(Rom) Das Schicksal der verfolgten Christen im Irak und in Syrien ruft eine Reihe von katholischen Stimmen auf den Plan. Zu ihnen gehört der Appell des Archäologen und Schriftstellers Pierfranco Bruni an die „Christen und Europäer“, die Identität der europäischen Völker zu retten und das Verhältnis zum Islam grundlegend zu überdenken (siehe Appell an „Christen und Europäer“: „Wir können diese Invasion nicht länger dulden“). Ebenso die Kritik des Publizisten Antonio Socci, der Papst Franziskus zuviel und zu langes Schweigen vorwirft (siehe „Vom Papst erwarte ich mir mehr als von Renzi oder Merkel“). Zu einer zurückhaltenderen und distanzierteren Bewertung gelangte der Vatikanist Sandro Magister. Er wirft einen stichprobenartigen Blick auf die päpstliche Geopolitik.
Welche Schlußfolgerung wird Papst Franziskus aus der (Nicht-)Reaktion der US-geführten internationalen Staatengemeinschaft ziehen?
Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
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Ein Heer für den Frieden. Die Geopolitik von Papst Franziskus
von Sandro Magister
An die erste Stelle setzt er das Gebet. Er ist aber auch der Kunst der Diplomatie nicht abgeneigt. Und inzwischen zögert er nicht einmal, nach den Armeen zu rufen.
Die Geopolitik von Papst Franziskus spielt auf diesen drei Registern, von denen das dritte am meisten erstaunt. Das genaue Gegenteil jenes absoluten Pazifismus, der den Beginn seines Pontifikats zu kennzeichnen schien.
Gebet und Raffinesse der Diplomatie
In Tat schien es vor einem Jahr mit dem Gebets- und Fasttag gegen eine westliche Militärintervention in Syrien und dem auf dem Petersplatz gebeteten Rosenkranz noch so, als wolle Franziskus der Welt verkünden, wie er, der Papst, sich auf Kriegsschauplätzen künftig zu bewegen gedachte. Mit bloßen, wehrlosen, zum Himmel erhobenen Händen.
Und die Welt folgte ihm für einen kurzen Augenblick. Fast die Gesamtheit aller Regierungen lehnte einen Angriff ab, einschließlich der öffentlichen Meinung in den USA und Frankreich, den beiden einzigen Staaten, deren Regierungen eingreifen wollten, und einschließlich der kriegführenden Parteien in Syrien, wo der Krieg aber nicht aufhörte, sondern noch brutaler wurde.
Monate später griff Franziskus erneut zum Mittel des Gebets für den Frieden zwischen Israel und den Arabern. Er erreichte, daß die beiden verfeindeten Präsidenten Peres und Abu Mazen neben ihm im Vatikan Gott anriefen. Diesmal mit weniger Illusionen und dem sofortigen Ausbruch eines neuen Krieges.
Mit zunehmender Skepsis warfen die Staatskanzleien Franziskus vor, die Flucht ins Gebet der harten Konfrontation mit der Realität vorzuziehen.
Dem ist aber nicht so, weil Franziskus von Anfang an dem Gebet auch die Geduld und die Raffinesse der Realpolitik zur Seite stellte.
Nach der Entlassung des diplomatisch trägen Tarcisio Kardinal Bertone setzte er mit Pietro Kardinal Parolin einen Diplomaten der hohen Schule an die Spitze des Staatssekretariats, dessen Ratschläge er sich sorgfältig zunutze macht.
Schweigen um den Preis, verfolgten Christen die Solidarität zu verweigern?
Papst Franziskus hütete sich immer davor, öffentlich gegen die eine oder andere Streitpartei Position zu ergreifen, besonders wenn es sich um Moslems handelte, auch um den Preis, sich nicht mit den wegen ihres Glaubens verfolgten christlichen Opfern zu solidarisieren, von der Pakistanerin Asia Bibi zur Sudanesin Meriam bis zu den von Boko Haram entführten nigerianischen Schülerinnen.
Die Diplomatie von Franziskus erträgt schweigend auch Ohrfeigen in der Hoffnung künftiger Erfolge. Bei der Ankunft des Papstes in Südkorea, am vergangenen 14. August, machte sich Nordkorea mit drei demonstrativ abgeschossene Raketen darüber lustig und lehnte die Entsendung von Delegationen zu den Papstterminen in den südlichen Teil der Halbinsel ab.
Was die Volksrepublik China betrifft, verweist der Vatikan als Aktivposten darauf, daß Peking erstmals den Überflug eines Papstes über volkschinesisches Territorium gestattete, samt der dazu üblichen Übermittlung von Höflichkeitsnoten.
Volksrepublik China: Aktiva und Passiva
Allerdings scheint auf dem Passivposten weit mehr auf. Die Pekinger Regierung erlaubte lediglich ganz wenigen Katholiken die Reise nach Südkorea, um Papst Franziskus zu grüßen. Sie rief gleichzeitig alle chinesischen Priester aus Südkorea zurück. Vor allem aber ließ sie nicht das geringste Zeichen erkennen, die Unterdrückung der Katholischen Kirche in der Volksrepublik China zu lockern, wo die Nummer Eins der in Einheit mit Rom stehenden kirchlichen Hierarchie, der Bischof von Shanghai, Msgr. Thaddeus Ma Daqin seit dem Tag seiner Weihe unter Hausarrest steht und viele andere Bischöfe und Priester im Gefängnis sitzen oder verschwunden sind.
Dem kämpferischen Joseph Kardinal Zen Ze-kiun, Emeritus von Hong Kong, wurde vom Vatikan Schweigen auferlegt. Er solle „die Diplomatie arbeiten lassen“. Seit Franziskus Papst ist, wurde die von Benedikt XVI. 2007 geschaffene China-Kommission an der Römischen Kurie, deren treibende Kraft Kardinal Zen war, nicht mehr einberufen. Der Kardinal schickt Papst Franziskus regelmäßig Informationsbriefe über die Lage der chinesischen Katholiken und sagt trostlos: „Ich hoffe, daß sie gelesen werden.“
Toleranzgrenze mit neuem islamischem Kalifat erreicht?
Es gibt jedoch eine Toleranzgrenze, jenseits der selbst Papst Franziskus den Gebrauch von Gewalt duldet. Das ist der Fall mit dem neugegründeten islamischen Kalifat im Irak und in Syrien.
Als am 8. Juni Mosul vor den angreifenden Islamisten kapitulierte, reagierte der Vatikan mit äußerster Zurückhaltung. Als Anfang August auch die Ninive-Ebene in die Hand des Kalifats fiel und das für die Christen und andere religiöse Minderheiten eine Katastrophe zur Folge hatte, mit Tausenden Menschen, die aus reinem Haß gegen den Glauben ermordet wurden, wurde der Hilfeschrei aus diesem Land so laut, daß ein offizieller Exponent der vatikanischen Diplomatie, der Ständige Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf mehrfach eine Intervention der internationalen Staatengemeinschaft „zur Entwaffnung des Angreifers“ forderte.
Der letzte vergleichbare Vorfall ereignete sich 1992, als Johannes Paul II. eine „humanitäre Intervention“ forderte, um die Massaker im ehemaligen Jugoslawien zu stoppen. 2005 erkannte die UNO-Generalversammlung das Prinzip der bewaffneten „Schutzverantwortung“ für die Bevölkerung vor Massentötungen an. 2008 bekräftigte und verteidigte Benedikt XVI. den Wert dieses Grundsatzes in seiner Rede vor derselben Generalversammlung im New Yorker Glaspalast.
Papst Franziskus exponierte sich persönlich nicht sofort auf diesem Terrain. Er wartete, bis die irakischen Bischöfe einstimmig eine massive Militärintervention forderten.
Er ließ zuerst den Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog unter dem Vorsitz von Kardinal Jean-Louis Tauran eine scharfe Anklage gegen das islamische Kalifat und eine Forderung an die islamische Welt veröffentlichen, eine ebensolche Anklage zu erheben.
Er sandte Fernando Kardinal Filoni als sein „alter ego“ in den geschundenen Irak, wo der Purpurträger bereits als Nuntius gewirkt hatte.
Päpstliche Forderung nach Militärintervention
Und dann erst forderte Franziskus selbst am 13. August mit einem Schreiben an den UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon von der internationalen Gemeinschaft „alles mögliche zu tun, um weitere systematische Gewalt gegen die ethnischen und religiösen Minderheiten zu verhindern“.
Aus Südkorea zurückgekehrt, zeigte er sich bereit, persönlich den Irak mitten in diesem „Dritten Weltkrieg“ zu besuchen, den er „stückweise“ da und dort ausgetragen sieht und zwar mit „erschreckender Grausamkeit“, weil es nicht nur legitim, sondern eine Pflicht sei, „den ungerechten Angreifer zu stoppen“.
Kurzum: Er forderte ein Heer, um Frieden zu schaffen. Doch auf diese päpstliche Aufforderung blieb die Antwort der Regierungen und der UNO bisher aus, sie blieben taub.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo
Papst Franziskus stößt bzgl. einer bewaffneten Intervention bei den maßgeblichen Staaten deswegen auf teilweise (oder mehr) taube Ohren, weil er soz. offenkundig sein Charisma teilweise verloren hat. Er ist ja soz. als ein „Dalai Lama“ angetreten und hatte manches gesagt, was doch sehr bedenklich war wie etwa: „wer bin ich, daß ich verurteile“ usw.
Papst Franziskus hatte auch den sog. wvh. Geschiedenen zum Empfang der hl. Eucharistie Mut gemacht- entgegen aller Lehren der Kirche von Beginn an, entgegen dem Maßstab Jesus Christi.
Und wer in Regierungskreisen seine unreflektierten Äußerungen über den „Islam“ gelesen hatte, mußte erstaunt gewesen sein.
Papst Franziskus hat eine Menge an Glaubwürdigkeit verloren.
Wer als Papst im Ureigensten eher schwach ist, in der Moral, in den Lehren der Kirche, hat irgendwann bei den Politikern ausgespielt, obgleich sie seine diesbezüglichen Äußerungen weithin begrüßten. Es reicht halt nicht, nur nett sein zu wollen.
So lese ich, nur meine Meinung, das hier beschriebene Verhalten der Politiker zu den Interventionsgedanken des Papstes.
Natürlich kann man fragen, warum Rom so lange zu all den Grausamkeiten schweigt.
Für jeden Christen ist es aber selbstverständlich, zum Gebet aufzurufen! Kritisiert werden müsste, wenn die Bedeutung der wahrheitsgemäßen Hinwendung zu Gott nicht betont wird und alle Religionen als gleichwertig hingestellt werden!
Und es ist mehr als selbstverständlich für jeden Christen, dass Unrecht auch mit Gewalt abgewehrt werden darf! Trotzdem muss natürlich die Bemühung um Aussöhnung immer im Vordergrund stehen.