
Gedanken von Gottfried Zeiler zu „Finanzskandalen“, zu „habgierigen“ und „geizigen“ Kardinälen und Priestern im Vatikan und zu den „Pharaonen“ unter den Kirchenfürsten, wie Papst Franziskus meinte.
Gebt aus, was ihr meint,
aber führt mich in den Himmel.
(Andrea Zambrano)
Die Priester und Bischöfe, die ich kennengelernt habe, waren auf ihre Art nicht selten Verschwender. Häufig füllten sie, impulsgeleitet, ihre Pfarrhäuser mit allerlei Klimbim. Und das eigentlich nur, um nicht Nein sagen zu müssen, um nicht geizig zu erscheinen oder um anderen Menschen und ihren Gemeinschaften gegenüber ja nicht den Eindruck mangelnder Aufmerksamkeit für sie zu vermitteln.
Ich habe „reiche“ und „arme“ Priester kennengelernt, je nachdem, ob sie in einer reichen oder einer armen Pfarrei wirkten. Da waren die „großen“ Pfarrherren, die in einem Widum wohnten, der groß wie ein Edelsitz war. Und da waren die „kleinen“ Pfarrherren, hoch droben am Berg in einem abgelegenen, armen Dorf. Wenn sie in die Stadt herunterstiegen, erkannte sie jeder an ihren abgetretenen Schuhen und ihren abgetragenen Soutanen, die schon mehrfach geflickt waren und staubig ohnehin, wegen des weiten Weges.
„Reiche“ und „arme“ Pfarrherren und ihre Brieftasche
Sie alle waren die Priester meiner Kindheit, meine Glaubensväter. Und so unterschiedlich sie in allem Äußeren wirkten und wahrscheinlich auch an Rang und Ansehen in der Diözese waren, hatten sie doch eines gemeinsam: Im Bedarfsfall öffneten sie bereitwillig mit einer geradezu bewegenden Großzügigkeit ihre Brieftasche, die manchmal geradezu an Leichtsinn grenzte. Der „reiche“ Pfarrherr hatte eine dicke Brieftasche, der „arme“ Pfarrherr hatte eine schmale Brieftasche, aber jeder gab, was er hatte. Sie unterstützen vielversprechende Schüler und Studenten, Witwen, Waisen, die kinderreiche arme Familie, die alleinerziehende Mutter im Dorf, dann den ersten Maghrebiner oder Nigerianer im Dorf, der an der Haustür Putzlappen und Besen verkaufte, oder einen Verkäufer, der von Tür zu Tür irgendeine Enzyklopädie oder einen Staubsauger anbot und auch all die Sakristeischmeichler, die es halt so gibt.
Das Totenhemd hat keine Taschen
Wenn heute der Rechnungsprüfer käme und die „Ausgabenpolitik“ dieser Priester meiner Kindheit unter die Lupe nehmen würde, wäre ihnen der Platz am öffentlichen Pranger sicher. Alle diese Priester, die ich damals kennenlernte, standen in keiner Pharaonen-Liste, von der Papst Franziskus jüngst sprach. Es waren Priester mit schön gekämmtem Haar und solche mit zerzaustem. Sie zückten bereitwillig die Brieftasche und behandelten das Geld mit großer Distanz. Sie wußten, daß ihre wirklichen Talente nicht das Geld in ihrer Brieftasche ist. Die wirklichen Talente eines Seelsorgers sind die Sakramente und die Glaubensverkündigung. Darüber würde der Herr von ihnen Rechenschaft verlangen, nicht darüber, ob ihr Geld Zinsen gebracht hat oder ob sie es einem echten oder vermeintlichen Bedürftigen zu bereitwillig gegeben haben. Sie wußten, daß das Totenhemd keine Taschen hat und die wirklichen Verdienste ganz anders gemessen werden.
Soll sich Kardinal Marx in den engen Sitz einer Ryanair-Maschine zwängen?

Seither sind viele Jahrzehnte vergangen und heute werden vom Priester Managerfähigkeiten verlangt. Er soll seine Pfarrei oder seine Pfarreien als kleine Unternehmen führen mit einer peniblen Abrechnung, die von Diözesanbürokraten auf Heller und Pfennig überprüft wird. Die Pfarrei ist aber kein Business. Und wenn Kardinal Reinhard Marx Erster Klasse nach Rom fliegt, ist das für mich kein Problem. Im Ernst, kann sich jemand den Kardinal eingepfercht in einem superengen Sitz eines Ryanair-Flugzeuges vorstellen? Das muß auch nicht sein. Wozu sollte das gut sein?
Über die 10-Millionen-Euro-Residenz in Rom allerdings wäre zu reden. Mit „Enthüllungsbüchern“ werden gegen den ehemaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone Vorwürfe erhoben und er wird wieder einmal wegen seiner 350-Quadratmeterwohnung im Vatikan an den Pranger gestellt. Erstens ist die Meldung Schnee von gestern und zweitens billige Aktivierung eines Neidkomplexes. Kardinal Bertone hat einen Alterssitz als ehemaliger Kardinalstaatssekretär zugewiesen bekommen. Im Vatikan gibt es Dienstwohnungen. Man bekommt sie zugewiesen je nach Amt und Würde, je nachdem ob aktiv oder außer Dienst und je nachdem wie viele Amtsvorgänger noch am Leben sind. Bewohnt werden alte Gebäude aus dem 17., 18. oder 19. Jahrhundert, die in ihrer Bausubstanz häufig noch viel älter sind. Wer sollte, wollte und könnte dort Hand anlegen, um „zeitgemäße“ Kleinappartements daraus zu machen? Wer sollte in einem Barockpalast des 17. Jahrhunderts Gipskartonwände einziehen, um die Räume nach heutigen Maßstäben zu verkleinern? Kein Denkmalamt der Welt würde so etwas zulassen. Die Gebäude stehen im Vatikan, wurden von der Kirche vor Jahrhunderten errichtet und von ihr genützt. Sollte man sie in Museen umwandeln, weil sie zu groß sind? Davon hat der Vatikan und hat Rom schon ausreichend. Also werden die alten Gebäude genützt, wofür sie gebaut wurden, auch heute noch. So einfach sind die Dinge, wenn man sie als das sehen will, was sie sind und nicht für Schlammschlachten benützen will.
Die Pharaonen von Papst Franziskus
Anders ist die Sache bei Kardinal Marx, den wir gerne Erster Klasse nach Rom fliegen lassen. Er hat sich vom Erzbistum München-Freising neu einen Palazzo um zehn Millionen Euro in Rom kaufen lassen. Mag sein, daß der Münchener Erzbischof standesgemäß in Rom Hofhalten will oder was immer er dafür hält. Taten das seine Amtsvorgänger nicht auch, ohne einen neuen Palazzo für zehn Millionen Euro zu kaufen? Der Kauf dieses neuen Palazzo zeigt weit mehr Phararonenattitüde als die Nutzung eines alten Palazzo im Vatikan durch Kardinal Bertone.
Doch irgendwas sagt mir, daß Papst Franziskus mit seiner Kritik an den „Pharaonen“ unter den Kirchenfürsten nicht Marx gemeint haben könnte, sondern doch vielleicht Bertone. Und damit wären wir auch wieder bei den „Enthüllungsbüchern“. Dort findet sich der „Fall Bertone“, aber nicht der „Fall Marx“. Erstaunlich. Und warum wohl!? Sollte die Pharaonenkritik des Papstes und die Verschwendungskritik der „Enthüllungsautoren“ am Ende nur ein Vorwand für eine innerkirchliche Abrechnung sein? Man soll nicht übertreiben, aber ein klein wenig hat es schon den Eindruck. Lautet die erste Frage also nicht, wie gibt ein Kirchenfürst sein Geld aus, sondern: Wer von den Kirchenfürsten steht wo? Ist er „progressiv“, ist er „konservativ“? Und flugs findet er sich im Mund bestimmter Leute und Medien in der Kritik.
Was aber zählt wirklich?
Was aber zählt wirklich? Daß ein Priester, ob einfacher Landpfarrer, Bischof oder Kardinal, Seelen zum ewigen Heil führt. Der Dorfpfarrer meiner Kindheit hat es getan. Tut es Kardinal Bertone? Dann sei ihm der Palazzo tausendfach vergönnt. Tut es Kardinal Marx? Dann sei ihm sogar seine 10-Millionen-Absteige in Rom vergönnt. Tut er es aber nicht, dann soll ihm der Palazzo auf den Kopf fallen hier und heute und in der Ewigkeit.
Was nützt es einem Bischof, wenn er die ganze Welt gewänne, aber irgendwann sich selbst verlöre?
Von mir aus, könnte jeder Kleriker das Geld ausgeben, wie er möchte, solange er sich um meinen Glauben und mein Seelenheil bemüht. Die Priester meiner Kindheit waren so. Rationalisierung war für sie kein Wort. Ob Not oder Wohlergehen, sie gaben bereitwillig, was sie hatten, eben manchmal mehr und manchmal weniger. Sie wußten, daß es nicht nur die Brieftasche gab, sondern ein ewiges Leben, das es zu gewinnen gilt: für sich selber und für die anvertrauten Seelen. Dem haben sie sich gewidmet, so gut sie konnten und es verstanden.
Vatikan kann jederzeit Vergleich mit jeder Staatsverwaltung der Erde aufnehmen
Schon bevor die Kirchensteuer eingeführt wurde und das Geld automatisch wie von Zauberhand in der Kirchenkasse klingelte, waren die Pfarrer tüchtige Verwalter. Das gehörte zum Hausverstand ohne bürokratischen Apparat. Man denke an die großartigen Kirchen zur Ehre Gottes, die durch die Großzügigkeit der Gläubigen errichtet wurden. Es hat oft Generationen gedauert, aber es geschah.
Die Pfarrer als Bauherren und Landbesitzer ernährten viele Familien, waren besitzrechtlich vielleicht hinter ihrer Zeit zurück, aber sozialpolitisch und vor allem als Gerichtsherren in der Regel viel geduldiger und gemäßigter als ihre weltlichen Nachbarn. Vor allem haben die Priester gegen die Sünde gekämpft, denn sie ist die erste und letztlich einzige wirkliche Fallgrube für den Menschen. Und sie haben gegen alle Sünden gekämpft und nicht die gerade in Mode stehenden Sünden ausgelassen, um den Sündern zu gefallen.
Finanzdelikte im Vatikan? Was für ein Unsinn von Revolverhelden unter Journalisten und linken und rechten Kirchenfeinden. Auch im Vatikan mag es, wie überall, einige Schlaue geben, doch der Vatikan kann jederzeit den Vergleich mit jeder Staatsverwaltung aufnehmen und es wird sich herausstellen, daß er der anständigste, am besten verwaltete und sparsamste Staat dieser Erde ist.
Was zählt, ist das Seelenheil
Der Herr wird einmal nicht Rechenschaft darüber verlangen, wie ein Priester sein Geld ausgegeben hat, sondern darüber welche Sünden er begangen und welche Werke der Barmherzigkeit er verrichtet hat. Das Bankkonto und die Zinsen an sich werden dabei keine Rolle spielen. Der Herr verlangt nach guten Verwaltern, damit ist aber nicht das Geld gemeint, sondern wie viele Seelen zum ewigen Heil geführt wurden und wie viele Seelen verlorengingen.
Darum machte ich mir das Wort zu eigen: Priester, gebt das Geld aus, wie ihr meint, aber führt mich in das Himmelreich.
Text: Gottfried Zeiler