(Heidelberg) Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) veröffentlichte heute den „Conflict Barometer 2008“ mit aktuellen Daten und Analysen zum diesjährigen globalen Konfliktgeschehen.
Unter den insgesamt 345 beobachteten Konflikten zählen die Politikwissenschaftler 39 hochgewaltsame
Auseinandersetzungen, darunter neun Kriege. Hinzu kommen 95 gewaltsame Krisen, d.h. Konflikte, in denen
sporadisch Gewalt eingesetzt wird. Im Vorjahr hatte die Zahl der hochgewaltsamen Konflikte mit 32, darunter sechs Kriege, deutlich niedriger gelegen, was eine beachtliche Deeskalation gegenüber 2006 dargestellt hatte. Obwohl 2008 weiterhin die Mehrheit der Konflikte (211 an der Zahl) friedlich ausgetragen wird, hat sich damit die Lage gegenüber dem Vorjahr deutlich verschlechtert.
Von den neun Kriegen werden je drei im Vorderen und Mittleren Orient sowie in Afrika geführt, zwei in Asien und einer in Europa: die Auseinandersetzung zwischen Rußland und Georgien, die im August zu einem Krieg eskalierte. Im Gegensatz zu diesem neuen und sehr kurzen Krieg sind vier der Kriege schon 2006 und 2007 mit diesem extremen Gewalteinsatz geführt worden, namentlich die Auseinandersetzung zwischen den Taliban und der vom Westen unterstützten Regierung in Afghanistan sowie die Konflikte in Darfur (Sudan), Somalia und Sri Lanka.
Der Konflikt in Darfur zwischen schwarzafrikanischen Rebellengruppen und der arabischdominierten Regierung, unterstützt von arabischen Reitermilizen, wird nun schon seit fünf Jahren als Krieg ausgetragen. Dieser Konflikt wird mit ausgesprochener Grausamkeit gerade auch gegenüber der Zivilbevölkerung geführt.
Ebenso wurde fast die Hälfte der ersten Krisen des Jahres schon seit dem Vorjahr oder noch länger auf diesem hohen Gewaltniveau ausgefochten. Dies weist auf eine besorgniserregende Verhärtung in vielen hochgewaltsamen Konflikten hin.
Am stärksten betroffen sind Afrika, der Vordere und Mittlere Orient sowie Asien und Ozeanien. In Afrika steigt die Zahl der kriegerischen Auseinandersetzungen von neun im Vorjahr auf zwölf, darunter drei Kriege. Vom Tschad über den Sudan, Äthiopien, Somalia, Kenia und in den Kongo erstreckt sich ein zusammenhängendes Krisengebiet, in dem verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen und zahlreiche Krisen verhängnisvoll ineinander greifen und sich wechselseitig verstärken. Im Vorderen und Mittleren Orient sind weiterhin der Irak, in dessen Norden nun auch noch ein Krieg zwischen der Türkei und der PKK ausgetragen wird, sowie Afghanistan die Brennpunkte der Gewalt.
Die schwerstbetroffene Krisenregion Asiens und Ozeaniens schließt an Afghanistan an: In Pakistan führen Islamisten sowie verschiedene Stämme Krieg gegen die Regierung, und Sunniten und Schiiten bekämpfen einander mit intensivem Gewalteinsatz. In der indisch-pakistanischen Grenzregion Kaschmir setzen Separatisten massiv Gewalt gegen die indische Regierung ein; die Region ist zwischen den beiden Atommächten umstritten. Massive Truppenaufgebote stehen einander gegenüber, die in diesem Jahr auch in einen mehrstündigen Schußwechsel verwickelt sind. Die Spannung an der Grenze nimmt nach den verheerenden Terroranschlägen von Mumbai weiter zu, als bekannt wird, daß die Attentäter aus Pakistan stammen.
Darüber hinaus toben in Nordostindien mehrere hochgewaltsame Auseinandersetzungen, und vor Indiens Südostküste tobt der Krieg zwischen den Befreiungstigern von Tamil Eelam und der srilankischen Regierung nun schon im dritten Jahr.
Die deutlichste Eskalation allerdings ist in Europa zu verzeichnen, wo im letzten Jahr kein einziger hochgewaltsamer Konflikt ausgetragen wurde und vier in diesem Jahr. Der Versuch der georgischen Regierung, mit einer großangelegten Offensive die Kontrolle über die abtrünnige Republik Südossetien wiederherzustellen, führt zu einer russischen Invasion bis kurz vor die georgische Hauptstadt Tiflis, in deren Zuge auch die separatistischen Milizen in der georgischen Provinz Abchasien ihren Kampf intensivieren.
Zusätzlich verüben islamistische Separatisten in den russischen Kaukasusrepubliken, insbesondere in Inguschetien, zahlreiche Terroranschläge.
(PM/ JB)