(Istanbul) Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I. widersetzt sich dem türkischen Vize-Präsidenten Bülent Arinc, der vorgeschlagen hatte, die Basilika Hagia Sophia von Trapezunt am Schwarzen Meer in eine Moschee umzuwandeln. „Es gibt keine Notwendigkeit für eine solche Umwandlung“, erklärte der griechisch-orthodoxe Patriarch, der vom örtlichen Imam der islamischen Gemeinschaft eine gewisse Unterstützung bekommt. Dieser machte darauf aufmerksam, daß es in der Stadt zahlreiche Moscheen gebe, die großteils leerstehen.
Wie die um einiges größere, weltbekannte Hagia Sophia von Istanbul, dem alten Konstantinopel, ist auch die Hagia Sophia von Trapezunt ein Museum. Die von der Regierung betriebene Islamisierung der Türkei setzt auf symbolträchtige Gesten. Dazu gehört auch der Vorschlag des stellvertretenden Staatspräsidenten Arinc, die Hagia Sophia der bis 1921 mehrheitlich von orthodoxen Griechen bewohnten Schwarzmeerstadt in eine Moschee umzuwandeln.
„Die türkische Regierung macht im Dialog mit den Minderheiten einen Schritt vorwärts und einen Schritt rückwärts“, kommentiert der Ökumenische Patriarch die schwierige Lage der Christen in der Türkei. Entsprechend zurückhaltend ist die Argumentation des Patriarchen, der aus einer Position der Schwäche handeln muß. Es sei besser, die Hagia Sophia als Musuem zu belassen, „damit steht sie allen Religionen und Konfessionen offen, als Moschee nur den Moslems“, so der Patriarch.
Die Basilika wurde in ihrer heutigen Gestalt während des Kaiserreichs Trapezunt errichtet, das unter dem Haus der Komnenen von 1204 bis 1461 an der Nordküste Anatoliens angrenzend an Armenien und Georgien Bestand hatte. Acht Jahre nach dem Fall Konstantinopels wurde am 15. August auch das vom Pontischen Gebirge geschützte griechische Kaiserreich am Schwarzen Meer von den Osmanen erobert. Sie ist sichtbares Zeugnis einer fast zweitausendjährigen Präsenz der Christen am Schwarzen Meer, die unter den moslemischen Osmanen schwer bedrängt und schließlich am Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Jungtürken ausgelöscht wurde, die ab 1916 auch an der Schwarzmeerküste die Christen, ob Griechen ‚Armenier oder Georgier ermordeten oder vertrieben. Jeder zweite Christ wurde im Zuge der brutalen Türkisierung durch ethnische Homogenisierung getötet.
1511 war die Basilika bereits einmal als Kirche entweiht und in eine Moschee umgewandelt worden. Als 1916 der antichristliche Genozid begann, war noch eine klare Mehrheit der Stadtbewohner Christen, vor allem Griechen und Armenier. Unter dem Kemalismus kam es nach der Zwangtürkisierung zur Herausbildung einer extremen Form des türkischen Nationalismus, der allerdings wegen seiner säkularen Ausrichtung die Hagia Sophia in ein Museum verwandelte.
Patriarch Bartholomäus I. stattete gestern der Basilika einen Besuch ab und traf mit dem Bürgermeister von Trapezunt, heute Trabzon genannt, zusammen. „Wir respektieren alle Moscheen und alle Gebetsstätten, doch in diesem Fall gibt es keine Notwendigkeit, die Hagia Sophia in eine Moschee umzuwandeln.“
Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft von Trapezunt, Zeki Baytar, reagierte verärgert auf Arincs Vorschlag: „Zuerst gilt es die Moscheen zu füllen, dann können wir, wenn nötig die Hagia Sophia in eine Moschee verwandeln.“
Vize-Präsient Arinc hatte noch im Januar 2011 bei einem Besuch bei Bartholomäus I. im Fanar mit Blick auf die kleine christliche Minderheit erklärt: „Als Regierung haben wir die Pflicht, die Bedürfnisse dieser unserer Staatsbürger zu befriedigen, die seit Jahrhunderten in diesem Land leben.“
In Trapezunt mit ihren fast 300.000 Einwohnern leben heute noch wenige Dutzend Christen. Am 5. Februar 2006 war hier der katholische Priester Andrea Santoro von einem jungen islamischen Nationalisten ermordet worden.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews