(Paris) Jenseits des Rheins tut sich etwas. „Nach Jahrzehnten der Unsichtbarkeit und Trägheit ist die katholische Kirche Frankreichs wieder mit Entschiedenheit auf die öffentliche Bühne zurückgekehrt“, so der Vatikanist Sandro Magister.
In einem Land, in dem nur fünf Prozent der Bevölkerung die Sonntagsmesse besuchen und die Taufen immer seltener werden, ist die Kirche zwar weiterhin eine Minderheit wie bisher, aber eine Minderheit, die wahrnehmbar geworden ist. Es ist nicht mehr eine Kirche, die sich weitgehend selbst aufgegeben zu haben schien, sondern eine „kreative Minderheit“. Die Kirche westlich des Rheins befindet sich damit auf dem Weg zu dem, was Papst Benedikt XVI. als Zukunft des Katholizismus in einigen säkularisierten Gegenden skizziert hat.
Versuch eines linksliberalen Paradigmenwechsels in Sachen Ehe, Geschlecht und Zeugung weckt Frankreichs Kirche auf
Es ist schwer zu erklären, wodurch dieser plötzliche Umschwung in Frankreich ausgelöst wurde. Im August waren erste Anzeichen wahrzunehmen, als der Erzbischof von Paris, André Kardinal Vingt-Trois an Mariä Himmelfahrt betete: „Kinder und Jugendliche sollen aufhören ein Objekt der Wünsche und Konflikte der Erwachsenen zu sein und die uneingeschränkte Liebe eines Vaters und einer Mutter erfahren können.“
Das Gebet löste einen Sturm der Polemik aus in einem Frankreich, das sich nach dem Wahlsieg des Sozialisten Hollande bei der Präsidentschaftswahl mit großen Schritten auf die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen mit der Ehe hinbewegt samt Adoptionsrecht für Homosexuelle.
Kirchliche Position entspricht dem Naturrecht und ist daher auch Nicht-Katholiken verständlich
Frankreich wurde jedoch auch vom Artikel eines bekannten Literaturkritikers, der sich zum katholischen Glauben bekehrt hatte, aufgerüttelt. Patrick Kechichian ergriff in der linksliberalen Tageszeitung Le Monde entschieden Partei für Erzbischof Vingt-Trois. Der Beitrag wurde sogar vom Osservatore Romano auf der Titelseite übernommen.
Angesichts der vergangenen Jahre ging man allgemein davon aus, auch die regierende Linke, daß sich alles auf eine Initiative des Kardinals und damit seine Person reduzieren ließ, er aber letztlich in der öffentliche Debatte allein bleiben würden.
Kardinal Vingt-Trois legte bei Präsident und Regierung Protest ein und machte diesen publik
Im Herbst war dann alles ganz anders. Am 7. November winkte die Linkregierung unter Premierminister Jean-Marc Ayrault die Homo-„Ehe“ durch den Ministerrat. Kardinal Vingt-Trois protestierte persönlich bei Staatspräsident François Hollande, bei Premierminister Jean-Marc Ayrault und bei Justizministerin Christiane Taubira. Vor allem aber veröffentlichte er anschließend, was er den drei führenden Staatsvertretern persönlich hinterbracht hatte.
Die Diskussion in einem Land, in dem die Laizität Staatsdoktrin ist, verlangt besondere Diskussionskünste. Die Ministerin hatte dem Erzbischof erklärt, daß es „um eine Zivilisationsreform“ gehe, um eine radikale Änderung der menschlichen Natur, der Geschlechter, des Zeugens. Der Kardinal pflichtete der Ministerin bei, daß mit diesem umwälzenden Programm ein Paradigmenwechsel versucht werde. Gerade deshalb aber sei es untragbar, daß die Regierung im „Überrumpelungsverfahren“ mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur 1–2 Prozent eine solche Entscheidung herbeiführen wolle.
Um Ehe und Familie in einem laizistischen Staat zu verteidigen, müssen sich Katholiken nicht auf Bibel berufen
Als Justizministerin Taubira darauf erklärte: „Wir rühren die Bibel nicht an“, antwortete ihr der Kardinal, daß auch er die Bibel nicht ins Feld führe: „Die Angelegenheit betrifft den Menschen, und das genügt.“
„Genau darin liegt die Neuigkeit“, so Magister. Gegen die Homo-„Ehe“ mobilisiert sich ein Widerstand, der nicht konfessionell ist, sondern von Männern und Frauen unterschiedlicher Weltsicht getragen wird. Die Kirche brauche, um mit dem Staat zu verhandeln, nicht auf den Glauben zu verweisen. Das Naturrecht genügt vollkommen. In diesem Sinne argumentierte bereits Kardinal Carlo Caffarra der Erzbischof von Bologna in einem Hirtenbrief 2010 gegen Privilegien für Homosexuelle, die Einführung der Homo-„Ehe“ und das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Er argumentierte darin nicht theologisch oder moralisch, sondern staatsrechtlich auf der Grundlage des Naturrechts.
Hunderttausende Franzosen gingen für katholische Positionen auf die Straße
Am Samstag, den 17. November gingen in Paris und in einem Dutzend weiterer französischer Städte mehrere hunderttausend Menschen gegen den gesellschaftpolitischen Umbruch der Regierung auf die Straße. Die Demonstrationen gingen von drei völlig unverdächtigen Personen aus: der Chefredakteurin einer Satirezeitschrift und Chronistin der mondänen Welt, unter dem Pseudonym Frigide Barjot bekannt und Sprecherin des Collectif pour l’humanité durable (Kollektiv für eine nachhaltige Humanität); vom Sozialisten Laurence Tcheng von der Vereinigung La gauche pour la mariage republicaine (Die Linke für die republikanische Ehe) und Xavier Bongibault, Atheist und Homosexueller sowie Gründer von Plus gay sans mariage.
Von den drei Promotoren ist nur die erste katholisch. Die Katholiken und katholischen Organisationen sind einfach Teil der Kundgebungen, aber die Kirchenvertreter heißen diese offiziell gut. Am selben Tag legte Papst Benedikt XVI. in Rom rund 40 französischen Bischöfen, die sich zum Ad-limina-Besuch in der Ewigen Stadt befanden, eindringlich nahe, „wachsam“ zu sein gegenüber Gesetzesentwürfen, mit denen der Schutz der Ehe zwischen Mann und Frau angegriffen werden sollen.
Seite an Seite mit der Kirche und gegen die Zivilisationswechsel steht auch die feministische Philosophin Sylviane Agacinski, Ehefrau des ehemaligen sozialistischen Premierministers und Protestanten Lionel Jospin.
Bischofskonferenz zeigt nach langer Zeit wieder Einigkeit – Kardinal Lustiger wurde sie stets verweigert
Der Erzbischof von Paris und Primas von Frankreich ist plötzlich kein General mehr ohne Armee und die Kirche wird plötzlich nicht mehr als schwunglos und in Selbstauflösung wahrgenommen. Dazu gehört auch eine in der Vergangenheit kaum mehr wirklich gekannte Einigkeit der Bischofskonferenz. Eine Einigkeit, die dem Vorgänger von Kardinal Vingt-Trois, Kardinal Jean-Marie Lustiger während dessen gesamter langer Amtszeit von 1981 bis 1995 nie gewährt wurde. Als Mann Papst Johannes Pauls II. wurde er in der französischen Bischofskonferenz allein gelassen.
Wie der König von Frankreich den Titel eines „Erstgeborenen Sohnes der Kirche“ führte, so galt die Kirche von Frankreich als Erstgeborene Tochter Roms. Gelingt ihr tatsächlich der Wandel zu einer „kreativen Minderheit“ im Sinne Benedikts XVI., die das Christentum wieder zum Sauerteig macht, kann sie diesen Ehrenplatz wieder einnehmen. Auch, wenn sie in dieser Welt durch Mehrheitsentscheidungen „besiegt“ werden sollte.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: ssedro/flickr.com
Die ganze Natur ist „katholisch“, will sagen, alles in der Natur spricht für das Naturrecht ( und damit für das katholische Weltbild).
Und der Satan bekämpft genau diese Ordnung, um möglichst viel Leid zu provozieren.
Jede Ideologie ist ihm dabei hilfreich.
Hoffentlich hält dieser Trend an. Dass das einstmals katholische Frankreich auf einen solchen Tiefstand gefallen ist, kommt nicht von ungefähr. Gemeinsam mit den Bischöfen aus dem deutschen Sprachraum und den Niederländern und Belgiern waren die französischen Bischöfe die Progressisten während des II. Vatikanums, heftig wütete in Frankreich ‚der Geist des Konzils‘. Der Glaubenspräfekt Ratzinger konnte sich vor etlichen Jahren gegen die französische Bischofskonferenz nicht durchsetzen mit seiner Forderung, dass die schlechten Katechesen, die in Frankreich üblich waren, ersetzt werden durch die rechtgläubige Lehre.
Dennoch darf das „Prinzip der Kollegialität“, die Macht der Bischofskonferenzen gegenüber dem Papst und dem einzelnen Bischof, festgeschrieben während des Konzils, nicht revidiert werden. Ohne das Konzil hinsichtlich des Bruchs mit der Tradition zu überprüfen, wird es keine Erneuerung geben. Auch wenn die einzelnen Maßnahmen des Heiligen Vaters durchaus zu würdigen sind.
Im Unterschied zur Kirche in Deutschland ist diejenige in Frankreich an einem Punkt angelangt, an dem sie sich selbst nichts mehr vormachen kann. Hingegen betrügt sich die deutsche Kirche immer noch selbst mit der hohen Anzahl von Kirchensteuerzahlern, die ‑aus welchem Grunde auch immer- nicht ihren förmlichen Austritt aus der Kirche erklären. In Deutschland hat man immer noch Angst, diese zu verlieren, wohingegen die Kirche in Frankreich in diesem Sinne nichts mehr zu verlieren hat.
Das Christentum ist ja auch weder eine Buchreligion, noch eine Moralreligion und die Bibel ist kein Gesetzbuch wie der Koran.
Solange Christen das nicht kapieren wird das genau gar nichts. Denn auch „an die Bibel glauben“ kann ein Aberglauben sein. Die Wahrheiten in der Bibel sind jenseits von Morallehren.
Templarii
Darf man träumen? – Man darf!
Und hoffen darf man auch!
Und ich hoffe, dass Frankreich ein Vorreiter sein könnte für eine ähnliche Entwicklung auch in unserem Land.
Zu schön, um wahr zu sein?
Wie gesagt – man darf träumen! Und hoffen!
Und b e t e n !