Möglicherweise um Kardinal Meisner zu unterstützen, änderten die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) e.V. und der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) e.V. ihre gemeinsame Stellungnahme zur Verabreichung der „Notfallkontrazeption“. Jegliche frühabtreibente Wirkung wird nun plötzlich geleugnet.
„Liebe KollegInnen, leider wird in diesen Tagen viel Unsinn über die Pillen danach, EllaOne und Pidana, verbreitet. Einzig richtig ist, dass beide Pillen den Eisprung verschieben und somit die Spermien keine Gelegenheit finden, eine Eizelle zu befruchten. Dabei ist Mittel der Wahl ellaOne, weil Ulipristalazetat es noch bis zur Follikelgröße von 18mm also kurz vor der Ovulation vermag, den Eisprung zu verschieben. Pidana mit Levonorgestrel vermag das nur bis 48 Stunden vor dem Eisprung.“
In einer gemeinsamen Stellungnahme 04/2012 wird deutlich vorsichtiger argumentiert. Wir dokumentieren hier die Stellen, die eine frühabtreibende Wirkungen zumindest nicht ausschließen und ersatzlos in der neuen Stellungnahme fehlen:
Zu LNG:
Wirkungsmechanismus: Für die LNGGabe in der ersten Zyklushälfte, mindestens 2 Tage vor dem präovulatorischen LH-Anstieg, wird als Wirkmechanismus eine Verzögerung oder Inhibierung des LH-Peaks und damit der Ovulation postuliert (Durand et al. 2001, Marions et al. 2004, Marions et al. 2002, Croxatto et al. 2004). Bei Einnahme nach dem präovulatorischen LH-Anstieg kann die Ovulation jedoch nicht mehr verhindert werden (Marions et al. 2002). Auch ließ sich zeigen, dass die LNG-Notfallkontrazeption die endometriale Entwicklung oder die Progesteron-Spiegel nach erfolgter Ovulation nicht beeinflusst (Marions et al. 2002). Die Implantation selbst blieb in In-vitro-Versuchen mit LNG unbeeinflusst (Latitkumar et al. 2007). Tierexperimentelle Studien bestätigten, dass LNG keinen Einfluss auf Fertilisierung oder Implantation hat (Müller et al. 2003, Croxatto et al. 2004). Die klinischen Daten bestätigen diese experimentellen Ergebnisse (Novikova et al. 2007).
Nach einer aktuellen Stellungnahme der FIGO (2011) besteht der Hauptwirkungsmechanismus von Levonorgestrel als „Pille danach“ in einer Unterdrückung oder Verschiebung der Ovulation.
Zu UPA:
Lutealphase und Endometrium: In einer placebokontrollierten Vergleichsstudie wurde die Wirkung von 10, 50 und 100 mg UPA in der frühen Lutealphase untersucht. Es zeigte sich eine erhebliche Verzögerung der endometrialen Reifung. Dieser Effekt ließ sich besonders signifikant durch Endometriumsbiopsien 4–6 Tage nach der Ovulation bei Einnahme von höheren Dosierungen mit 50 und 100 mg nachweisen (Stratton et al. 2010). Die Behandlung mit UPA führte zu einer signifikant dosisabhängigen Abnahme der Endometriumdicke sowie zu einer Zunahme von Progesteronrezeptoren im Endometrium. Ein kontrazeptiver Effekt auf das Endometrium ist jedoch für die gängigen Dosierungen der Notfallkontrazeption mit UPA (30mg) nicht nachgewiesen.
Zu UPA versus LNG:
Wirkmechanismus (UPA versus LNG): Der Wirkmechanismus beruht auf einer Hemmung der Follikelreifung und Ovulation ohne eine klinisch relevante Beeinflussung der Endometriummorphologie. Obwohl der wichtigste Wirkmechanismus zur Schwangerschaftsverhütung bei den beiden gängigsten Methoden (LNG und UPA) die Verhinderung der Ovulation ist, scheint das Zeitfenster zur Wirksamkeit von LNG von der Auswahl des dominanten Follikels bis zum beginnenden LH-Anstieg zu kurz zu sein. Für UPA konnte ein direkter hemmender Effekt auf den Eisprung auch in der späten Follikelphase bei bereits ansteigenden LH-Spiegeln nachgewiesen werden, einem Zeitraum, in dem Levonorgestrel keine zuverlässige Wirkung mehr zeigt (Brache et al. 2010). In dieser Phase ist die Konzeptionswahrscheinlichkeit besonders hoch. Die Unterschiede der Wirkmechanismen von UPA und LNG sind die Erklärung für die höhere Effektivität von UPA als Notfallkontrazeptivum in der frühen, aber auch der späten Follikelphase.