(Rom) Der bekannte Historiker Roberto de Mattei befaßt sich in einem jüngsten Aufsatz erneut mit dem traditionsverbundenen Orden der Franziskaner der Immakulata, der von der römischen Ordenskongregation unter kommissarische Verwaltung gestellt wurde und dessen Priestern seit 11. August die Zelebration im überlieferten Ritus untersagt ist. De Mattei sieht Parallen zum Jesuitenorden, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgehoben wurde. Ein Franziskaner auf dem Papstthron hob damals den Jesuitenorden auf. Wird nun ein Jesuit auf dem Papstthron einen Franziskanerorden aufheben? Eigentlich, so de Mattei, wollte man damals den Jesuitenorden nur „reformieren“, um ihn damit „unschädlich“ zu machen. Stattdessen kam es zur Aufhebung, was letztlich für den Orden besser gewesen sei. Nun sollen die Franziskaner der Immakulata „reformiert“ werden, um ihr Charisma zu vernichten und sie den „normalen“ Orden anzupassen.
Sint ut sunt, aut non sint
Von Roberto de Mattei
„Sint ut sunt aut non sint“ (Sie seien wie sie sind oder sie seien nicht) ist ein Satz, den einige Historiker Lorenzo Ricci, dem 18. Ordensgeneral der Jesuiten zuschreiben, als ihm der Vorschlag unterbreitet wurde, die Gesellschaft Jesu zu „reformieren“, um sie den Bedürfnissen der Welt anzupassen. Man schrieb die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Jesuiten bildeten das Bollwerk, an dem die Angriffe der äußeren und inneren Feinde der Kirche zerschellten. Die äußeren Feinde wurden vom aufklärerischen Parti philosophique angeführt, die inneren verteilten sich unter den Namen Gallikanismus, Regalismus, Staatskirchentum und Febronianismus in verschiedene häretische Strömungen, die alle den Anspruch erhoben, die Kirche den absolutistischen Staaten unterzuordnen.
Die Jesuiten, gegründet vom Heiligen Ignatius von Loyola, verteidigten mit Nachdruck den Primat des römischen Papstes, dem sie durch ein viertes Gelübde verbunden waren. Die absoluten Herrscher, von den Ideen der Aufklärung beeinflußt, hatten mit der Ausweisung der Jesuiten aus ihren Reichen begonnen, indem sie sie beschuldigten, die Gesellschaftsordnung umstürzen zu wollen. Das genügte jedoch nicht. Es galt den gesamten Orden umzubauen. Da sich der Ordensgeneral der Jesuiten jedoch widersetzte, sollte er durch Aufhebung beseitigt werden, was allerdings nur ein Papst tun konnte.
Die Gelegenheit bot sich, als am 2. Februar 1769 Klemens XIII. starb. Der Historiker Ludwig von Pastor beschreibt in seinem 16. Band der Geschichte der Päpste (Herder, 1932) mit detaillierten Belegen die Machenschaften, die vor, während und nach dem Konklave stattfanden, bei dem erst nach drei Monaten und 179 Wahlgängen am 14. Mai der Franziskaner Lorenzo Ganganelli mit dem Namen Klemens XIV. gewählt wurde. Der neue Papst wurde unter der Bedingung gewählt, daß er die Gesellschaft Jesu auflöst. Obwohl das formale Versprechen nicht schriftlich festgehalten wurde, weil dies dem Tatbestand der Simonie entsprochen hätte, verpflichtete sich Kardinal Ganganelli gegenüber den Botschaftern der bourbonischen Fürstenhöfe. Der Heilige Geist stand auch diesem Konklave bei, doch die Kardinäle entsprachen wohl kaum der göttlichen Gnade, wenn ihre Wahl auf einen Prälaten fiel, den Pastor als „schwachen und ehrgeizigen Charakter“ beschreibt, „der die Tiara anstrebte“.
Am 21. Juli 1773 löste Papst Klemens XIV. mit dem Breve Dominus ac Redemptor die Gesellschaft Jesu auf, die damals rund 23.000 Angehörige in 42 Provinzen zählte. „Dieses Breve vom 21. Juli 1773“, schreibt Pastor, „stellt den offenkundigsten Sieg der Aufklärung und des monarchischen Absolutismus über die Kirche und ihr Oberhaupt dar“. Pater Lorenzo Ricci wurde verhaftet und in Castel Sant’Angelo eingekerkert, wo er am 24. November 1775 starb. Klemens XIV. ging ihm am 22. September 1774, ein Jahr nach der Aufhebung des Ordens in den Tod voraus. Die Gesellschaft Jesu wurde zerschlagen und zerstreut, überlebte jedoch in Rußland, wo Zarin Katharina die Große sich weigerte, dem Auflösungsbreve ihr Exequatur zu erteilen. Die Jesuiten Weißrußlands wurden des Ungehorsams und der Rebellion gegen den Papst beschuldigt. Sie waren es jedoch, die die Kontinuität des Ordens sicherten, während ehemalige Jesuiten in anderen Ländern im Ignatianischen Geist die Gründung neuer Ordenskongregationen vorantrieben.
1789 brach die Französische Revolution aus und für die Kirche begann eine dramatische Epoche, die sogar den Einmarsch der Jakobiner in Rom sah und die Deportation von zwei Nachfolgern von Klemens XIV.: Pius VI. und Pius VII. Der Widerstand gegen die Revolution wurde in dieser Zeit vor allem von einer Geheimorganisation, der Vereinigung „Christliche Freundschaften“ getragen, die in Turin vom ehemaligen Jesuiten, dem Schweizer Nikolaus Albert von Diesbach (auch Diessbach) gegründet wurde.
Nach 40 Jahren endlich nahm Pius VII. mit der Konstitution Sollicitudo omnium ecclesiarum vom 7. August 1814 das Breve vom 21. Juli 1773 zurück und ordnete die vollständige Wiedererrichtung der Gesellschaft Jesu in der ganzen Welt an, da es ihm eine „schwere Schuld vor Gott“ schien, in so stürmischer Zeit dem Schiff der Kirche länger diese so tüchtigen und erfahrenen Ruderer zu entziehen, wie Pastor anmerkte.
Ein Papst aus dem Franziskanerorden, Klemens XIV. hob 1773 die Jesuiten auf. Wird der Jesuit Papst Franziskus 2013 einen franziskanischen Orden aufheben oder, noch schlimmer, „reformieren“? Die Franziskaner der Immakulata haben noch keine so glorreiche Vergangenheit wie die Jesuiten, aber dennoch weist ihr Fall einige Analogien zu jener der Gesellschaft des Heiligen Ignatius auf. Vor allem aber ist er eine symptomatische Erscheinung der tiefen Krise, in der sich die katholische Kirche heute befindet.
Die von Pater Stefano Maria Manelli 1970 gegründeten Franziskaner der Immakulata führen ein Leben der Buße und nach dem Evangelium. Sie zeichneten sich seit ihrer Gründung durch ihre Treue zum überlieferten Glauben und der Morallehre aus. Das Motu proprio, mit dem Benedikt XVI. den überlieferten Römischen Ritus wieder der Kirche zurückgab, stellte für sie die Möglichkeit dar, auch auf liturgischer Ebene diese Liebe zur Tradition zu leben. Pater Manelli hat den Vetus Ordo nie aufgezwungen, sondern seinen Brüdern empfohlen, deren Priesterweihen in den vergangenen Jahren von führenden Kirchenfürsten auf der Linie der „Erneuerung in der Kontinuität“ von Benedikt XVI. im Alten Ritus erfolgten.
Von der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens (CIVCSVA), heute geleitet von Kardinal Joà£o Braz de Aviz, hängen männliche und weibliche Orden ab, die vollständig oder teilweise das Ordenskleid abgelegt haben und in moralischer Laxheit und doktrinellem Relativismus leben, ohne von der zuständigen Autorität auf irgendeine Weise zur Ordnung gerufen zu werden. Die Franziskaner der Immakulata stellen einen Stein des Widerspruchs dar, der den Wunsch der CIVCSVA erklärt, sie zu „normalisieren“ und an die vorherrschenden Standards des Ordenslebens anzupassen. Das Vorhandensein einer kleinen Gruppe von „dissidenten“ Brüdern bot der Kongregation die Gelegenheit zu intervenieren durch die Entsendung eines Visitators, Msgr. Vito Angelo Todisco, am 5. Juli 2012. Allein auf der Grundlage eines verfänglichen Fragebogens, den Msgr. Todisco an die Brüder schickte, ohne sie persönlich zu treffen, ordnete die CIVCSVA am 11. Juli 2013 die kommissarische Verwaltung des Ordens mit einem Dekret an, das absolut widerrechtlich auch ein Interdikt enthält, die traditionelle Messe zu zelebrieren.
In den nächsten Tagen und Wochen werden wir die Pläne des Kommissars, Fidenzio Volpi besser kennen, deren grobe Linien sich jedoch bereits erahnen lassen: den Ordensgründer Pater Manelli isolieren; den ihm treu verbundenen Generalrat des Ordens köpfen; die „traditionalistischen“ Brüder in die Peripherie abschieben; die Ordensleitung den Dissidenten übergeben; die Noviziate Patres anvertrauen, die nicht im Verdacht „traditionalistischer“ Sympathien stehen; Sterilisierung der Publikationen und Schriften der Franziskaner, die innerkirchlich „umstrittene“ Themen behandeln; insbesondere: Vermeidung eines marianischen „Maximalismus“, einer „überzogenen“ Strenge in Morallehre und vor allem jeder Kritik, und sei sie noch so respektvoll, am Zweiten Vatikanischen Konzil; dazu noch Öffnung des Ordens für den „ökumenischen Dialog“ mit den anderen Religionen; Beschränkung des Vetus Ordo auf besondere Ausnahmen; kurzum die Zerstörung der Identität der Franziskaner der Immakulata, was noch schlimmer ist als ihre Aufhebung.
Wenn das die „Reform“ sein soll, dann ist eine Trennung der beiden Seelen wünschenswert, die derzeit im Orden der Franziskaner der Immakulata zusammenleben: auf der einen Seite die Brüder, die das Zweite Vatikanische Konzil im Licht der kirchlichen Tradition interpretieren und die in diesem Geist den überlieferten Römischen Ritus in seiner ganzen Wahrheit und Schönheit wiederentdeckt haben; und auf der anderen Seite jene, die das Charisma ihres Ordens im Licht eines nachkonziliaren Progressismus uminterpretieren wollen. Das Schlimmste ist die Verwirrung und die Identitätskrise. Wahrer Garant der Identität der Franziskaner der Immakulata kann heute daher niemand anderer als ihr Gründer, Pater Stefano Maria Manelli sein, auf dem die ganze Verantwortung der Letztentscheidungen lastet. Der Einzige, der die Worte wiederholen kann, wie es in der Geschichte bereits geschehen ist: Sint ut sunt aut non sint.
Text: Corrispondenza Romana
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrisdenza Romana
Der Weg in die Katastrope lässt sich am Beispiel einer deutschen Klosterpfarrei nachvollziehen. In den ersten 20 Jahren nach dem 2. Weltkrieg gingen 3 Ordensberufungen aus dieser Pfarrei hervor, wobei der letzte Kandidat später den Orden, nicht aber sein Priestertum wieder verließ. Die Nachkonzilszeit brachte eine große Begeisterung für die liturgischen und pastoralen Neuerungen, verbunden mit vielen weiteren Experimenten. Doch alle Euphorie verpuffte in reinen Äußerlichkeiten: In den nächsten 45 Jahren vorsiegten die Ordensberufungen völlig. Im Gegenteil: Von den jungen Kaplänen in der Pfarrei haben 5 den Orden wieder verlassen, und nur einer davon hat sein Priesteramt bewahrt. Und am Schluss war es so weit, dass der Orden Pfarrei und Kloster aufgeben musste.
Doch die Neuerungen dieses sog. Pastoralkonzils werden mit Zähnen und Klauen verteidigt. Niemand darf es wagen, angesichts der katasrophalen Folgen kritische Anfragen zu formulieren. Ein solcher ehrlicher Kritiker gilt als untragbar und wird mundtot gemacht. Eine grundlegende Besinnung wird nicht zugelassen.
Was die Franziskaner der Immakulata von diesem Papst zu erwarten haben liegt auf der Hand. Franziskus ist die Tradition und die einzig wahre überlieferte Messe offensichtlich zuwider, also wird er diejenigen die der Tradition in diesem Orden folgen „disziplinieren“. Das ist zu befürchten. Gott stehe ihnen bei.