(Rom) In ihrem jüngsten Aufsatz skizziert die katholische Historikerin Cristina Siccardi das Leben eines heute weitgehend unbekannten Heiligen, der jedoch zu Lebzeiten eine bekannte und durchdringende Größe war. Sein persönliches Leben war das eines Büßers, es bestand aus radikaler Armut, Demut und Abtötung. Nach außen wirkte er als wortgewaltiger Prediger, durch den Gott die Menschen wachrüttelte und zur Bekehrung führte. Als er im Alter von 22 Jahren den Rock des Heiligen Franz von Assisi anlegte, gehörte sein Leben ganz der Rettung der Seelen und dem Kampf gegen die Häresien seiner Zeit. Von da an soll er seine Schuhe und Sandalen ausgezogen haben und zeitlebens barfuß gegangen sein, im Sommer wie im Winter. Ein Beispiel radikaler Entweltlichung. Die Erstveröffentlichung erfolgte für „Corrispondenza Romana“.
.
Ein exkommunizierter Heiliger: Giacomo della Marca
von Cristina Siccardi
Die Zeit, die der protestantischen Reform vorausging, war auch durch das solide und grandiose Werk einiger Prediger geprägt, unter denen einer wirklich groß war und sogar exkommuniziert wurde. Er hieß Jakobus von der Mark (Giacomo della Marca, 1393–1476). Sein liturgischer Gedenktag fällt auf den 28. November. Zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert wurde die Kirche von innen heraus korrumpiert, während gleichzeitig viele Häretiker Glauben und Lehre betrogen. Während der Boden bereitet wurde, auf dem dann der Häresiarch Luther handeln konnte, brachten diese unerschrockenen Prediger zumindest ein bißchen Halt und Ordnung.
Das Leben eines Büßers
Jakobus von der Mark wurde in Monteprandone bei Ascoli Piceno in den mittelitalienischen Marken als Domenico Gangala geboren, einem Gebiet, das Kaiser Karl der Große 774 der Oberhoheit des Papstes übertragen hatte. Im Alter von 22 Jahren zog Jakobus in Santa Maria degli Angeli in Assisi die grobe Kutte der Franziskaner an, die er aus der Hand des Heiligen Bernhardin von Siena erhielt. Sein Leben war geprägt von extremer Buße. Er unterzog sich in seinem Leben als Büßer sieben vierzigtägigen Fastenzeiten im Jahr, während an den anderen Tagen seine Mahlzeiten aus einer Schüssel Saubohnen bestanden, die im Wasser gekocht wurden.
Wegen seines Büßerlebens von schwacher Gesundheit und krankheitsanfällig – er empfing sechs Mal die Letzte Ölung – hielt er dennoch an seinem entbehrungsreichen Leben eines Wanderpredigers fest. Eine einzige Sache fürchtete er in seinem Leben, daß ihn der physische Schmerz ablenkt und vom Gebet abhält.
Schüler des Heiligen Bernhardins von Siena
Durch die Katechesen des Heiligen Bernhardin, um den sich weitere tüchtige Prediger formten, wie der Heilige Johannes Capistranus, der Selige Albert von Sarteano oder der Selige Matthäus von Girgenti, veränderte Jakobus die Stimmtechnik und die Gesten, aber auch die Inhalte und die Gliederung seiner Predigt. Die Behandlung von ethisch-politischen Themen wurde bevorzugt und dafür Material aus den Texten der Moraltheologie und des Kirchenrechts herangezogen. Er machte reichlichen Gebrauch von Exempla, Beispiele, die häufig auf dramatische Weise dargelegt wurden. Meist gebrauchte er die Volkssprache. Er setzte sich für die Verbreitung der Verehrung des Heiligsten Namens Jesu ein und widersetzte sich beharrlich einigen verbreiteten, in seinen Predigten daher wiederkehrenden Mißständen: abergläubische Praktiken, Überfluß und Luxus, das Spiel, das Fluchen und den Wucher. Von ihm stammt die Idee der Monti di Pietà , um die Opfer der Wucherer zu befreien (aus diesem ursprünglichen Kampf der Franziskaner gegen die Wucherer ging das europäische Bankwesen hervor).
Das Leben eines wandernden Bußpredigers
Jakobus Predigten sind wie Donnerschlag, der auch die widerspenstigsten Geister wachrüttelt. Sie nähren sich aus der Heiligen Schrift, die er häufig zitiert. Doch der Heilige holt sich Anregungen auch aus Dantes anschaulichem Monumentalwerk der Göttlichen Komödie. Keiner macht ein Schläfchen oder läßt sich durch eigene Gedanken ablenken, wenn er seinen Predigten von außerordentlicher Durchschlagskraft beiwohnt, die auch eine theatralische Note hatten, die aber sehr häufig ihr eigentliches und letztlich einziges Ziel erreichen: zu bekehren.
Jakobus von der Mark gilt als ein ungewöhnlicher Franziskaner. Er sticht durch seine Vornehmheit heraus. Selbstsicher und entschlossen weiß er Liebe und Feuer des göttlichen Gerichts zu vereinen. Er ist ein strenger, aber barmherziger Theologe und Inquisitor. Seine Predigten lösen unter den Gläubigen nicht nur größte Aufmerksamkeit und mitreißende Begeisterung aus, sondern führen auch zu konkreten Reformen der damals für das Leben der Menschen so wichtigen Statuten mehrerer Städte und zur Gründung zahlreicher Bruderschaften, wodurch er erste Grundsteine zum katholischen Verbandswesen legte. Von 1423 bis 1425 predigt er in mehreren Schüben in der Gegend von Jesi, wo sich die Häresie der Fratizellen ausbreitete, die aus den häretischen Spiritualen hervorgegangen war. 1426 beauftragte ihn Papst Martin V. in ganz Italien gegen diese Sekte zu predigen und gab ihm den Mitbruder Johannes Capistranus zur Seite.
Rettung der Seelen und Kampf den Häresien
1432 wird er nach Mitteleuropa geschickt und die Erfolge lassen nicht auf sich warten. Ende 1435 ruft ihn Kaiser Sigismund von Luxemburg, der auch König von Ungarn war, an seine Residenz in Tata (deutsch Totis) am Weg zwischen Wien und Budapest, kaum 70 Kilometer von der heutigen ungarischen Hauptstadt entfernt. Giacomo della Marca soll dem Kaiser als Berater zur Seite stehen bei dem Treffen mit der Delegation des Konzils von Basel und den Vertretern des Königreichs Böhmen, wo noch die hussitische Häresie virulent war. Von da an dehnt sich sein Kampf gegen die Häresie über das ganze Gebiet vom heutigen Bosnien bis in die Slowakei aus, wo er gegen die Hussiten predigt, die auf der Flucht aus Böhmen dort hinkamen.
Kaiserlicher Berater, päpstlicher Nuntius, Konzilslegat
Im August 1436 ernannte ihn der Papst zum Inquisitor Österreichs und Ungarns und übertrug ihm weitreichende Befugnisse. Dazu gehörte auch das Recht, in diesen Ländern neue Klöster zu errichten. Die Unterstützung durch den Kaiser und den Papst und der Titel eines Legaten des Konzils von Basel reichen allerdings nicht aus, um ihm die Unversehrtheit und Sicherheit zu garantieren. Er erlebt schwere Verfolgung durch den örtlichen Klerus, der sich in seinem teils lasterhaften Leben gestört fühlt. Man versucht ihn mehrmals umzubringen, und der Erzdiakon von Bacs (heute an der Grenze zu Serbien) exkommunizierte ihn sogar. Giacomo della Marca übernimmt auch die Aufgabe, zugunsten des Kreuzzuges gegen die Türken zu predigen. Zu diesem Zweck wurde er 1443 von Papst Eugen IV. zum Apostolischen Nuntius ernannt.
1664 seliggesprochen, 1723 heiliggesprochen
Schließlich will man ihn sogar zum Erzbischof von Mailand machen und auf die Kathedra des großen Kirchenvaters Ambrosius setzen, doch er lehnt entschieden ab. Zu den Aktivitäten am Ende seines Lebens gehört die Errichtung einer umfangreichen Bibliothek im Kloster Santa Maria delle Grazie in Monteprandone, das er 1449 in seinem Geburtsort gegründet hatte. Dem Heiligen gelang es, 200 Codices zu sammeln. Die Bibliothek wurde zur Werkstatt des Predigers, in der er seine Homilien vorbereitete. Noch heute finden sich dort seine Entwürfe und Notizen, seine Exempla, seine Verweise auf die Heilige Schrift und auf die theologischen und kanonischen Texte. 1476 stirbt er in Neapel, wo er auch begraben wurde. 1664 erfolgt durch Papst Urban VIII. seine Seligsprechung und 1723 durch Papst Benedikt XIII. seine Heiligsprechung. 2001 schließlich wurden seine sterblichen Überreste von Neapel in „sein“ Kloster in Monteprandone überführt.
Sein ganzes Leben widmete er nach innen der persönlichen Buße und nach außen der Bekämpfung der Irrtümer und dadurch der Rettung der Seelen. Heute, unter der Tyrannei des Relativismus, würde der Heilige Giacomo della Marca nicht als Kämpfer für den Glauben gesehen, sondern wahrscheinlich als fanatischer Störenfried, der als „Ärgernis“ zu exkommunizieren wäre, wie es bereits zu seiner Zeit jemand versuchte.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Wikicommons
Danke an Frau Siccardi! Ausgezeichneter Artikel.
Danke auch für die Übersetzung!
Auch als an Kirchengeschichte Interessierter kannte ich den hl. Jakobus nicht. Offenbar werden solche Leute von der akademischen Theologie, der schreibenden Zunft und der homiletischen Praxis unter Verschluß gehalten.
So einen Lebensstil wird man heutzutage kaum einfach imitieren können, aber Lehren kann man aus diesem Leben sehr wohl ziehen.
Danke für diesen Artikel!
Ich bin Franziskaner. Bei meinem Ordenseintritt vor 20 Jahren habe ich den hl. Jakobus von der Mark zu meinem Patron gewählt. Ich hatte damals nur spärliche Informationen über meinen Namenspatron und zugegeben deshalb auch bis heute keine so richtige Beziehung zu diesem Heiligen. Dass er ein ausgezeichneter, wortgewaltiger Prediger war, sich für ein Bankwesens ohne Wucherzinsen stark machte und als barmherziger Inquisitor galt, war mir bekannt. Welchen Repressalien er ausgesetzt war aufgrund seines kompromisslosen Einsatzes für die reine katholische Lehre, war mir neu. Mit seinem Mut und Bekennertum gegen allen Zeitgeist unerschrocken aufzutreten ist er ein Wegweiser auch für unsere Zeit. Ich bin dankbar einen solchen Patron und Fürsprecher zu haben und werden ihn sicherlich in Zukunft öfter um seine Hilfe anrufen.