(Jerusalem) William Shomali, der Weihbischof von Jerusalem und Patriarchalvikar für Palästina ist besorgt über die zunehmende Islamisierung des Gazastreifens: „Die Hamas-Regierung will, daß wir Jungen und Mädchen an unseren drei Schulen trennen“.
Bei einer Begegnung mit Journalisten sagte der Weihbischof des Lateinischen Patriarchats: „In Gaza leben nur mehr 1500 Christen, von denen lediglich 200 Katholiken sind. Sie müssen dort bleiben, wo sie ein Haus, eine Arbeit und ein Stück Land haben und können nicht raus aus dem Streifen. Im Streifen aber ist die Lage immer drückender. Wir beobachten einen islamistischen Umbau durch Hamas.“
Vor wenigen Tagen trafen sich Kirchenvertreter mit der Hamas-Regierung, die von der Kirche auch an deren Schulen eine Trennung der Schüler nach Geschlecht verlangt. Bisher galt eine solche Regelung nur für öffentliche Schulen, nicht aber für die katholischen Privatschulen. „Unsere Schüler dürfen nicht mehr dieselbe Schule besuchen wie unsere Schülerinnen. In Gaza haben wir drei Schulen, aber wir können ja nicht drei weitere bauen“, so Weihbischof Shomali. „Bereits im Vorjahr hatten sie die Forderung erhoben, aber gelang uns noch, die Umsetzung zu vermeiden. Nun wissen wir nicht mehr, was wir tun sollen.“
„Die Islamisierung ist unübersehbar“, so der katholische Bischof. „Im Gazastreifen dürfen Geschäfte, die Alkohol verkaufen, nicht öffnen, Gaststätten und Restaurants müssen während des Ramadan geschlossen bleiben, auf der Straße darf nicht geraucht werden und Frauen werden angehalten, den Schleier zu tragen. Bisher war es uns möglich, den für die Feier der heiligen Messe notwendigen Wein einzuführen. Wir hoffen, daß das auch weiterhin möglich sein wird“, so Patriarchalvikar Shomali.
Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung, so der Weihbischof, sei noch nie so gering gewesen. „Die Zahl der Christen ist im Heiligen Land auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. In Israel sind wir zwei Prozent, in Palästina 1,3 Prozent und in Jordanien drei Prozent. Zusammengenommen sind das 400.000 Christen“, so Msgr. Shomali. Um 1945 gab es neben Moslems und Juden noch mehr als 30 Prozent Christen im Heiligen Land. Heute sind es zusammengenommen nur mehr zwei Prozent.
Als entscheidend betrachtet der katholische Bischof, daß die Christen den Minderwertigkeitskomplex überwinden, in den sie durch ihren Minderheitenstatus geschlittert sind. Die Situation ist komplex und reicht weit zurück. Da war einmal der Status einer nur geduldeten Gruppe seit der islamischen Eroberung des Landes. Durch den israelisch-palästinensischen Konflikt, in dem die Christen als Araber einerseits Partei waren, durch dessen Umwandlung in einen jüdisch-moslemischen Konflikt aber als kleinste Gruppe zwischen die Mühlsteine gerieten.
Die Zusammenarbeit zwischen den christlichen Denominationen habe sich verbessert, so der Weihbischof. Dazu gehöre auch, daß das Lateinische Patriarchat für die Feier des Osterfestes den Julianischen Kalender angenommen hat und damit Katholiken und Orthodoxe schon in diesem Jahr das wichtigste Fest der Christenheit am selben Tag gefeiert haben.
„Die Lage wird immer komplizierter und es besteht die Gefahr, daß der Frieden zu einer Utopie wird, weil die Art des Konflikts ideologischer und nicht nur politischer Natur ist und zahlreichen Fragen betrifft: die Grenzfrage der beiden Staaten, die Rückkehr der Flüchtlinge, der Schadenersatz für die Juden, die die arabische Welt verlassen haben, die israelisch-jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten, der Besitz der Wasserquellen, des Luftraums. Und dann ist da noch der große Knoten: der Status von Jerusalem. Wem gehört die Stadt? Die Frage steht ganz am Ende der Liste, weil sie besonders schwierig ist. Ein Kompromiß wird nicht möglich sein. Wie viele US-Außenminister sind hierhergekommen, um den Konflikt zu lösen? Viele, aber keinem ist es leider gelungen. Ich denke, daß alles in der Hand des Herrn liegt. Wenn die Mauer von Berlin gefallen ist, dann wird auch hier Frieden möglich sein, aber nur durch die Gnade Gottes“, so Bischof Shomali.
„Um die bedrängten Christen davon zu überzeugen, hier zu bleiben, genügen nicht Haus und Arbeit. Es braucht Frieden“, so der Weihbischof von Jerusalem. „Und die Christen müssen sich bewußt werden, daß ihr Christsein hier ein Privileg, eine Berufung ist.“
Der Bischof zeigte sich im Pressegespräch auch besorgt über die Folgen des „Arabischen Frühlings“. Er hoffe, daß die arabischen Staaten einen friedlichen Umwandlungsprozeß schaffen, wie er in Osteuropa nach dem Ende des Kommunismus möglich war. Das gelte auch für Syrien. Assad sei ein „Diktator“, doch sei die Situation unter ihm wesentlich besser gewesen, als das Chaos, das heute herrsche. „Die Demokratie läßt sich nicht in wenigen Tagen einführen, wie manche in Washington zu denken scheinen“, so Bischof Shomali.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Christenverfolgung.org