an Veranstaltungen von Kardinal Burke teilzunehmen“, so wie Alleanza Cattolica als Organisation keine solche Veranstaltungen organisiert und unterstützt. Was „für Burke gilt, gilt auch für einige Bischöfe wie S.Ex. Msgr. Schneider [traditionsverbundener Weihbischof der Erzdiözese Astana in Kasachstan] und S.Ex. Msgr. Oliveri [soeben von Papst Franziskus entmachteter traditionsverbundener Diözesanbischof von Albenga-Imperia]. „Aber deren Sichtbarkeit ist viel geringer als jene von S.Em. Kardinal Burke“, fügte Introvigne in seinem Schreiben an, um noch einmal zu betonen, daß der eigentliche „Feind“ der ehemalige Präfekt der Apostolischen Signatur des Heiligen Stuhls und nunmehrige Kardinalprotektor des Souveränen Malteserordens ist. Grundsätzlich ein ziemlich ungewöhnliches Verhalten für Katholiken. Allen von Introvigne Geächteten ist gemeinsam, daß sie traditionsverbunden sind, den Alten Ritus zelebrieren und fördern und die katholische Lehre verteidigen.
Anklagepunkt: „Anti-Konzils-Netzwerk“
Was ist der Grund für diese damnatio gegenüber dem blitzgescheiten amerikanischen Kardinal? Ganz einfach: Kardinal Burke, so erklärt es Massimo Introvigne seinen Mitbrüdern, „scheint organisch in ein Anti-Konzils-Netzwerk eingebunden“. Es gehe, so Introvigne „nicht darum, was er sagt – da kann er das Treuebekenntnis zum Papst und zum Konzil morgens, mittags und abends wiederholen – sondern darum, was er tut“.
Was aber macht Kardinal Burke denn so Schlimmes, um eine solche moralische und soziale Ächtung durch die Katholische Allianz zu verdienen? Das könnte die nächste logische Frage sein, die sich die Nuova Bussola Quotidiana stellen könnte. Dann könnte deren Mitarbeiter Massimo Introvigne öffentlich den Inhalt des Rundschreibens an die Mitglieder der Katholischen Allianz erklären und öffentlich auflisten, daß dieser „schreckliche“ Kardinal „schrecklicherweise“ es wagt: Reden und Predigten an „inopportunen Orten“ zu halten, „wiederholt Anti-Konzils-Medien Interviews“ zu gewähren, an „geheimen Versammlungen“ teilzunehmen, bei denen „darüber gesprochen wird, wie dem Papst ‚widerstanden‘ werden kann“, zudem habe er sich einer „unangemessenen Einmischung in die Angelegenheit der Franziskaner der Immakulata“ schuldig gemacht und der „Unterstützung des kommenden Marsches für das Leben“ am 10. Mai 2015 in Rom.
Anklagepunkt: Appell an Papst und Bischofssynode unterschrieben
Der letzte der Anklagepunkte (insgesamt acht) lautet: „Er hat nicht nur den Appell an den Papst und die Bischofssynode unterschrieben, sondern – laut Meinung normalerweise gut informierter Personen – er fördert ihn und soll ihn sogar angeregt haben“. Ein Appell, zu dem die Katholische Allianz, wie Massimo Introvigne seine Mitbrüder erinnert, „ein ganz negatives Urteil“ abgegeben hat, und verweist in diesem Zusammenhang auf eine entsprechendes Merkblatt des Verbandskapitels vom vergangenen Februar.
Lediglich für die Chronik sei angemerkt, daß der Appell bereits von mehr als 160.000 Menschen unterzeichnet wurde und sowohl von den Vatikanisten Sandro Magister (Espresso) als auch Jean-Marc Guénois (Le Figaro) als eine der stärksten Ausdrucksformen des Widerstandes gegen die Thesen von Kardinal Kasper bezeichnet worden ist.
Kardinal der katholische Lehre verteidigt, „ist ein gefährlicher Präzedenzfall“
Zambrano widerlegte in seinem NBQ-Artikel die Angriffe Castagnettis gegen Kardinal Burke und schrieb unter anderem: „Mit anderen Worten: Für Castagnetti ist ein Kardinal, der Reden hält, um die Doktrin der Päpste und das kirchliche Lehramt zu verteidigen, ein gefährlicher Präzedenzfall. Wenn der ehemalige Vorsitzende der Italienischen Volkspartei sich selbst eine solche anhören würde, könnte er sich davon überzeugen, daß Burke nichts mehr und nichts weniger tut, als die theologische, kanonische und lehramtliche Doktrin über die Familie und zur Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene darzulegen“.
Wenn diese Antwort völlig ausreicht, um den ehemaligen linksdemokratischen Parlamentsabgeordneten und christdemokratischen Politiker zurechtzuweisen, reicht sie nicht aus, um auf den weit radikaleren Angriff des Religionssoziologen Massimo Introvigne zu antworten. Um zu erklären, warum der faktische Vorsitzende der Katholischen Allianz sich solche Mühe gibt, seine Vereinigung sogar noch weiter links vom Katho-Kommunisten Castagnetti zu positionieren, bedürfte es, wie schon erwähnt, eines tüchtigen Soziologen. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als Introvigne selbst aufzufordern, einen Versuch zu unternehmen, dieses Verhalten zu erklären, in der Hoffnung, daß er – anders als üblich – sich in diesem Fall zu einer Antwort herabläßt.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Meines Erachtens ist es gerade Leuten wie S.E. Kardinal Burke zu verdanken, und zwar indem sie Flagge und Gesicht zeigen, dass andere nunmehr ihre Stimme erheben. So etwa kürzlich die 500 angelsächsischen Priester durch ihre Unterschriften.
–
Man kann über Recht und Unrecht solchen Tuns streiten; wichtiger erscheint mir aber hier der segensreiche Effekt.
–
Eindrücke entstehen und kulminieren. Je mehr jeder einzelne seine Stimme erhebt, umso mehr ensteht ein Gegenklima, dass wieder andere Manifestationen auf den Plan ruft.
–
Wenn dann plötzlich Gestalten wie Kardinal Sarah auftreten und Gehör bekommen, ist das kein Zufall, genausowenig, wenn es nach den Marxschen Eskapaden nach einem leichten Rechtsruckeln des Papstes aussieht.
–
Das eine baut auf dem anderen auf. Ich halte Burke für eine Lichtgestalt und einen Felsen in der Brandung des Unglaubens.
Scheint ein klarer Fall.
Diejenigen haben Angst, die nicht in der Wahrheit sind.
Katholische Allianz mit antikatholischem Vorsitzenden. Gibt es so was nicht auch bei deutschen katholischen Gremien?
Nein. Das ZDK besteht nur aus Burke-Fans. Der gesamte ZDK-Vorstand wurde in Herzogenrath gesichtet
April, April, …
Die hätten auch noch gepasst. Erstaunlich, was so eine kleine katholische Pfarrei leisten kann.
Ob Kardinal Burke wirklich die Lehre der Kirche verteidigt, sollte man genauer untersuchen. Die Tatsache, dass er in Sachen Ehe und Familie dem Kurs Johannes Pauls II zu folgen scheint, qualifiziert noch nicht dazu, tatsächlich der überlieferten Lehre zu folgen.
Tatsächlich liefert er seinen Kritikern selbst – und zwar von beiden antagonistischen Seiten her – Kanonenfutter und man kann beiden Seiten nicht vollständig widersprechen, denn ihre Argumente haben eine gewisse Logik in sich, der er sich wiederum mit seinen Manövern nicht stellen will.