Papst Franziskus lädt zum neuen Treffen der „Volksbewegungen“ – mit Vandana Shiva


Vandana Shiva im Vatikan. Die Öko-Guru war Rednerin beim Dritten Internationalen Treffen der Volksbewegungen, zu dem Papst Franziskus eingeladen hat
Vandana Shiva im Vatikan. Die Öko-Guru war Rednerin beim Dritten Internationalen Treffen der Volksbewegungen, zu dem Papst Franziskus eingeladen hat

(Rom) Die­ses Mal war es nicht Evo Mora­les, weder als Staats­prä­si­dent von Boli­vi­en noch als Coca­le­ro (Koka­bau­er), der Papst Fran­zis­kus die Auf­war­tung mach­te. Es war auch nicht Sena­tor Ber­nie San­ders der geschei­ter­te Links­au­ßen-Bewer­ber um die Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur der Demo­kra­ti­schen Par­tei in den USA. Dabei wären Mora­les und San­ders  ger­ne gekom­men, muß­ten aber auf­grund ande­rer Ver­pflich­tun­gen absa­gen. Es wur­de Ersatz gefun­den. Am drit­ten inter­na­tio­na­len Tref­fen der  „Volks­be­we­gun­gen“, zu dem Papst Fran­zis­kus ein­ge­la­den hat, und das vom 2.–5. Novem­ber in Rom statt­fin­det, nimmt die Inde­rin Van­da­na Shi­va teil, die der­zeit „am mei­sten beweih­räu­cher­te Guru des Öko­lo­gis­mus“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Beweihräucherte Öko-Guru

Anzei­ge

Shi­va wird von den einen beweih­räu­chert, wäh­rend sie ande­re für eine „noto­ri­sche Hoch­stap­le­rin“ hal­ten. Vor zwei Jah­ren zer­pflück­te die bekann­te „libe­ral“ Zeit­schrift The New Yor­ker die The­sen der Öko-Guru. Micha­el Spec­ter, ehe­ma­li­ger Kor­re­spon­dent der New York Times aus Rom und aus Mos­kau, ließ in sei­nem Arti­kel „Seeds of Doubt“ (Samen des Zwei­fels) „prak­tisch nichts mehr davon übrig“, so Magi­ster, ange­fan­gen bei Van­da­na Shi­vas Behaup­tung, die Moder­ni­sie­rung der Land­wirt­schaft habe in Indi­en zu einer enor­men Selbst­mord­wel­le unter ver­zwei­fel­ten Bau­ern geführt.

Van­da­na Shi­va ant­wor­te­te auf die Kri­tik mit einem Rund­um­schlag. Jeder, der nicht so den­ke wie sie, so ihre Unter­stel­lung, ste­he im Sold mul­ti­na­tio­na­ler Kon­zer­ne. Dar­auf repli­zier­te wie­der­um der Chef­re­dak­teur des New Yor­ker, David Rem­nick, mit einer noch schär­fe­ren Kri­tik an der Öko-Guru.

Unbe­ein­druckt ver­brei­tet Van­da­na Shi­va wei­ter­hin ihre apo­ka­lyp­ti­schen The­sen, unfä­hig, ihre Kri­tik zwi­schen Ver­tei­di­gung des Bau­ern­stan­des und gene­tisch ver­än­der­ten Orga­nis­men (GVO), zwi­schen ver­tret­ba­rer grü­ner Gen­tech­nik und inak­zep­ta­bler Schaf­fung von Mono­po­len und Kon­zern­ab­hän­gig­kei­ten zu dif­fe­ren­zie­ren. Unbe­ein­druckt scheint sie auch von der Tat­sa­che, daß Indi­en, das 1966 noch 11 Mil­lio­nen Ton­nen Getrei­de impor­tie­ren muß­te, um die eige­ne Bevöl­ke­rung ernäh­ren zu kön­nen, heu­te einen Über­schuß von 200 Mil­lio­nen Ton­nen produziert.

Mitarbeit an Öko-Enzyklika Laudato si

Der Applaus bestimm­ter Umwelt­schüt­zer, beson­ders jener, die aus ihrem „grü­nen Bewußt­sein“ eine Mode gemacht haben, ist ihr sicher. Die­sel­ben Leu­te sehen in der Öko-Enzy­kli­ka Lau­da­to si den Schul­ter­schluß durch Papst Fran­zis­kus vollzogen.

Van­da­na Shi­va kann über die Agen­tur Cele­bri­ty Talent Inter­na­tio­nal (CTI) gebucht wer­den. Ihr Auf­tritt kostet im Durch­schnitt 20.000 Dol­lar. Im Ver­hält­nis eine Klei­nig­keit, wenn man bedenkt, daß man für die gei­sti­gen Ergüs­se des ehe­ma­li­gen US-Prä­si­den­ten Bill Clin­ton 200.000 Dol­lar hin­blät­tern muß. Ob auch Papst Fran­zis­kus für Van­da­na Shi­va zah­len muß, ist nicht bekannt.

Drittes Treffen der Volksbewegungen
Drit­tes Tref­fen der Volksbewegungen

Im Vati­kan sag­te Van­da­na Shi­va jeden­falls, daß Papst Fran­zis­kus „die Stim­me gegen Öko­zid und Geno­zid“ sei. In einem Inter­view ent­hüll­te sie, bereits im Vor­feld der Öko-Enzy­kli­ka Lau­da­to si kon­tak­tiert wor­den zu sein und in „klei­nen Arbeits­grup­pen“ an der Aus­ar­bei­tung mit­ge­ar­bei­tet zu haben.

Mit­te Okto­ber ver­an­stal­te­ten Öko-Akti­vi­sten in Den Haag einen thea­tra­li­schen Schein­pro­zeß gegen die Bio­tech-Gigan­ten Monsan­to. Der Pro­zeß fand nicht vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof statt, der sich  auch in nie­der­län­di­schen Stadt befin­det. Die Öko-Akti­vi­sten hat­ten ihren eige­nen „inter­na­tio­na­len“ Öko-Gerichts­hof insze­niert, in des­sen Mit­tel­punkt die Ober­rich­te­rin Van­da­na Shi­va war. Das Urteil in die­sem Pseu­do­pro­zeß stand natür­lich bereits vor Pro­zeß­be­ginn fest. Monsan­to wur­de in Abwe­sen­heit wegen „Öko­zid“ ver­ur­teilt. Auch die Straf­tat, die geahn­det wur­de, war frei erfunden.

Monsan­to ist ein 1901 in den USA gegrün­de­tes Che­mie­un­ter­neh­men, das Sac­cha­rin, Kof­fe­in und Vanil­lin her­stell­te. 1927 erfolg­te der Bör­sen­gang. Die Palet­te reich­te von der Her­stel­lung von Insek­ti­zi­den, Pesti­zi­den, Her­bi­zi­den bis zu Dün­ge­mit­teln. Seit Anfang der 1980er Jah­re kon­zen­triert sich der Kon­zern auf die Bio­tech­no­lo­gie durch gen­tech­ni­sche Ver­än­de­rung von Pflan­zen­tei­len. 1983 stell­te Monsan­to für den ersten gen­tech­nisch ver­än­der­ten Orga­nis­mus einen Patent­an­trag. 1987 erfolg­ten die ersten Feld­ver­su­che. 1994 brach­te Monsan­to das erste bio­tech­no­lo­gisch her­ge­stell­te Pro­dukt, ein Wachs­tums­hor­mon zur Stei­ge­rung der Milch­pro­duk­ti­on von Kühen, auf den Markt. 1997 stieg Monsan­to in die Her­stel­lung von gen­tech­nisch ver­än­der­tem Saat­gut ein. Dem Kon­zern wir vor­ge­wor­fen, über gen­ver­än­der­tes Saat­gut und Pflan­zen Tei­le der welt­wei­ten Land­wirt­schaft unter sei­ne Kon­trol­le brin­gen zu wol­len. Im Okto­ber wur­de die Über­nah­me von Monsan­to durch die Bay­er AG bekannt, die noch kar­tell­recht­lich geprüft wird.

tierra, techo, trabajo

Unter den „Geschwo­re­nen“ der Pro­zeß­far­ce von Den Haag befand sich auch Car­lo Pet­ri­ni, der Grün­der von Slow Food und ein unter Papst Fran­zis­kus beim Osser­va­to­re Roma­no gern gese­he­ner Autor. Zu den Anklä­gern gehör­te Gil­les-Eric Séra­li­ni, der bis­her ein­zi­ge For­scher, der in einer Stu­die eine gesund­heits­schä­di­gen­de Wir­kung von GVO fest­ge­stellt haben will. Die Stu­die wur­de von ihm selbst zurück­ge­zo­gen, da sie nicht wis­sen­schaft­li­chen Stan­dards genüg­te. Sei­ne Mei­nung änder­te sich des­halb aller­dings nicht.

Drei T
Drei T

Papst Fran­zis­kus stell­te bei den bis­he­ri­gen Tref­fen der „Volks­be­we­gun­gen“ die drei „T“ in den Mit­tel­punkt: tier­ra, techo, tra­ba­jo (Land, Haus, Arbeit). Schwer­punkt des der­zeit statt­fin­den­den drit­ten Tref­fens ist das erste „T“: tier­ra – und die Gesundheit.

Die Vor­stel­lung des drit­ten Tref­fens erfolg­te durch den argen­ti­ni­schen Sozi­al­ak­ti­vi­sten Juan Gra­bo­is im Pres­se­saal des Vati­kans. Gra­bo­is war am ver­gan­ge­nen 11. Juni von Papst Fran­zis­kus zum Con­sul­tor des Päpst­li­chen Rates Ius­ti­tia et Pax ernannt wor­den. Er gehört zum eng­sten Kreis der Argen­ti­ni­er um Papst Fran­zis­kus. Der Dozent für Staats­theo­rie an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Argen­ti­ni­en, deren Rek­tor der Papst-Ghost­wri­ter Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez ist, steht an der Spit­ze der Bewe­gung der aus­ge­schlos­se­nen Arbei­ter (MTE). Gra­bo­is, der wie sein Vater als über­zeug­ter Mar­xist gilt, gehört zu den Orga­ni­sa­to­ren der inter­na­tio­na­len Tref­fen der „Volks­be­we­gun­gen“.

Für den mor­gi­gen Abschluß­tag ist wie­der mit einer „kilo­me­ter­lan­gen Mani­fest-Rede“ (San­dro Magi­ster) von Papst Fran­zis­kus zu rech­nen, wie er sie bereits beim ersten Tref­fen 2014 in Rom und beim zwei­ten Tref­fen 2015 in San­ta Cruz de la Sier­ra in Boli­vi­en gehal­ten hat.

Die Reden gel­ten als poli­ti­sches Mani­fest des Pap­stes, des­sen Kern­the­sen lauten:

  • Die­se Wirt­schaft tötet.
  • Die­se Wirt­schaft grenzt aus.
  • Die­se Wirt­schaft zer­stört unse­re Mut­ter Erde.

Thesen erinnern an neomarxistische Philosophen

„Jedes­mal destil­liert er dabei sei­ne beson­de­re Dekli­na­ti­on der christ­li­chen Sozi­al­leh­re in der Les­art eines ‚mysti­schen‘ Popu­li­sten“, so Magi­ster, die mehr an die anti­ka­pi­ta­li­sti­schen und glo­ba­li­sie­rung­kri­ti­schen Theo­rien eines Toni Negri oder Gian­ni Vat­ti­mo erin­nern. Sowohl Negri als auch Vat­ti­mo sind neo­mar­xi­sti­sche, athe­isti­sche Phi­lo­so­phen. Bei­de gehö­ren der 2016 von Yanis Varou­fa­kis gegrün­de­ten Bewe­gung Demo­kra­tie in Euro­pa 2025 (DiEM25) an. Die Grün­dung von DiEM25 wur­de von dem Papst nahe­ste­hen­den kirch­li­chen Medi­en auf­merk­sam und wohl­wol­lend beglei­tet.

Juan Grabois, Pressekonferenz im Vatikan
Juan Gra­bo­is, Pres­se­kon­fe­renz im Vatikan

Gian­ni Vat­ti­mo hat­te im März 2015 im Teat­ro Cer­van­tes in Bue­nos Aires bei einer Tagung links­ra­di­ka­ler Bewe­gun­gen zur Grün­dung einer „Papi­sti­schen Inter­na­tio­na­le“ auf­ge­ru­fen, die an die Stel­le der alten Kom­mu­ni­sti­schen Inter­na­tio­na­le tre­ten sol­le. Allein Papst Fran­zis­kus sei imstan­de, so Vat­ti­mo, eine „poli­ti­sche, kul­tu­rel­le und reli­giö­se Revo­lu­ti­on gegen die Vor­herr­schaft des Kapi­tals“ anzu­füh­ren „im Bür­ger­krieg“, der welt­weit im Gan­ge sei und sich als „Kampf gegen den Ter­ro­ris­mus“ tar­ne, aber in Wirk­lich­keit der „Klas­sen­kampf des 21. Jahr­hun­derts“ gegen alle Geg­ner der „Herr­schaft des Kapi­tals“ sei.

„Öku­me­ni­sches“ Schwe­den und die glei­chen Thesen

Magi­ster füg­te nach der päpst­li­chen Teil­nah­me am Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken in Schwe­den, das am 31. Okto­ber statt­fand, noch ein „Post Scrip­tum“ an:

„In Schwe­den, am 31. Okto­ber, war das erste von vier öku­me­ni­schen Zeug­nis­sen, die in Anwe­sen­heit von Papst Fran­zis­kus ver­le­sen wur­den, das der Inde­rin Pra­ni­ta Bis­wa­si, eine Foto­ko­pie der Argu­men­te von Van­da­na Shi­va ein­schließ­lich der Ankla­ge, die Klein­land­wir­te in den Selbst­mord zu treiben.“

In der Tat wur­de Van­da­na Shi­va in der Ver­gan­gen­heit auch schon von evan­ge­li­schen Krei­sen für Auf­tritt in Deutsch­land gebucht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Il Sismografo/vatican.va (Screen­shots)

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