
(Mostar) Seit gestern, Sonntag, hat der emeritierte Bischof von Warschau, Msgr. Henryk Hoser, als Apostolischer Visitator sein neues Amt in der Pfarrei Medjugorje in der Herzegowina angetreten.
Damit hat der Vatikan faktisch die Kontrolle über die Pfarrei übernommen, in der seit 1981 die Gottesmutter erscheinen soll. Eine kirchliche Anerkennung steht bisher aus. Eine solche wird von Rom erwartet, nachdem der zuständige Ortsbischof von Mostar und die seinerzeitige Jugoslawische Bischofskonferenz bereits in den 80er bzw. frühen 90er Jahren ein negatives Urteil abgegeben hatten.
Msgr. Hoser hatte schon 2017 als Päpstlicher Sondergesandter Medjugorje visitiert, um dem Papst „pastorale“ Vorschläge für die Betreuung der Pilger zu unterbreiten, die in großer Zahl in das Bergdorf kommen. Medjugorje ist an Pilgerzahl der drittgrößte Wallfahrtsort Europas.
Im Mai erteilte Papst Franziskus Msgr. Hoser einen zweiten Auftrag im Zusammenhang mit Medjugorje. Er machte ihn zum Apostolischen Visitator. Die Ernennung kommt einer Vorentscheidung gleich, da Hoser sich im Vorjahr mit erstaunlicher Deutlichkeit positiv zu Medjugorje geäußert hatte.
In Kreisen der Medjugorje-Anhänger wird davon ausgegangen, daß die Emeritierung des zuständigen Ortsbischofs von Mostar im kommenden Jahr abgewartet wird. Danach könnte Papst Franziskus eine Anerkennung vornehmen. Unklar ist allerdings noch, was Rom anerkennen könnte. Die seinerzeit von Papst Benedikt XVI. eingesetzte „Ruini-Kommission“ soll die Vielzahl von Erscheinungen und Botschaften in zwei Gruppen unterteilt haben: in die ersten sieben Erscheinungen an den ersten Tagen und den großen Rest seither. Der Bericht der von Kardinal Ruini geleiteten Kommission wurde bisher aber nicht veröffentlicht. Viel bleibt daher Spekulation.
In Richtung der Zweiteilung hatte sich auch Msgr. Hoser geäußert. Wird Rom nur die ersten Erscheinungen, die noch keine Botschaft an die Welt beinhalten, anerkennen, und die Frage der Echtheit der Tausenden von anderen Erscheinungen und Botschaften offenlassen. Dafür spricht, daß das Erscheinungsphänomen noch nicht abgeschlossen ist. Daher könnte auch eine Letztentscheidung in die Zukunft verlegt werden bis zum Zeitpunkt, da die Erscheinungen ein Ende gefunden haben werden.
Tatsache ist, daß Papst Franziskus sich mehrfach negativ über die Botschaftenflut und eine Gottesmutter äußerte, die als Poststellenleiterin auftritt. Tatsache ist aber auch, daß Rom die große Zahl der Medjugorje-Pilger nicht vor den Kopf stoßen will. Rom bevorzugt, soviel steht fest, einen „behutsamen“ Weg.
Mit dem Amtsantritt von Bischof Hoser ist Medjugorje faktisch aus der Diözese Mostar herausgenommen und dem Heiligen Stuhl unterstellt worden. Die Maßnahme betrifft aber nicht nur den Ortsbischof, der Medjugorje negativ gegenübersteht, sondern auch den Franziskanerorden. Auch ihm wurde die Letztverantwortung entzogen, die nun bei Rom liegt.
Dieser „Diszipinierungsaspekt“ in alle Richtungen dürfte in der Gesamtfrage maßgeblich bei den weiteren Schritten Roms sein, aus Medjugorje eine direkt dem Heiligen Stuhl unterstellte, internationale Gebetsstätte zu machen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Timone