(Rom) Das Verhalten der „Höflinge“ war für die Nicht-Höflinge zu allen Zeiten nicht selten ein Ärgernis. Auch unter Papst Franziskus entpuppen sich manche katholische Verbandsvertreter als „Höflinge“, die mit wehenden Fahnen Lager und Meinung wechseln und dabei den Eindruck erwecken, daß weniger Inhalte zähle, dafür um so mehr die Nähe zum Fürsten. Einen solchen „Höfling“ hat der bekehrte 68er und nunmehrige katholische Journalist und Buchautor Camillo Langone in Giorgio Vittadini ausgemacht. Vittadini, Professor für Statistik an der Mailänder Universität Bicocca, gehört zu den historischen Führungsgestalten der Gemeinschaft Comunione e Liberazione (CL). CL, gegründet 1954 vom Priester Don Luigi Giussani (1922–2005), gehörte zu den von Papst Johannes Paul II. besonders geförderten neuen Gemeinschaften.
Daraus wurde ein kaum überschaubares Netzwerk an Organisationen, Genossenschaften und Gesellschaften mit nicht unbedeutendem Einfluß bis hinein in die Politik. Vittadini ist unter anderem Vorsitzender der Subsidiaritäts-Stiftung (Fondazione per la Sussidiarietà ), eines Think Tank mit Sitz in Mailand, die neben anderen Tätigkeitsbereichen die Internet-Zeitung Il Sussidiario herausgibt. 2008 wurde ihm von Walter Veltroni, dem Spitzenkandidat der linken Mitte, eine Kandidatur für das Parlament angeboten, die er ablehnte. Die Wahlen gewann Silvio Berlusconis Bündnis der rechten Mitte.
CL organisiert seit 1980 das Meeting für die Freundschaft zwischen den Völkern in Rimini. An der eine Woche dauernden Veranstaltung nehmen jährlich rund 250.000 Menschen teil. Das Meeting 2016 wurde am vergangen Freitag eröffnet und findet gerade statt.
Das Verhältnis von Papst Franziskus zur Gemeinschaft Comunione e Liberazione, die vor allem in den romanischen Staaten stark verankert ist, darunter auch in Lateinamerika, ist durch Distanz geprägt. Die Grundausrichtung ist dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires zu „wojtylianisch“. Kontakte unterhielt Franziskus jedoch zu einem kleinen Zirkel innerhalb von CL, der dort eine Minderheit bildete. Seit seiner Wahl zum Papst erlebte dieser „römische Zirkel“ einen ungeahnten Aufstieg. Dazu beigetragen haben dürfte die Haltung des Papstes, der CL unter allen großen neuen Gemeinschaften am längsten auf eine Audienz warten ließ (siehe dazu Papst Franziskus mag Don Giussanis „Comunione e Liberazione“ (CL) nicht – mit sechs Ausnahmen).
Das Verhalten Vittadinis, der nicht zum „römische Zirkel“ gehört, deutet ein Rennen um die Gunst des Papstes an. Dafür wirft man auch etwas „Ballast“ ab, der bis vor kurzem noch kostbar war. Dazu verfaßte Camillo Langone einen fiktiven Brief an den heiligen Franz von Assisi. Im Januar 2011 gehörte Langone zu den Unterzeichnern des Offenen Briefs an Papst Benedikt XVI.: „Heiligkeit, meiden Sie den Geist von Assisi“.
Vittadini, das Meeting und der Verrat am heiligen Franziskus
von Camillo Langone
Lieber heiliger Franziskus,
bei Comunione e Liberazione habe ich immer gehört, daß Giorgio Vittadini, der bei CL seit unvordenklicher Zeit einer der Chefs ist, nicht einmal imstande sei, sich die Schuhe zu binden: um die Untauglichkeit zum Ausdruck zu bringen. Das mochte viele Dinge erklären. Um aber sicher zu gehen, trage ich Mokassins, und habe versucht, dem Geschwätz standzuhalten. Und ich habe gut daran getan, denn durch das neueste Interview des Corriere della Sera habe ich entdeckt, daß Vittadini sehr schlau ist.
Warum? Weil er Dich verraten hat. Christus zu verraten, ist ein kirchlicher Klassiker, aber Dich zu verraten, ist die allerneueste Mode, auf die alte Sakristeihasen aufspringen, damit ihnen das Fell nicht über die Ohren gezogen wird. Sie garantiert sozialen, medialen und hierarchischen Konsens.
Beim Meeting von CL in Rimini werden sich Monsignori und Muftis versammeln und „der Geist“, so Vittadini, wird „der der Begegnung zwischen dem heiligen Franziskus und dem Sultan“ sein. In Wirklichkeit wird es das übliche synkretistische Salamaleikum sein.
Dein Geist, Franziskus, war ganz anders. Du hast weder Politik noch Lobbyismus betrieben. Du hast für den Glauben an Christus gebrannt und bist vor den Sultan getreten, um ihn zu bekehren.
Der CL-Chef hat noch einen Scheit nachgelegt: „Das Leben der Kirche hatte in ihrem Inneren immer den heiligen Franziskus und Kriegstreiber“.
Er hat einfach so getan, als wüste er nicht, daß Du Kreuzzügler warst und dem Sultan gesagt hast: „Die Christen greifen euch und das Land, das ihr besetzt habt zu recht an, weil ihr den Namen Christi lästert und so viele von Seiner Anbetung abhaltet, wie ihr könnt.“
Aber das ist eigentlich nichts Außergewöhnliches: Vittadini wäre für den Erfolg des Meetings sogar imstande, so zu tun, als würde er das Ave Maria nicht kennen.
Text/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Il Foglio/Francescodassisi (Screenshots)