(Rom) Der katholische Publizist Camillo Langone verfaßte einen Kommentar zum Weltgebetstreffen für den Frieden „der Religionen und Kulturen“, das vom 18.–20. September in Assisi stattfindet. Veranstalter des Treffens ist die 1968 gegründete, katholische Gemeinschaft Sant’Egidio. Die Treffen finden seit 1986 an wechselnden Orten statt, vier bisher in Assisi.
Das diesjährige Treffen erinnert an das erste Treffen vor 30 Jahren, an dem Papst Johannes Paul II. teilnahm. Wegen synkretistischer und blasphemischer Vorfälle gehört es zu den umstrittensten Momenten seines Pontifikats.
Trotz der heftigen Kritik nahmen er und seine Nachfolger an weiteren Treffen teil, die in Assisi stattfanden. Das Programm wurde korrigiert, doch die Grundausrichtung blieb bestehen.
Am dritten Treffen in Assisi nahm 2002 erneut Johannes Paul II. teil, am vierten Treffen 2011 Papst Benedikt XVI., obwohl ihm nahestehende Intellektuelle ihn darum gebeten hatten, den „Geist von Assisi“ zu meiden.
Vom „Geist von Assisi“ spricht die Gemeinschaft Sant’Egidio, so jüngst ihr Vorsitzender Massimo Impagliazzo in einem Video, mit dem er die Bedeutung des umstrittenen interreligiösen Treffens erläuterte.
Am Dienstag wird mit Franziskus der dritte Papst an der Abschlußveranstaltung teilnehmen und ihr dadurch Bedeutung und Aufmerksamkeit verschaffen, wie das Medienverhalten zeigt. Die Gemeinschaft Sant’Egidio überträgt die Veranstaltungen aller drei Tage im Internet. CTV, der Fernsehsender des Vatikans, berichtet nur am letzten Tag die Programmpunkte, an denen Papst Franziskus teilnimmt, also am Dienstag auch das Ökumenische Gebet der Christen ab 16 Uhr. Das italienischen Staatsfernsehen RAI überträgt ausschließlich ab 17 Uhr die Schlußkundgebung des Papstes mit den rund 500 erwarteten Religionsvertretern aus aller Welt. Dieser Programmpunkt wird auch von verschiedenen anderen Fernsehanstalten übernommen.
Die modellierbare, geschmolzene Religion
Ich verstehe die Atheisten. Ich verstehe sie sogar sehr gut. Wenn ich die Fotos von den alten interreligiösen Treffen in Assisi sehe (morgen beginnt eine Neuauflage mit dem Titel: „Durst nach Frieden“), wenn ich die Bilder von den Kitteln aus Ost und West sehe, von christlichen, antichristlichen und achristlichen, dann wird auch mir schwindelig.
Ich wußte durch das Buch Deuteronomium, daß Gott eifersüchtig ist, und dank dem Heiligen Cyprianus, daß extra ecclesiam nulla salus.
Ich war der Überzeugung, daß das Heil und das ewige Leben für einen wirklich religiösen Mann wichtiger sei als der Frieden, der seine kurze irdische Existenz betrifft.
Man muß nicht einmal religiös sein. Es genügt ein Minimum an philosophischen Kenntnissen und etwas logischer Hausverstand, um diese Musterschau des Heiligen mit Skepsis zu betrachten.
Der Philosoph Franco Volpi, der sich mit dem Nihilismus befaßte, schrieb: „Die Isosthenie der Werte führt zur zur Entwertung und schließlich zur Gleichgültigkeit der Werte“.
Es ist kein Zufall, daß morgen in Umbrien auch Zygmunt Bauman anwesend sein wird, der ideale Soziologe im Kontext einer flexiblen, formbaren, vielmehr geschmolzenen Religion.
Die Organisatoren, die Hypogläubigen der Gemeinschaft Sant’Egidio, bezeichnen den katholischen Glauben ausdrücklich als „religiöse Tradition“. Mit anderen Worten: Der katholische Glauben ist nur mehr ein überkommenes Relikt, das dazu bestimmt ist, in der neuen Weltreligion aufzugehen, in der für Christus kein Platz mehr ist, da Emire und Rabbinen, Pastoren und Muftis, Zoroastrier, Buddhisten, Jainisten, Schintoisten … in Einklang gebracht werden müssen.
Bis zum kommenden Dienstag wird Assisi die Welthauptstadt des Synkretismus, des Indifferentismus, des heiligen Was-auch-immer sein.
Möge mein kleiner Glaube solche Spektakel überlegen.
Text: Camillo Langone
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Comunità di Sant’Egidio (Screenshot)