
Der amerikanische Journalist und Schriftsteller Rod Dreher, bekannt durch sein Buch „Die Benedikt-Option. Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft “ war auf Besuch in Frankreich, um sein neues Buch „Comment retrouver le goût de Dieu dans un monde qui l’a chassé“ (Originaltitel: Living in Wonder: Finding Mystery and Meaning in a Secular Age“, eine deutsche Ausgabe liegt noch nicht vor) vorzustellen. Dabei besuchte er auch die im Bau befindliche altrituelle Benediktinerabtei Sainte-Marie de La Garde in der Nähe von Agen, eine Tochtergründung der Abtei Le Barroux. Das Kloster wurde 2002 gegründet und 2021 zur Abtei erhoben. In seinem Blog schreibt Dreher, der als Methodist aufwuchs, sich dann zur katholischen Kirche bekehrte, aber wegen der Mißbrauchsskandale vor bald 20 Jahren orthodox wurde:
Die Rolle des Traditionalismus, und was sie nicht sein sollte
Von Rod Dreher
Als ich heute morgen zur Messe kam, fand ich die Kapelle absolut überfüllt vor und die Gläubigen quollen in die angrenzende Halle über. Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich hätte noch lange in ihre Gesichter blicken können. Die Sanftmut dieser Menschen vom Land, die sanfte, aber intensive Frömmigkeit. Ich dachte an den jungen Mann, François, den ich in Paris kennengelernt hatte. Er erzählte mir, daß er sich (aus dem Nichts) zum Christentum bekehrt hatte, nachdem er Jordan Petersons Vorträge über die Bibel gehört hatte. Er wird bald in das Priesterseminar der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Petrus eintreten. „Ich hoffe, daß die Vorsehung mir eines Tages erlauben wird, Jordan Peterson für das zu danken, was er mir gegeben hat“, sagte François. „Nun“, sagte ich, “die Vorsehung hat Sie heute morgen besucht: Ich kenne Jordan und würde mich freuen, eine Nachricht von Ihnen aufzunehmen und sie ihm zu schicken. Ich dachte, er würde in Ohnmacht fallen, aber er riß sich zusammen und erlaubte mir, eine Nachricht aufzunehmen, die von dem lieben Geistlichen in Bressons Verfilmung des „Tagebuchs eines Landpfarrers“ hätte gesprochen werden können. […]
Die Messe heute morgen war natürlich die tridentinische Messe mit dem gregorianischen Gesang. Als die Mönche das Kyrie sangen, schloß ich meine Augen und ließ es in mein Herz fließen. Diese heiligen Worte waren wie ein Adler, der über die Hügel und Täler meines Herzens flog. Ich konnte dem Gottesdienst mit einem englisch-lateinischen Missale folgen. Ich war überrascht zu entdecken, daß die traditionelle lateinische Messe die Psalmen genauso verwendet wie wir in der orthodoxen Kirche. Ein traditioneller Priester, den ich auf dieser Reise traf, fragte mich, ob ich als Katholik jemals an der überlieferten Messe in den USA teilgenommen hätte. Ich bejahte dies, wurde jedoch teilweise von der spürbaren Wut und Steifheit der Gemeinden entmutigt. Sie schienen sehr wütend auf die Kirche zu sein, und ich sah darin eine Versuchung für mich, da ich zu der Zeit auch mit Wut kämpfte. Eine sehr konservative Katholikin (aber keine Traditionalistin, wie sie hier genannt werden), die mit den Traditionalisten sympathisiert, mischte sich ein und sagte, daß sie das gleiche in einigen altrituellen Gemeinden hier in Frankreich gesehen habe.
Nun, in diesem Kloster herrschte heute überhaupt kein solcher Geist. Die Gemeinde bestand aus jungen Menschen mit kleinen Kindern, Menschen mittleren Alters und älteren Menschen. Als ich mit diesen katholischen Brüdern und Schwestern in Christus betete, spürte ich intensiv, warum Menschen wie sie die alte Messe lieben, und ich fühlte eine Welle der Wut und Traurigkeit darüber in mir aufsteigen, daß die Traditionalisten von ihrer eigenen Kirche und dem Papst so sehr verfolgt werden. Andererseits vermute ich, daß die Neuerer der Generation des Zweiten Vatikanischen Konzils die Bedrohung, die diese Messe für ihre progressistische Utopie darstellt, sehr wohl verstehen. Ich vermute, daß jeder junge Katholik, der die Art von Transzendenz und Feierlichkeit der gregorianischen Messe erlebt, die heute morgen auf dem Gipfel dieses Hügels gefeiert wurde, große Schwierigkeiten hätte, zum Tagesgeschäft zurückzukehren. In meinem Buch erkläre ich, daß wir die Verzauberung nicht erzwingen können, daß das Beste, was wir tun können, ist, uns darauf vorzubereiten, daß wir, wenn ein Komet über den Himmel zieht (d. h. wenn Gott uns ein Zeichen seiner Gegenwart gibt), ihn erkennen und darauf reagieren können. Glauben Sie mir, heute morgen ist ein Komet über die Hügelkuppe geflogen, und ich bin überzeugt, daß alle, die heute morgen den Gottesdienst gefeiert haben, besser vorbereitet nach Hause gegangen sind, um in der kommenden Woche Gottes Gegenwart in ihrer eigenen Welt wahrzunehmen.
Die heutige Lesung aus dem Evangelium war der Bericht des heiligen Matthäus über die Verklärung. Was für eine perfekte Illustration dessen, was ich unter christlicher Verzauberung verstehe! Auf dem Berg Tabor sahen Petrus, Jakobus und Johannes unseren Herrn von Licht umgeben und von Mose und Elija begleitet. Das heißt, sie beobachteten mit ihren Augen die volle Wahrheit der Wirklichkeit. Als Christ verzaubert zu sein, bedeutet also, in dem Bewußtsein zu leben, daß die ganze Welt in gewisser Weise ein Tabor ist, wenn wir in der Lage wären, sie so zu sehen, wie sie wirklich ist, – und aus diesem Bewußtsein heraus zu handeln. Ich mußte an den pilgernden Dante denken, der Beatrice während der Reise fragt, warum er sie nicht in der Fülle ihrer Herrlichkeit sehen kann. Sie warnte ihn, daß er das Licht nicht ertragen könnte, wenn sie sich ihm in diesem Zustand offenbaren würde. In der Orthodoxie glauben wir, daß wir die Gegenwart Gottes umso besser wahrnehmen können, je reiner unser Herz ist. Wenn Sie also die christliche Verzauberung erleben wollen, reinigen Sie sich. Das ist leicht gesagt, aber schwer getan. Glauben Sie mir, ich habe heute morgen über meine eigenen Kämpfe mit meinem sündigen Herzen gebetet. Die Fastenzeit ist dafür eine gute Zeit, nicht wahr?
Als ich vorhin mit dem Vater Abt über die Rolle der traditionalistischen Klöster in der heutigen katholischen Kirche in Frankreich sprach, erzählte er mit echter Nächstenliebe davon, wie er versucht, Brücken der Brüderlichkeit zu allen Katholiken zu bauen. Das hat mich beeindruckt, denn manchmal sind die Tradis, die ich kenne, verächtlich gegenüber ihren Brüdern des Novus Ordo (noch einmal, das ist eines der großen Dinge, die mich davon abgehalten haben, ein Traditionalist zu werden, als ich noch katholisch war). Was für ein Segen es war, dem Abt zuzuhören, wie er über einen Ort der großen Liebe sprach. Ein Segen und ein Vorbild.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: la-garde.org/ (Screenshot)