(Madrid/Vatikan) Die selbsternannten spanischen Indignados (die Empörten) mögen keinen katholischen Weltjugendtag. Da sie ihre ideologischen Vorbehalte nicht offen äußern wollen, verstecken sie sich zur „Konsensverbreiterung“ hinter der Kritik der „Verschwendung öffentlicher Gelder“ für ein Jugendtreffen, das „nur die Christen“ interessiere in einem Land, das vor dem finanziellen Kollaps stehe. Aus dieser staatsbürgerlichen „Wut“ heraus, wurde ein „großer Protestmarsch“ im Stadtzentrum von Madrid angekündigt, und das unmittelbar bevor Papst Benedikt XVI. mit den Jugendlichen aus der ganzen Welt zusammentrifft. Natürlich findet die Initiative breites mediales Echo. Wen wundert es: Seit bestimmte Kreise erkannt haben, welche Aufmerksamkeit ihnen die Medien schenken, sobald sie den Papst und die katholische Kirche angreifen, haben sie sich gewissermaßen auf den Nachfolger des Apostels Petrus spezialisiert und heften sich an seine Fersen. Wofür oder wogegen protestiert wird, spielt keine Rolle: Jeder Reise dieses Papstes geht – wie bei den großen Kinofilmen – eine große Marketingkampagne voraus, allerdings seitenverkehrt. Sollen die Filme in ein gutes Licht gerückt werden, soll Papst Benedikt XVI. hingegen in ein möglichst schlechtes Licht gerückt werden.
Dieser inzwischen eingespielte Mechanismus erklärt, warum eine in Wirklichkeit marginale und belanglose Protestinitiative ein solches Medienecho findet, die – ginge es nicht um den Papst – von denselben Medien keines Blickes gewürdigt würde.
Wer sind also die Indignados? Diese „Bewegung“ entstand sieben Tage vor den spanischen Regional- und Kommunalwahlen vom 23. Mai 2011. Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Zapatero wußte bereits vorher, daß er diesen Urnengang verlieren würde. Was er nicht wußte war, daß die Niederlage weit dramatischer ausfiel, als von ihm und seiner Partei befürchtet. Auf dem zentralen Platz Madrids forderten die Indignados angeblich im Schlepptau des „arabischen Frühlings“ (wie sie selbst und mit ihnen die Medien, stets bereit auch zu völlig unzutreffenden Vereinfachungen, behaupteten) eine demokratische Erneuerung für eine „gerechtere“ Gesellschaft und eine grundlegende Veränderung der „Strukturen“, die zur Wirtschaftskrise geführt hätten.
Einige Politikwissenschaftler machten bald darauf aufmerksam, daß diese Indignados ihre Manifeste fast wörtlich von den sozialistischen Diktatoren Lateinamerikas, Hugo Chavez und Evo Morales, abgeschrieben haben. Führende Indignados sind als linksextreme „Systemgegner“ polizeibekannt. Kurioserweise, doch ganz ihrer politischen Herkunft entsprechend, gehen die Indignados bei der Auswahl ihrer kritikwürdigen Objekte und Subjekte selektiv und einseitig vor. Sie kritisieren seit dem Frühjahr das System, das Spanien an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs gebracht habe, pflanzten ihre Zelte aber wohlweislich nicht vor dem Moncloa, dem spanischen Regierungssitz auf und kritisierten bisher mit keinem Wort den sozialistischen Regierungschef Zapatero. Die Indignados-Zelte stehen vor dem Sol, dem Sitz der konservativen Regionalregierung und dem Sitz der Volkspartei, der größten Oppositionspartei Spaniens.
Wohl auch nicht zufällig konzentrierten sich die bisher größten Indignados ‑Aktionen, die in gewalttätigen Ausschreitungen endeten, auf Barcelona, wo am 15. Juni das für Kataloniens Unabhängigkeit eintretende rechtsliberale und christdemokratische Parteienbündnis CiU nach Jahrzehnten den Sozialisten bei den Kommunalwahlen die Stadt zu entreißen drohte.
Die Erklärungen Rubalcabas, des Nachfolgers von Zapatero als Vorsitzender der Sozialistischen Partei (PSOE), der den Indignados sogar ein Büro am Parteisitz des PSOE anbot, zeigen die Sorge der Sozialisten, von links überholt zu werden. Tatsächlich wanderte ein Teil der früheren PSOE-Wählerschaft zu radikaleren Linksparteien ab, die eigentlich bereits von der politischen Bildfläche verschwunden schienen. Zu ihnen gehören viele „Mitglieder“ und Unterstützer der Indignados.
So drängt sich die Frage auf, gegen wen sich die „Empörten“ empören. Mit Sicherheit haben sie, laut der katholischen Journalistin Inma àlvarez, die Gaststättenbetreiber und Kaufleute und deren Kunden am Sol zur Empörung gebracht, die nach 80 Tagen „Empörung“ auf dem Platz und den anliegenden Häusern sogar eine Rattenplage erlitten, weil die Indignados sogar der städtischen Müllabfuhr den Zutritt zum Platz verweigerten. Schließlich gelang es den aufgebrachten Bürgern, daß die ungebetenen „Empörten“ ihre Zelte abbauten und an einem anderen Ort, ebenso wieder illegal, aufbauten. Am 4. August erhielt die Polizei endlich den Auftrag, das Gesetz auch gegenüber den Indignados durchzusetzen, natürlich unter lautem Protest der „empörten“ linksradikalen Parlamentsabgeordneten.
Gleichzeitig begann sich die „Bewegung“ zu verlaufen und zeigte deutliche Auflösungserscheinungen. So „heroisch“ scheinen dann selbst hartgesottene Indignados nicht zu sein, daß sie Lust haben bei Temperaturen von 40–45 Grad Celsius in einem Zelt in Madrid auszuharren. Doch dann bot sich ihnen eine große Gelegenheit. Jemand bot ihnen an, am Marsch gegen den Papst mitzumachen, der gerade in diesem Sommer ausgerechnet nach Madrid reist.
Die Präzisierung ist wichtig. Anders als von vielen Medien dargestellt, sind nicht die Indignados die Veranstalter des Anti-WJT-Marsches. Die Aktion geht von folgenden Gruppen aus: Redes Cristianas, einer marxistischen Gruppe, die vom katholischen Priester Evaristo Villar geleitet wird, der 1993 von seinem Orden, den Claretinern, ausgeschlossen wurde; Europa Laica, einer Organisation, die zum atheistischen Netzwerk in Europa gehört, das sich vor allem im Kampf gegen das Kreuz an öffentlichen Orten hervorgetan hat und in ihrer radikalen antiklerikalen Stoßrichtung blasphemische, atheistische „Prozessionen“ in der Hauptstadt Madrid organisiert, und gemeinsam mit dieser schließlich die Asociación Madrileña de Ateos y Librepensadores (die Madrider Vereinigung der Atheisten und Freidenker). Zu den flankierenden Gruppen gehören die inzwischen omnipräsenten Homosexuellenverbände. Der Renegat Evaristo Villar forderte die Strafverfolgungsbehörden auf, zu prüfen, ob der Papst in seinen Ansprachen nicht gegen spanisches Strafrecht verstößt, zum Beispiel wenn er gegen die Tötung ungeborener Kinder durch Abtreibung Stellung nimmt oder gegen die Homo-Ehe.
Die Organisatoren des Anti-Papst-Spektakels sind gewissermaßen „alte Bekannte“ des Papstes. Es sind dieselben, die bereits 2006 in Valencia und 2010 in Barcelona die Kampagne „Yo no te espero“ gegen Papst Benedikt XVI. organisierten. Die Ergebnisse waren zahlenmäßig zwar ausgesprochen enttäuschend, fanden aber überproportionalen Widerhall in einer wohlwollenden Presse.
Die erste Angriffslinie brach allerdings schnell zusammen. Die Kritik an der angeblichen „Verschwendung“ öffentlicher Gelder konnte von den Veranstaltern des Weltjugendtages schnell widerlegt werden. Sie rechneten öffentlich vor, daß sich der WJT selbst finanziert und zudem der Stadt Madrid sogar einen finanziellen Gewinn bringt.
Die zweite Angriffslinie, das Bündnis mit linksextremen Gruppen, darunter auch der diffusen Indignados-Bewegung, ist an die Reaktion der Medien und der spanischen Politik gekoppelt. Die Regierung Zapatero-Rubalcaba befindet sich in einer unbequemen Lage. Spanien befindet sich im Vorwahlkampf und die sozialistische Regierungspartei hat ein dringendes Bedürfnis, die Stimmen der radikalen Linken an sich zu binden. Papst Benedikt XVI. kommt, so gesehen, zu einem ausgesprochen ungünstigen Moment auf die iberische Halbinsel. Doch die Kirche setzt ihre Terminplanung nach anderen Kriterien fest als Parteizentralen. Die spanische Regierung braucht gleichzeitig den Weltjugendtag mit der Anwesenheit des Papstes, um Signale der Seriosität und der Stabilität in die Welt zu senden. Das Land braucht derzeit dringend ein positives Image. Ein Ergebnis dieser schizophrenen Situation zwischen gemäßigter und radikaler Linken ist die Ankündigung der sozialistischen Gewerkschaft UGT, ausgerechnet während der WJT-Tage einen Streik der öffentlichen Verkehrsmittel anzusetzen. Der ideologische Machtkampf innerhalb der spanischen Linken ist in vollem Gange und er hat eine antikirchliche Stoßrichtung.
„Die Erfahrung lehrt jedoch, daß es einem so großen internationalen Ereignis wie dem Weltjugendtag am Ende gelingen wird, alle lokalen Miseren zu überdecken und eine Million junger Katholiken Madrid eine Woche frischer Luft schenken wird“, so Inma àlvarez.
Text: Bussola Quotidiana/Giuseppe Nardi
Bild: madrid11.com