(Paris) Es mag sein, daß manches Kreuzzeichen, das bei Wettkämpfen auf dem Sportplatz gemacht wird, mehr ein abergläubischer Gestus als ein wirklicher Glaubensakt zu sein scheint. Die persönliche Frömmigkeit hat jedoch unterschiedlichste Ausprägungen und sollte als solche respektiert werden. Jedenfalls ist es allemal besser, wenn Sportler zum Kreuz Zuflucht nehmen, als zu etwas anderem. Das Kreuzzeichen und jede andere religiöse Ausdrucksform im Sport zu verbieten, ist in jedem Fall ein Akt präpotenter Willkür.
Das aber soll in Frankreich durchgesetzt werden. Die Association des maires de France (AMF), in der die Mehrheit der Bürgermeister Frankreichs organisiert ist, verschickte ein Rundschreiben mit zahlreichen „Empfehlungen“, die den Gemeindeoberhäuptern „helfen“ sollen, die laizistische Staatsdoktrin Frankreichs im täglichen Leben umzusetzen. Diese „Propositions des maires de France en faveur de la laï cité“ betreffen vor allem die Schule einschließlich der Kindergärten und die Sportveranstaltungen.
Kreuzzeichen fällt ausdrücklich unter die Verbotsempfehlungen
Besonders den Sportlern, ob Profis, Dilettanten oder auch nur den Schülern beim Schulsport wird ausdrücklich verboten, bei den Wettkämpfen oder Fußballspielen zu beten oder auf dem Sportplatz religiöse Zeichen zu zeigen. Das Kreuzzeichen fällt explizit auch unter dieses Verbot. Die Bestätigung kam am 24. Juni von Patrick Molinoz, dem stellvertretenden AMF-Vorsitzenden und Co-Präsidenten der Arbeitsgruppe Laizität der Bürgermeistervereinigung. Molinoz nannte als Negativbeispiel einen Fußballer, der vor dem Betreten des Spielfeldes ein Kreuzzeichen macht und verglich ihn mit verschleierten Sportlerinnen, wie sie der Weltfußballverband FIFA erlaubt.
Molinoz wörtlich in einer Presseerklärung: „Eine Gemeinde kann keine Veranstaltung subventionieren, in der ein kultischer Charakter zum Ausdruck kommt, auch dann nicht, wenn es sich um einen traditionellen handelt und dieser im Rahmen von kulturellen Initiativen oder Festen erfolgt“.
Der Vergleich mit verschleierten moslemischen Frauen zeige die Schizophrenie der französischen Einwanderungspolitik, so No Cristianophobie. Einerseits werde die undifferenzierte Einwanderung gefördert, gleichzeitig wolle man aber den Einwanderern deren Religion und damit Teil ihrer Identität verbieten. Dahinter stehe vor allem ein Kampf gegen das Christentum in Frankreich, eben ein Kampf gegen die Religion.
AMF-Vorsitzender Sohn eines Großmeisters des Großorients von Frankreich
Médias-Presse-Info berichtete zu diesem Vorstoß, daß François Baroin, der Vorsitzende der Bürgermeistervereinigung AMF, der Sohn eines Großmeisters des Großorients von Frankreich (Grand Orient de France) ist, des größten und einflußreichsten Freimaurerbundes in Frankreich. „Wir wußten nicht, daß die Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs ein Zweig der Freimaurerei ist“, so die Nachrichtenagentur.
Patrick Molinoz, seit 2001 Bürgermeister im burgundischen 3.000-Einwohnerort Venarey-les-Laumes gehört dem Parti radical de gauche (PRG) an, einer radikal linksliberalen Partei, deren Tradition auf die 1901 gegründete Radikale Partei (PR) zurückgeht. Jene Partei, die 1905 in einem harten Kulturkampf das radikallaizistische Gesetz der Trennung von Staat und Kirche durchsetzte, mit dem die katholische Kirche aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen werden sollte. Das Gesetz bildet seither die laizistische Staatsdoktrin Frankreichs.
Der Einfluß der Radikalen
Die Association des maires de France wurde 1907 vom damaligen Bürgermeister von Nantes, Paul-Émile Sarradin, gegründet. Auch Sarrandin gehörte der Radikalen Partei an, die mit vollem Namen Republikanische, Radikale und Radikal-sozialistische Partei hieß. Bis 1940 waren die Radikalen im Bündnis mit der politischen Linken und ab 1936 in der Volksfront meist an der Regierung und ein bestimmender Faktor in der Dritten Republik.
Das gilt auch für die Zeit der Vierten Republik nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Regierungsübernahme von Charles de Gaulle im Jahr 1958. Anfang der 1970er spaltete sich die Partei in einen linken und einen rechten Flügel, die seither an allen jeweiligen Links- oder Rechtsregierungen beteiligt waren. Der linke Flügel ist im Parti radical de gauche (PRG) organisiert, der rechte Flügel verließ 2012 nach der Wahlniederlage von Staatspräsident Sarkozy dessen UMP und ist heute ein Teil der liberal-christdemokratischen und pro-europäischen Union des démocrates et indépendants (UDI). Von den Radikalen, ob links oder rechts, heißt es in Frankeich, sie seien heute klein, aber mächtig.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: CR/AMF (Screenshot)