(Rom) „Wir brauchen keine Kirche, die sich mit der Welt bewegt, sondern eine Kirche, die die Welt bewegt.“ Mit diesen Worten zitierte der Rechtsphilosoph Mario Palmaro vor wenigen Tagen G.K. Chesterton. Am Sonntag Abend ist Mario Palmaro nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Bis zum letzten Augenblick blieb er ein Streiter für seine Katholische Kirche. Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir seinen letzten Aufsatz, den er gemeinsam mit Alessandro Gnocchi am 5. März in der Tageszeitung „Il Foglio“ veröffentlichte.
Wüßte man nicht, daß Papst Franziskus seine Ansprache an die Pfarrer der Diözese Rom erst am 6. März hielt, könnte man den Aufsatz von Palmaro und Gnocchi als Antwort darauf verstehen. Eine Antwort ante eventum.
Das Bild zeigt Mario Palmaro, bereits durch die Krankheit gezeichnet, mit seiner Ehefrau und den vier Kindern im Mai 2013, als ihm der Preis „Glauben & Kultur“ verliehen wurde.
.
Sprache der Krise der Welt statt dogmatische und übernatürliche Wahrheit?
von Mario Palmaro und Alessandro Gnocchi
Ein Feldlazarett, in dem man den Kranken, Verletzten und Sterbenden sagt, daß es ihnen doch gut geht, so wie es ist. Von der Rückkehr zum ursprünglichen Gesundheitszustand ist keine Rede, und von den Medikamenten, besonders jenen, die dem Gaumen nicht zusagen, schon gar nicht. Will man die Papst Franziskus so teure Metapher, die durch Medien- und Predigtfuror in das kollektive katholische Gedächtnis eingegangen ist, beibehalten, kann man den Sinn des Referats, mit dem Kardinal Walter Kasper das Konsistorium über die Familie eröffnet hat, nicht anders definieren. Es können keine Zweifel bestehen, wenn er sagt: „Wir müssen aber ehrlich sein und zugeben, daß sich zwischen der Lehre der Kirche über die Ehe und die Familie und den gelebten Überzeugungen vieler Christen ein Abgrund aufgetan hat“. Es gibt keinen Zweifel, weil sich seine gesamten Überlegungen nicht darauf konzentrieren, die aus der Herde geflohenen und verlorenen Schafe wiederzufinden und zurückzuführen, und auch nicht auf die Gründe, weshalb sie verlorengegangen sind, sondern auf die Notwendigkeit, sich der neuen Situation anzupassen. Der Hirt soll nicht nur den Geruch seiner Schafe annehmen, sondern vor allem jener Schafe, die gegangen sind.
Nach Kaspers Rede kann sich niemand mehr der Illusion hingeben, alles sei in Ordnung
Daß in der Kirche etwas Neues stattfindet, wurde auch am Aufsehen deutlich, den weltweit der journalistische Knüller der Tageszeitung Il Foglio auslöste, die als erste den Text des Kardinals vollinhaltlich veröffentlichte. Der Illusion, daß alles ruhig und in Ordnung ist, kann sich nur hingeben, wer die konservativen und beruhigenden Teile von Kaspers Rede in die Waagschale legt und sich in Selbsttäuschung einbildet, daß sie zumindest ein Milligramm mehr ausmachen als die innovativen und besorgniserregenden Teile. So als würde nicht ein einziger Schatten der Unordnung genügen, den himmlischen Ursprung der Ordnung zu stören.
Die Rede ist eine Meldung, die nicht nur die Medien betrifft, die ihrer Natur nach den Kindern hinterherlaufen, die Hunde beißen und nicht den Hunden, die Kinder beißen. Die Meldung betrifft auch die Gläubigen welchen Rangs und Standes auch immer und jede auf der Erde existierende vernunftbegabte Kreatur, weil die Kirche in allem was sie sagt, unterschiedslos zu allen Menschen sprechen muß oder zumindest sollte, indem sie immer und überall dieselbe Wahrheit bezeugt. Wenn die Medien wegen eines Kindes ein Freudenfest machen, das einen Hund beißt, einfach nur weil es etwas Neues ist, müssen die Gläubigen, die Andersgläubigen, Agnostiker und Atheisten hingegen verstehen, ob dieses Etwas gut oder schlecht ist. Sie können nicht einfach feiern, nur weil etwas neu ist.
Strategie der veränderten Praxis bei nichtssagender Beibehaltung des Buchstabens
Es genügt, zu schauen, wer sich freut und feiert und wer nicht, um zu verstehen, daß Kardinal Kasper, den Papst Franziskus gleich beim ersten Angelus wegen seines Buches „Barmherzigkeit“ als „einen Theologen, der auf Draht ist, ein guter Theologe“ bezeichnete, diesmal dem Hund einen ordentlichen Biß versetzt hat. Aus seinem Referat tritt das Bild einer zukünftigen Kirche hervor, die völlig flüssig und biegsam ist und die immer weniger Ahnung von den Sakramenten hat. Und es ist kein Zufall, daß mit den ersten Pinselstrichen zu diesem Bild bei der Ehe angesetzt wird, die von den hinterlistigsten Begierden versucht und gegeißelt ist und daher am verwundbarsten ist. Aber abgesehen vom Inhalt ist vor allem auch die Methode besorgniserregend. Eine Mischung aus Unterwerfung unter die Begierden der Welt und dem Wunsch, die Tore der uneinnehmbaren Festung dem rasenden Belagerer zu öffnen. Man muß die beim Zweiten Vatikanischen Konzil angewandte Strategie wiederholen, sagt der Kardinal seelenruhig: „Das Konzil hat Türen geöffnet, ohne die verbindliche dogmatische Tradition zu verletzen“. Es ist die Strategie, mit der die Veränderung der Praxis hinter einer nichtssagenden Beibehaltung des Buchstabens versteckt wird. Der Modernist Don Ernesto Buonaiuti theoretisierte sie in einer regelrechten Handlungsanleitung:
„Bisher wollte man Rom ohne Rom oder sogar gegen Rom reformieren. Man muß Rom mit Rom reformieren, indem man die Reform durch die Hände jener gehen läßt, die reformiert werden sollen. Das ist die wirkliche und unfehlbare, allerdings schwierige Methode. Hoc opus, hic labor. […] Der äußere Kult wird fortbestehen wie die Hierarchie, aber die Kirche, da Lehrmeisterin der Sakramente und ihrer Ordnung, wird die Hierarchie und den Kult gemäß der Zeit ändern: sie wird jene einfacher und liberaler machen und diesen spiritueller; und so wird sie schrittweise ein orthodoxer Protestantismus und nicht ein gewalttätiger, aggressiver, revolutionärer und ungehorsamer.“
Zersetzende Pastoral stammt aus problematischer Lehre
Man muß Kardinal Kasper nicht dieselben Intentionen Buonaiutis zuschreiben. Andere Zeiten, andere Träume, andere Theorien, die jedoch die Praxis jeweils nach eigenem Abbild und Gleichnis formen. Man muß den Mut und die intellektuelle Redlichkeit haben und zugeben, daß die Pastoral, diese talismanähnliche Konzeption, die heute dazu dient, jedes Nachgeben zu rechtfertigen, immer Tochter einer Lehre ist. Es ist wahr, daß die Praxis, als Hommage an ihre aufklärerische Herkunft häufig eine nicht wachsame Lehre frißt. Es ist aber auch legitim, sich zu fragen, woher eine zersetzende Pastoral stammt, wenn nicht aus dem Schoß einer zumindest im Kern problematischen Lehre.
Wenn sich im Referat Kaspers auch viele Stellen finden, die an sich kein Problem darstellen, kann man nicht leugnen, daß jeder Absatz und jede Zeile die Idee eines widernatürlichen Dialogs zwischen den Werten der Welt und der christlichen Moral atmet. Ein Trojanisches Pferd ist in die katholische Festung eingedrungen, das gleichzeitig Zweck und Mittel zum Zweck ist. Der eine wie das andere haben sich zusammengeschlossen in ihrem Werk der Zerstörung der Vorstellungen von Natur und Person, die von ihrem Ursprung an die Theologie charakterisierten.
Wahre Natur des Menschen ist es, keine Natur zu haben?
Das inzwischen auch in der katholischen Kirche vorherrschende Denken, das der Rede von Kardinal Kasper zugrundeliegt, wurde von Enrico Chiavacci in einer Zeile des 1973 veröffentlichten Lexikon der Moraltheologie vorweggenommen: „Die wahre Natur des Menschen ist es, keine Natur zu haben“. Daraus folgt, daß die Moral von der metaphysischen Grundlegung der menschlichen Natur autonom wird und daß die Liebe, nur auf rein physischer Ebene verstanden, zur einzigen Regel des menschlichen Verhaltens wird.
Roberto de Mattei schrieb diesbezüglich:
„Die neuen Moralisten, die von jemandem als ‘Pornotheologen’ bezeichnet wurden, ersetzten die Objektivität des Naturrechts durch die ‚Person‘, verstanden als planender Willen, losgelöst von jeder normativen Bindung und eingetaucht in einen historisch-kulturellen Kontext, oder anders gesagt, in eine Situationsethik. Und da der Sex einen integralen Bestandteil der Person darstellt, indem die Rolle der Sexualität als ‚primäre Funktion des persönlichen Wachstums‘ bezeichnet wird, auch weil, laut ihrer Aussage, das Konzil lehrte, daß nur in der dialogischen Beziehung mit dem anderen der Mensch sich verwirklicht, zitierten sie in diesem Zusammenhang die Vorstellung, laut der ‚ich den anderen brauche, um ich selbst zu sein‘, gegründet auf die Nummer 24 von Gaudium et Spes, der Magna Charta des nachkonziliaren Progressismus.“
1966 veröffentlichte die Französische Bischofskonferenz die „Documentation catholique“, in der das einzig Katholische der Titel war, und mit der das Ende der klassischen Theologie verkündet wurde. Die französischen Bischöfe sagten:
„Nach dem Konzil verlangt die Christologie eine besondere Aufmerksamkeit. In der Theologie geht es zum Beispiel um die Notwendigkeit, die grundlegenden Konzepte der Natur und der Person beizubehalten. Diesbezüglich wirft die moderne Philosophie neue Probleme auf: die Bedeutung der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Person‘ ist für einen philosophischen Geist eine andere als jene des 5. Jahrhunderts oder des Thomismus. […] Welche Konzepte von Natur und Person sollen gebraucht werden, damit sie für unsere Zeitgenossen die Wahrheit der dogmatischen Definitionen ausdrücken können?“
Das Endergebnis dieser Prämisse konnte nur die Unmöglichkeit sein, Zugang zur Wahrheit der dogmatischen Definitionen zu finden, von denen die französischen Bischöfe den Worten nach sagten, daß sie ihnen noch am Herzen lag.
Der Angriff auf die Theologie des 5. Jahrhunderts und den Thomismus geschah nicht zufällig, bedeutete er doch, die Definition von Person zu zerstören, die von Boetius formuliert und dann unter anderem vom Heiligen Thomas aufgegriffen wurde. „Persona est rationalis naturae individua substantia“, sagte Boetius. “Die Person ist die individuelle Substanz von vernunftbegabter Natur.“
Rede Kaspers ist aus dem Stoff der weißen Fahne für die Kapitulation
Die Rede von Kardinal Kasper ist aus dem Stoff gemacht, der sich dafür eignet, als weiße Fahne in der belagerten Zitadelle Gottes geschenkt zu werden. Zu behaupten, daß man auf die modernen Kategorien des Denkens und der Sitten zurückgreifen müsse, heißt, die notwendige Vermittlung von Vorstellungen und einer Sprache, die auf „natürliche“ Weise wahr sind, zu unterschlagen.
Die Wahrheit ist nicht nur dogmatisch und übernatürlich, so wie die Wahrheit der Dogmen nicht der einzige Fixpunkt ist, den es im katholischen Denken zu bewahren gilt. Es gibt eine „natürliche“ Wahrheit der Sprache und der Konzepte, die auch für die ausschließlich religiösen Zwecke absolut unverzichtbar ist. Deshalb können die klassischen Vorstellungen von Natur und Person nicht ungestraft mit den modernen vertauscht werden.
Man kann nicht den Hegelianern die Wahrheit der Dogmen mit den Hegelschen Begriffen erklären, den Cartesianern mit jenen Descartes, den Kantianern mit jenen Kants, den Marxisten, indem man die marxistischen Begriffe verwendet und so weiter, weil die moderne Philosophie essentiell antinatürlich ist und die Gnade auf die Natur wirkt, nicht auf die Antinatur.
Jean Madiran und das Phänomen des theologischen Debakels
In seinem Buch „Die Häresie des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet Jean Madiran dieses Phänomen als theologisches Debakel, das „sich auf die Phantasie stützt. Es ist eine Mythologie. Es geht nicht von einer falschen Vorstellung zwischen Natur und Gnade aus, sondern von einer radikalen Bestreitung der natürlichen Ordnung, was auch ein Bestreiten der übernatürlichen Ordnung nach sich zieht. Es gründet nicht auf einem Aspekt der Realität, indem es andere Aspekte entwertet oder entstellt: es befindet sich vollkommen außerhalb jeder Realität in einem ideologisch-verbalen Limbus. Es bestreitet die natürliche Realität nicht und betrügt sich auch nicht: es weist sie zurück, es lenkt die Seelen von ihr weg, um sie anderswo hinzulenken, ins Nichts.“
Das Grundelement dieses Handelns ist, wie in der Handlungsanweisung Buonaiutis beschrieben, der Angriff auf das Sakrament, auf das, was in der Welt das Zeichen des Göttlichen ist, der Gegenwart Gottes unter den Menschen; das, was letztlich Prinzip und Garantie der irdischen Ordnung ist, weil es die von der göttlichen Ordnung herkommenden Gnaden vermittelt. Daher ist es das Ziel, in die katholische Theologie einzudringen und sie bis in die Wurzeln zu pervertieren.
„Abschaffung“ der Sünde knebelt und erstickt katholische Theologie
Die wirklichen Knoten, die die katholische Theologie knebeln und ersticken, sind die Abschaffung der Sünde und die Trennung von Glauben und Sakramenten. Das Sakrament ist gleichzeitig Auflage und Mittel, um die Geschöpfe vor dem Sündigen zu bewahren. Das ist das grundlegende, aber vergessene und vernachlässigte Thema: die Sünde. Das ist der Skandal, die Schande, ohne die der Mensch nicht verstanden werden kann. Es ist schon in Ordnung: das Ostergeheimnis, die Auferstehung, der Triumph des weggerollten Steines. Aber es gibt keine Garantie, daß unsere Seelen vor dem unabwendbaren Tod bewahrt werden. Die Sünde bringt das Geheimnis der ewigen Verdammnis mit sich.
An dieser Stelle tritt zusammen mit der Fleischwerdung das Sakrament in die Geschichte ein, das Geheimnis, das gleichzeitig grundlegend für die Rettung des Menschen aus seinem Zustand als Sünder ist. Eine Kirche ohne Sakramente ist schlichtweg undenkbar, ein Niemandsland, oder wenn es gut geht, ein Feldlazarett, wo sich jeder selbst rettet. Die Diskussion rund um die Zulassung der wiederverheiratet geschiedenen Paare zur Kommunion ist zermürbend und in gewisser Weise sogar absurd. Die eigentliche Frage ist viel einfacher: Wovon soll der Mensch sich retten? Wovon aber soll er sich retten, wenn man predigt oder zu verstehen gibt, daß die Hölle nicht existiert oder, wenn sie existiert, leer ist?
Christus ließ sich nicht kreuzigen, um uns vor Krieg, Armut und einer gescheiterten Ehe zu retten
Christus hat sich nicht kreuzigen lassen, um die Menschen vor dem Krieg, der Armut, dem Neid, der schiefgegangenen Ehe oder der Traurigkeit zu retten. Er hat es getan, um sie vor der ewigen Verdammnis zu retten. Und die Sakramente sind das Gnadenmittel, um aus dieser schrecklichen Krankheit herauszukommen. Der alte Katechismus des Heiligen Pius X. erklärte: „Die Sakramente sind wirksame Zeichen der Gnade, eingesetzt von Jesus Christus um uns zu heiligen.“ Und weiter, daß „sie wirksame Zeichen der Gnade sind, weil sie mit den spürbaren Teilen diese unsichtbare Gnade bedeuten oder anzeigen, die sie verleihen; und sie sind wirksame Zeichen, weil sie die Gnade, die sie bedeuten, wirklich verleihen“.
Als sie Jesus den Taubstummen brachten und baten, daß Er ihm die Hände auflegt, legte Er seine Finger in die Augen und mit dem Speichel berührte Er seine Zunge, dann richtete Er seine Augen zum Himmel, seufzte und sagte „Effata“ und der Mann war gesund. Jesus, der Gott war, hätte dem Taubstummen das Gehör und das Sprechen mit einem einfachen Befehl seines Willens zurückgeben können. Doch der Kontakt der Finger und des Speichels bedeutete und verlieh wirklich die Gnade der Heilung. Es war das Zeichen des Sakraments, des Eintritts der Gnade in das Leben des Mannes, das die Handlungen und die Materie des Alltags in Ritus verwandelt. Die Kirche wird bis an ihr Ende nicht darauf verzichten können, außer unter Strafe ihres Endes. In einer Welt, die der zugleich fleischlichen und geistlichen Verankerung der Sakramente beraubt ist, kann die Sünde nicht mehr besiegt werden, weil sie nicht mehr als das erkannt und bekämpft wird, was sie ist. Und der Mensch verirrt sich, jeder ist niemand, und, wie Marshall McLuhan sagt, „könnte der größte Staatsmann mit einem Lakaien verwechselt werden. In liturgischen Begriffen bedeutet der Verlust der Identität den Verlust der religiösen Berufung, und die moralische Permissivität bedeutet den Verlust, die Notwendigkeit der Beichte zu erkennen. Dort, wo viele zur Beichte gingen und verhältnismäßig wenige zur Kommunion, beichten nun sehr wenige, während viele zur Kommunion gehen“.
„Wir brauchen eine Kirche, die die Welt bewegt“
Wie G.K. Chesterton sagte, mag eine solche Kirche der Welt gefallen, aber sie tut ihr nichts Gutes:
„Die Kirche kann sich nicht mit der Zeit bewegen, ganz einfach deshalb, weil die Zeit sich nicht bewegt. Die Kirche kann sich nur mit der Zeit beschmutzen und korrumpieren und mit der Zeit stinken. (…) Und die Kirche hat die Aufgabe, das ganze Licht und die ganze Freiheit zu retten, die gerettet werden kann, jener Macht der Welt zu widerstehen, die hinabzieht, und bessere Tage zu erwarten.
Eine wahre Kirche möchte sicher all das tun, aber eine wahre Kirche kann viel mehr tun. Sie kann in diesen Zeiten des Obskurantismus etwas mehr tun, als zur Zeit der Aussaat. Sie kann der Welt das wirkliche Gegenteil der Finsternis sein. Sie kann ihre Ideale in einem solchen anziehenden und überraschenden Kontrast zum unmenschlichen Abgrund der Zeit präsentieren, daß sie mit einem Schlag die Menschen zu einer der moralischen Revolutionen der Geschichte inspiriert, so daß die heute lebenden Menschen nicht vom Tod berührt werden, bis sie nicht die Rückkehr der Gerechtigkeit gesehen haben.
Wir brauchen, wie hingegen die Zeitungen sagen, keine Kirche, die sich mit der Welt bewegt. Wir brauchen eine Kirche, die die Welt bewegt.“
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fede & Cultura
Von Trauer erfüllt, vernehme ich diese Nachricht. er war bis zu seinem irdischen Ende ein steter Streiter für die Wahrheit in der Kirche. Sein Andenken halte man als gläubiger und bekennender Katholik hoch. Das was er zuletzt gesagt hat, war auch völlig richtig. Der Herr sei ihm gnädig.
Kaspers Rede als weißer Stoff, aus dem die Fahne der Kapitulation genäht werden wird…
Vielleicht treibt Kasper nur eine kirchliche Schizophrenie auf den Höhepunkt, die sich schon lange angebahnt und schon lange in den unterschiedlichsten Situationen ausgebreitet hat.
Die Autoren benennen dies in dem Satz:
„Man kann nicht den Hegelianern die Wahrheit der Dogmen mit den Hegelschen Begriffen erklären, den Cartesianern mit jenen Descartes, den Kantianern mit jenen Kants, den Marxisten, indem man die marxistischen Begriffe verwendet und so weiter, weil die moderne Philosophie essentiell antinatürlich ist und die Gnade auf die Natur wirkt, nicht auf die Antinatur.“
Die „Sprache der Kirche“, übrigens Latein, folgt einer eigenen und tatsächlich am „natürlichen“ Verstehen orientierten Logik.
Was heißt das? Ich denke, damit ist das verpönte „wörtliche“ Verstehen gemeint. Subtiler ausgedrückt jedoch noch etwas anderes: es geht um eine Hermeneutik, die die vorhandenen Texte und Sätze aus sich selbst heraus deutet. Dies aber dann in allem nur möglichen Reichtum.
Die mittelalterliche Hermneutik vom vierfachen Schriftsinn steht dafür („quatuor sensus scripturae“).
Demnach gibt es die Ebene der reinen historischen Sachbotschaft, die in den Sätzen ausgedrückt wird, aber es gibt auch eine moralische, eine allegorische (auf Glaubenserfahrung zielende) und eine anagogische (auf die Hoffnung abzielende) Ebene des Verstehens.
Es war eine Technik maximaler Textauslotung, die von der Wahrheit des Wortlautes ausging.
Mit dem 16. Jh und seinen neuen Methoden wurde diese Hermeneutik abgetragen bzw. im Protestantismus verworfen. Wenn die Gegenreform hier noch einiges aufhalten konnte, brach doch dieser Widerstand spätestens mit der franz. Revolution auch in der kath. Kirche nach und nach zusammen, wenn auch nicht primär beim Lehramt, sondern bei einzelnen Klerikern und Professoren. Das Konzil bedeutet hier einen Dammbruch und keineswegs die Erfindung des Übels. Denn in den Konzilstexten drückt sich lediglich eine relativ geistlose Form dieser modernistischen Bewegung aus, deren einziger Zweck darin bestand, diesen Dammbruch zu ermöglichen. An sich selbst sind diese Texte, die unter viel Lärm erzeugt wurden, nichtssagend, widersprüchlich, bedeutungslos, ein philosophisches Armutszeugnis. Sie sind peinlich schwach! Viele machen im Windschatten dieser Texte, was sie wollen. Und in Rom sitzt nun ein eiserner Hüter direkt am Schalthebel: Kardinal Müller. Es ist unverständlich, wie ein Mann, der eigentlich glaubenstreu sein will, die Gläubigen ausgerechnet auf diese schwachen und für jeden erkennbar problematischen Texte des Konzils festlegen will.
Kardinal Kasper macht nur das, was seit Jahrzehnten üblich ist. Steter Tropfen höhlt den Stein!
Die modernistische Hermeneutik lässt nahezu jede Deutung zu – auch das Gegenteil des Ausgesagten.
Eine babylonische Sprachverwirrung – „Zungenrede“ modern: es ist nachvollziehbar, dass viele in die Glossolalie flüchten.
Und noch ein Nachtrag aus der Enzyklika „Humani generis“ von Pius XII. aus dem Jahre 1950:
„32 Darum ist es sehr zu beklagen, dass man die Philosophie, die von der Kirche aufgenommen und anerkannt ist, heute von mancher Seite der Verachtung preisgibt, als veraltet in der Form und rationalistisch –, wie sie sagen – in der Denkweise erklärt. Die Gegner behaupten, dass diese unsere Philosophie irrtümlicherweise die Meinung verteidige, es gebe eine absolut gültige Metaphysik; während sie im Gegenteil sagen, die Wahrheiten, besonders die transzendenten, könnten keinen geeigneteren Ausdruck finden als in ganz verschiedenen Lehrsätzen, die sich ergänzen, obwohl sie untereinander in gewisser Weise im Gegensatz stehen. Darum geben sie auch zu, dass die auf unseren Schulen gelehrte Philosophie mit ihrer klaren Beschreibung der Fragestellung und Lösung, mit der genauen Bestimmung der Begriffe und ihren klaren Unterscheidungen wohl nützlich sein könne zum Studium der scholastischen Theologie, die sich der Denkungsart des mittelalterlichen Menschen in hervorragender Weise anpasste; aber – so fügen sie hinzu – sie kann keine philosophische Methode bieten, die unserer modernen Kultur mit ihren Bedürfnissen entspricht. Sie wenden ferner ein, dass die â€philosophia perennis†nur eine Philosophie der unveränderlichen Wesenheiten sei, während das moderne Denken interessiert sein müsse an der â€Existenz†der Einzeldinge und dem stets fließenden Leben. Während sie aber diese Philosophie verachten, preisen sie andere Systeme hoch, alte oder neue, solche östlicher oder westlicher Völker, in einer Art, die andeuten zu wollen scheint, jede beliebige Philosophie oder Meinung könne unter Beifügung – wenn das notwendig ist – einiger Verbesserungen oder Ergänzungen mit dem katholischen Dogma vereint werden. Aber kein Katholik kann daran zweifeln, dass dieses ein vollständiger Irrtum ist.“
Kasper ist gewissermaßen der Endzustand des philosophischen Zerfalls, eine Art theologischer „Wüstenbildner“, in dem die Elemente der Lehre so weit zerkleinert (also: „beibehalten“) wurden, dass man nur mehr viele viele Sanddünen dieser atomisierten Lehre wahrnimmt, die von jedem Wind des Zeitgeistes neu aufgewirbelt und umgeschichtet werden.
Hl. Schrift:
„Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt.“ (Eph. 4, 14)
@ zeitschnur
Auf diese Seite katholisches.info habe ich Anfang 2013 hingefunden, weil mich ein Link auf einer anderen, dem katholischen Glauben gewidmeten Seite, hingeführt hat.
Heute möchte ich mal Danke sagen für Ihre gehaltvollen Beiträge. Viel Glaubenswissen darf ich daraus ziehen sowie Anregungen, welche Quellen ich studieren sollte.
Eine Notwendigkeit tritt spätestens seit der Wahl von Franziskus ganz klar hervor: es ist ein Muss, über den Katholischen Glauben (Lehre und Tradition ) sehr gut Bescheid zu wissen. Irgendwie reicht nicht. Hat noch nie gereicht. Aber heute ist die Verkündigung der Lehre durch jene, die Weihe und Amt zu „lehren-leiten-heiligen“ inne haben, nicht mehr heilswirksam (für das Heil der Seele) verlässlich und garantiert.
Ausgezeichneter Beitrag, danke!
„Denn in den Konzilstexten drückt sich lediglich eine relativ geistlose Form dieser modernistischen Bewegung aus, deren einziger Zweck darin bestand, diesen Dammbruch zu ermöglichen. An sich selbst sind diese Texte, die unter viel Lärm erzeugt wurden, nichtssagend, widersprüchlich, bedeutungslos, ein philosophisches Armutszeugnis. Sie sind peinlich schwach!“
Auch wenn ich Eulen nach Athen trage: Es wäre so sehr Zeit für einen innerkirchlichen, offenen (!) Diskurs über das Konzil!
Aber „DAS“ Konzil wird nach wie vor als sakrosankt behandelt, von den Progressisten vom Schlage Kaspers ohnehin – aber auch die meisten „Konservativen“ beziehen sich ständig darauf, statt auf vorkonziliare Texte, die ihnen viel tiefsinnigere und klarere Stützen wären. Man könnte manchmal wirklich meinen, die katholische Kirche sei 50 Jahre alt.
Es ist einfach peinlich, dass eine solche Institution sich ständig auf diese wenig überzeugenden, schon rein sprachlich matten, viel zu wortreichen und langweiligen Texte beruft.
Besonders auch deshalb wäre es für die Kirche ein Segen, wenn die Piusbruderschaft kanonisch anerkannt würde – und zwar eben unter den Bedingungen, die sie stellen.
Man hätte dann endlich eine Instanz im Boot, deren Dasein es nicht mehr erlauben würde, einer scheuklappenfreien Diskussion über das Konzil auszuweichen. Was dann unausweichlich würde, wäre eine wirklich lohnende „Debatte“, die einer „lebendigen Kirche“ (bzw. einer, die es wieder werden soll) wohl anstünde!
Aber eben deshalb scheiterten ja auch die Verhandlungen! Zu viele Kirchenmänner wollten verhindern, dass ihre Lebenslügen offenbar würden.
Darum aber auch ist es für die Gesamtkirche wichtig, dass die Piusbruderschaft sich jetzt nicht ins Exil zurückzieht, nicht aufgibt, nach einer Lösung mit Rom zu streben – auch wenn es im Moment ganz und gar nicht nach einer akzeptablen Möglichkeit aussieht.
Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb manche das als „verlogen“ von seiten der Bruderschaft empfinden. (Hier muss ich auch Ihnen, geschätzte „zeitschnur“, widersprechen.) Weshalb verlogen? Es ist dies eine Haltung der Liebe, der Liebe zur Kirche, die alle so berechtigte wie notwendige Kritik erst legitimiert.
Eine Haltung, wie sie einen Mario Palmaro auszeichnete. Requiescat in pace!
Ich glaube nicht dass Kaspar kapitulieren will, ich glaube dass er gezielt siegen will für die Gegenseite , und dabei schon immer gezielt gefördert wurde, von “ Altpapst“ Benedikt und Johannes Paul II. Sie wollen die Kirche im Sinne der Ökumene reformieren und adaptieren, Ehescheidungsmoral für Protestanten und Orthodoxe, ebenso das Papstamt. Und Kardinal Kaspar grinst, der Rücktritt von altpapst Benedikt fiel auch so aus, dass er noch hineinkommt ins Konklave, 3 Tage später wäre es nicht mehr möglich gewesen.
Vergelt’s Gott für diesen hervorragenden Artikel!
Am Sonntag, während der tridentinischen Messe, wurde der Fastenhirtenbrief des Ortsbischofs verlesen, der zum großen Teil aus einem langen Zitat aus „Evangelii gaudium“ bestand. Das Schreiben ist noch nicht online gestellt, wird aber hier erwähnt: http://www.domradio.de/themen/fastenzeit/2014–03-09/bundesweite-misereor-aktion-gegen-armut-der-welt-eroeffnet
Aber darin wird genau das behauptet, was Mario Palmaro den Glaubenszerstörern diagnostiziert: dass Christus darum Mensch geworden sei, um uns „von der Traurigkeit zu befreien“.
In dem Hirtenbrief fiel kein einziges Mal das Wort „Sünde“ – ich habe genau darauf geachtet. Sünde ist in einer der größten Diözesen Deutschlands kein Thema mehr für die Fastenzeit. Der Widerstand gegen die Sünde, der Kampf gegen die Feinde des Heils: das Fleisch, der Satan, die Welt, ist kein Thema mehr. Stattdessen sollen wir uns ständig freuen und „den Glauben“ (welchen?) feiern.
Der mit Rom verbundene Katholik wird heute bis in die Alte Messe hinein, wo er hofft Zuflucht zu finden, mit falscher Theologie verfolgt.
„Mario Palmaros letzter Aufsatz“, das zu lesen, tut weh. Er fehlt, und er wird fehlen.
Immer gab es in der Kirche kluge, gebildete Laien, die den Glauben verteidigten auf philosophischem Niveau. Die das nicht nur den Priestern überließen.
Ich weiß nicht, ob es in der Kirche eine Zeit gab, in der der Klerus in Schweigen gefallen ist, während der Glaube sich auflöst.
Natürlich, Priester sind zum Gehorsam verpflichtet. Wann gab es das: dass die Hierarchie selbst den Glauben auflöst. So ist es geschehen 1962 ‑1965, während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Verzicht auf eine eindeutige Sprache, die wortwörtlich sagt, was gemeint ist, scheint mir die Wurzel des Übels zu sein. Auf sie wurde bewusst verzichtet. Alles wurde interpretierbar. Damit ist grundsätzlich der Wahrheitsanspruch aufgegeben.
Mario Palmaro zitiert den alten Katechismus von Pius X. Er ist eindeutig, er ist nicht interpretierbar. Frühere Religionslehrer haben zu Erklärungen für Lernende gegriffen, haben anschaulich erklärt, was wortwörtlich dort gedruckt ist. Aber die Lehre an sich wurde nicht durch Hermeneutiken verzerrt. Zwischen Lehre und Pastoral gab es keinen Widerspruch.
Ich wundere mich über die Leitung der FSSPX. Über Pius.info. Über das derzeitige Schweigen. Wenn das Erlösungshandeln Jesu Christi überflüssig geworden ist, weil es keine Sünde mehr und das Seelenheil gratis gibt, brauchen wir kein Priestertum. Ohne Messopfer, ohne Sakramente, sind Priester überflüssig. Sie können durch Präsidenten, Vorsitzende, Moderatoren ersetzt werden.
Die Patres vor Ort erteilen Religionsunterricht nach den alten, gültigen Katechismen.
Von Bischof Fellay oder dem deutschen Distriktoberen P. Udressy ist nichts oder zu wenig zu hören. Dank Erzbischof Lefebvre haben sie eine Infrastruktur, die von Rom unabhängig ist. Sie haben auch das nötige theologische und philosophische Wissen. Doch sie haben sich entschlossen zu schweigen. In einer Situation, in der der Glaube vom Papst noch mehr angegriffen wird als von seinen Vorgängern.
Der Tod eines Menschen ist für die Zurückgebliebenen immer sehr schmerzlich. Seine Familie, seine Freunde, seine Kollegen müssen ihn hinnehmen, verkraften, verarbeiten.
Warum trifft er mich schmerzlich, die ich Mario Palmaro nie gesehen habe. Weil seine Stimme so sehr fehlt. Auch weil die, die sprechen müssten, schweigen.
Mercator:
Die Messe aller Zeiten ohne die katholische Lehre aller Zeiten mutiert zur Folklore.
Daher kann ich wärmstens den Meßbesuch bei FSSPX empfehlen, in welcher Bruderschaft nur die Lehre aller Zeiten weitergegeben wird. Da sieht man wieder, wie richtig und wichtig es war, sich in Zeiten wie diesen, in denen der Notstand andauert, die Einigung mit Rom nicht zu fertigen.
Im Rom von heute kann wahre Romtreue nur in einem gerechtfertigten Ungehorsam gelebt werden.
Es lebe das EWIGE Rom!
„Man kann nicht den Hegelianern die Wahrheit der Dogmen mit den Hegelschen Begriffen erklären, den Cartesianern mit jenen Descartes, den Kantianern mit jenen Kants, den Marxisten, indem man die marxistischen Begriffe verwendet und so weiter, weil die moderne Philosophie essentiell antinatürlich ist und die Gnade auf die Natur wirkt, nicht auf die Antinatur.“
Das scheint mir zentral zu sein.
Es ist auch meine Erfahrung:
Eine gesunde, vom Hausverstand und der klassischen Tradition getragene Philosophie ist in der akademischen Theologie schon vor Jahrzehnten verschwunden. Darum gibt es auch keinerlei echten „Dialog“ mehr: Es fehlt das Vokabular, das sich auf Realität beziehen könnte. Es gibt nur mehr die Sprüche und Phrasen einer hermetischen Geheimsprache: z. B. die Rahner-Phraseologie aus dem Fundus der Hegelei u. dgl.
Mit dem Glauben ist auch die Vernunft verschwunden – und in der Hierarchie hat es begonnen.
R.I.P. Sign. Palmaro.
Sein Realismus war so ausgeprägt, sich noch kurz vor seinem Tod wirksam um (s)ein Requiem zu kümmern.
Erst die Aussicht, dass dieses – mit vorsorglich schon erteilter Genehmigung der zivilen Behörde – VOR dem Dom abgehalten werden würde, sollte einem solchen nach überliefertem Ritus im Gotteshaus nicht stattgeben werden, ließ der zuständigen kirchlichen Autorität die Peinlichkeit so sehr in die Knochen fahren, es nun doch nicht so weit zu treiben.
Quelle: Riscossa cristiana (it) oder RORATE CÆLI (en)