(Monza) Der bekannte katholische Rechtsphilosoph und Publizist Mario Palmaro ist tot. Am Sonntagabend verstarb der traditionsverbundene Katholik, der zu den schärfsten und scharfsinnigsten Kritikern des Pontifikats von Papst Franziskus gehörte, an den Folgen einer schweren Krankheit.
„An diesem Abend hat es Gott gefallen, ihn aus seinem irdischen Leben abzuberufen. Der Schmerz, den wir darüber empfinden, kann nur in jenem katholischen Glauben Trost finden, dessen unerschrockener Verteidiger und Zeuge er immer war. Unsere Umarmung gilt seiner Ehefrau und seinen Kindern, denen wir von ganzem Herzen nahe sind. Wir bitten alle Freunde um ihr Gebet und übereignen es mit jenem Vertrauen der Vorsehung, das er uns gelehrt hat, indem er in christlicher Demut das Leiden angenommen hat und auch darin für uns ein erbauliches Vorbild geworden ist.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich in einer ersten Stellungnahme die Redaktion von Riscossa Cristiana, mit der Mario Palmaro seit ihrer Gründung zusammenarbeitete.
Ein Leben für das Lebensrecht und die katholische Tradition
Mario Palmaro wurde am 5. Juni 1968 in Cesano Maderno, einer Kleinstadt der nördlichen Lombardei geboren. Sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mailand schloß er mit einer Arbeit über die Abtreibung ab. Nachdem er sich durch Studien am Institut San Raffaele in Mailand auf Bioethik spezialisiert hatte, wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Bioethik der Katholischen Universität Mailand. Schließlich lehrte er Bioethik an der Päpstlichen Universität Regina Apostolorum in Rom und Theoretische Philosophie, Ethik, Bioethik und Rechtsphilosophie an der Europäischen Universität von Rom. An der Europäischen Universität ergab sich ein reicher intellektueller Austausch mit einem anderen Verteidiger der katholischen Sache, dem Historiker Roberto de Mattei. Palmaro gehörte zu den leidenschaftlichen Verteidigern des Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. und war einer der deutlichsten Kritiker eines „jämmerlichen, teils schäbigen Kleingeistes“, mit dem manche Bischöfe das Motu proprio behindern.
Palmaro war Vorsitzender der Lebensrechtsvereinigung Komitee Wahrheit und Leben und gehörte der Vereinigung der Juristen für das Leben und der Katholischen Juristenvereinigung Italiens an.
Gemeinsam mit dem katholischen Journalisten Alessandro Gnocchi veröffentlichte Palmaro mehrere Bücher und eine Vielzahl von Aufsätzen und Artikeln. Palmaro und Gnocchi wurden zum kongenialen Duo der Denkschärfe und sprachlichen Gewandheit.
Ein Leben für die Verteidigung der Katholischen Kirche
Zum reichen publizistischen Schaffen Palmaros gehörten unter anderem seine Aufsätze in den Tageszeitungen Il Foglio und Il Giornale, der Monatsschrift Studi cattolici und seine Tätigkeit als Redakteur der katholischen Monatszeitschrift Il Timone. Zehn Jahre gestaltete er eigenverantwortlich bei Radio Maria Italien die Sendung „Begegnungen mit der Bioethik“. Im Herbst 2013 kündigte Radio Maria diese Mitarbeit auf wegen Palmaros „Kritik am Papst“. Unmittelbarer Auslöser war sein gemeinsam mit Alessandro Gnocchi am 9. Oktober in der Tageszeitung Il Foglio veröffentlichter Aufsatz „Christus ist keine Option unter vielen, schon gar nicht für seinen Stellvertreter auf Erden – Warum uns dieser Papst nicht gefällt“. Eine bestechende Kritik am Pontifikat von Papst Franziskus, an deren Gültigkeit sich nichts geändert hat.
Papst-Kritik, Entlassung durch Radio Maria und päpstlicher Anruf
Am 1. November, dem Fest Allerheiligen erhielt Mario Palmaro, bereits schwer krank, drei Wochen nach seiner Entlassung durch Radio Maria einen Anruf von Papst Franziskus. Palmaro sagte später, daß ihn dieser Telefonanruf „überraschte, erstaunte und vor allem bewegte“.
„Für mich als Katholik, war das, was ich erlebte, eine der schönsten Erfahrungen meines Lebens. Ich habe dem Papst meine unbedingte Treue als Sohn der Kirche versichert. Ich sah mich allerdings auch in der Pflicht, den Papst daran zu erinnern, daß ich gemeinsam mit Alessandro Gnocchi ganz präzise Kritik an seinem Handeln geäußert habe. Der Papst ließ mich fast den Satz nicht beenden und sagte, er habe verstanden, daß diese Kritik aus Liebe gemacht wurde und wie wichtig es für ihn ist, solche zu bekommen“, so Palmaro nach Bekanntwerden des Anrufs in einem Interview mit der Tageszeitung Libero. Die Entlassung durch Radio Maria wurde nicht zurückgenommen.
Unmittelbar vor dem Papst-Anruf hatten Palmaro und Gnocchi einen weiteren papstkritischen Aufsatz veröffentlicht: Die Kirche als Feldlazarett der Followers – Zuspruch umgekehrt proportional zur Klarheit der Botschaft? Darin schrieben sie die geradezu berührend katholische, deskriptive und ebenso prophetische Aussage:
„In irgendeinem kleinen, abgelegenen Kirchlein wird es immer einen Priester geben, der heilig das Meßopfer zelebriert, in irgendeiner kleinen Wohnung wird es immer eine einsame alte Frau geben, die mit unerschütterlichem Glauben den Rosenkranz betet, und in irgendeinem verborgenen Winkel wird es immer eine Ordensschwester geben, die für ein Kind sorgt, dessen Leben von allen als wertlos betrachtet wird. Auch wenn alles verloren zu sein scheint, strahlt die Kirche, die Stadt Gottes weiter ihr Licht auf jene der Menschen aus.“
Reiches publizistisches Schaffen
Unter den zahlreichen Büchern, die Mario Palmaro, oft in Zusammenarbeit mit Alessandro Gnocchi veröffentlichte, seien nur jene der letzten Jahre genannt, um eine Ahnung vom unermüdlichen Schaffen dieses katholischen Intellektuellen zu vermitteln.
- L‘ ultima messa di padre Pio. L’anima segreta del santo delle stigmate (Die letzte Messe von Pater Pio. Die verborgene Seele des stigmatisierten Heiligen), Milano, Piemme, 2010
- Cronache da Babele. Viaggio nella crisi della modernità (Babylonische Chronik. Reise durch die Krise der Moderne), Verona, Fede e Cultura, 2010
- La Bella Addormentata. Perché dopo il Vaticano II la Chiesa ਠentrata in crisi, perché si risveglierà , Firenze (Dornröschen. Warum die Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in eine Krise geriet. Warum sie sich wieder erholen wird), Vallecchi, 2011
- Ci salveranno le vecchie zie. Una certa idea della Tradizione (Die alten Tanten werden uns retten. Eine bestimmte Vorstellung von der Tradition), Verona, Fede e Cultura, 2012
- Eutanasia: diritto o delitto? Il conflitto tra i principi di autonomia e di indisponibilità della vita (Euthanasie: Recht oder Straftat? Der Konflikt zwischen freier Entscheidung und der Nichtverfügbarkeit des Lebens), Torino, Giappichelli, 2012
„Dieser Papst gefällt zu sehr“ – Letztes Buch Palmaros gerade im Druck
Das letzte Buch von Mario Palmaro befindet sich gerade im Druck. Verfaßt mit Alessandro Gnocchi und Giuliano Ferrara, dem Chefredakteur der Tageszeitung Il Foglio trägt es den Titel „Dieser Papst gefällt zu sehr. Die leidenschaftlich-kritische Lesart eines Pontifikats“, Piemme, 2014. Das Buch wird am 25. März in Rom vorgestellt. Mario Palmaro wird nicht mehr unter den drei angekündigten Autoren sein.
Ob sich durch den Telefonanruf des Papstes etwas an der Position der beiden Kritiker ändern werde, wurde er im November des Vorjahres gefragt? Nein, antwortete Mario Palmaro, „wir werden den Weg weitergehen, den wir schon immer gegangen sind, indem wir unserem Gewissen folgen, immer in Treue dem Papst und der Kirche verbunden, aber wir werden unseren Weg weitergehen, gerade wegen dieser Treue und Liebe.“ Diesem Grundsatz ist auch das letzte Buch verpflichtet.
Vom katholischen Glauben, der Krankheit und seiner Familie
In einem Interview mit einer Zeitschrift des Dehonianerordens sprach er nach dem Papst-Anruf auch über seine Krankheit und seine Familie:
„Man schaut auf das Kreuz und versteht, daß das das Herz des Glaubens ist: ohne Opfer existiert die Katholizität nicht. Dann dankst du Gott dafür, daß er dich katholisch gemacht hat, zu einem ‚ganz kleinen‘ Katholiken, einen Sünder, der aber in der Kirche eine fürsorgliche Mutter hat.
Die Krankheit ist daher eine Zeit der Gnade, aber häufig bleiben die Laster und die Schäbigkeiten, die uns ein Leben lang begleitet haben oder verschlimmern sich sogar. Es ist so, als hätte die Agonie bereits eingesetzt und man das Schicksal der Seele bekämpft, denn der eigenen Errettung kann sich keiner sicher sein.
Andererseits hat mich die Krankheit eine beeindruckende Zahl von Personen kennenlernen lassen, die mir Gutes wollen und für mich beten, Familien, die abends mit den Kindern den Rosenkranz für meine Genesung beten, und mir fehlen die Worte, um die Schönheit dieser Erfahrung zu beschreiben. Es ist eine Vorschau der Liebe Gottes in der Ewigkeit. Der größte Schmerz, den ich empfinde, ist die Vorstellung, diese Welt verlassen zu müssen, die mir so gut gefällt, die so tragisch aber zugleich auch so wunderschön ist; so viele Freunde loslassen zu müssen, meine Verwandten, vor allem aber meine Frau und meine Kinder, die noch im Kindesalter sind, zurücklassen zu müssen. Manchmal stelle ich mir mein Haus vor, mein leeres Arbeitszimmer und das Leben das darin weitergehen wird, auch wenn ich nicht mehr sein werde. Es ist eine schmerzhafte, aber ausgesprochen realistische Vorstellung. Sie läßt mich verstehen, daß ich ein unnützer Knecht war und bin, und daß alle die Bücher, die ich geschrieben habe, all die Vorträge, die ich gehalten und die Artikel, die ich verfaßt habe, letztlich nur Stroh sind.
Aber ich hoffe auf einen barmherzigen Herrn und darauf, daß andere Teile meiner Arbeit, meiner Bestrebungen und meiner Kämpfe aufgreifen und weitertragen, um das ewige Duell fortzusetzen.“
Requiem à¦ternam dona ei, Domine,
et lux perpetua luceat ei.
Requiescat in pace.
Amen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Piemme