Römischer Tadel für philippinische Bischöfe wegen ihres Widerstandes gegen die „reproduktive Gesundheit“


Pierre de Charentenay SJ
Pierre de Cha­ren­ten­ay SJ

(Rom/​Manila) Kurz vor der Pasto­ral­rei­se von Papst Fran­zis­kus auf die Phil­ip­pi­nen erschien in Bel­gi­en ein Buch, das sich mit den Katho­li­ken die­ses Insel­staa­tes befaßt. Autor ist der Jesu­it Pierre de Cha­ren­ten­ay, der stän­di­ger Mit­ar­bei­ter der Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca in Rom ist. Im Buch „Les Phil­ip­pi­nes, archi­pel asia­tique et catho­li­que“ (Die Phil­ip­pi­nen, asia­ti­sches und katho­li­sches Archi­pel), erschie­nen im Jesui­ten­ver­lag Les­si­us édi­ti­ons in Namur, kri­ti­siert de Cha­ren­ten­ay die phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe wegen ihres hart­näcki­gen Wider­stan­des gegen neue Staats­ge­set­ze, mit denen Ver­hü­tung, Abtrei­bung, Schei­dung und „Homo-Ehe“ lega­li­siert wer­den sol­len. Papst Fran­zis­kus ver­tei­dig­te sie mit kei­nem Wort.

Anzei­ge

Die Süd- und Süd­ost­asi­en-Rei­se des Pap­stes vom 12.–19. Janu­ar wur­de, was das welt­wei­te Medi­en­in­ter­es­se betrifft, auf die Aus­sa­ge redu­ziert, daß „gute Katho­li­ken“ sich nicht wie die „Kar­nickel“ ver­meh­ren sol­len. Eine jener hin­ge­wor­fe­nen Aus­sa­gen, die die­ses Pon­ti­fi­kat mehr prä­gen. An die­sen Satz wird man sich noch in Jahr­zehn­ten erin­nern, wenn das Pon­ti­fi­kat des argen­ti­ni­schen Pap­stes längst Ver­gan­gen­heit sein wird.

Die Aus­sa­ge war zwar all­ge­mein gehal­ten, ist aber leicht auf das päpst­li­che Rei­se­ziel, die Phil­ip­pi­nen anzu­wen­den. Das Insel­ar­chi­pel bil­det die größ­te katho­li­sche Nati­on Asi­ens. Und die Phil­ip­pi­nos freu­en sich noch über Nachwuchs.

Kaum auf Land und Volk bezogene Elemente in Papst-Ansprachen

Unter­zieht man alle Anspra­chen des Pap­stes, sowohl die vor­be­rei­te­ten als auch die spon­ta­nen, einer Ana­ly­se, stellt man fest, daß sich dar­in kaum spe­zi­fi­sche Bezü­ge auf Land und Leu­te fin­den. Dabei sind die Phil­ip­pi­nen neben dem jun­gen und klei­nen Ost-Timor, das ein­zi­ge mehr­heit­lich katho­li­sche Land im rie­si­gen Asien.

Die katho­li­sche Kir­che des Lan­des wur­de welt­weit bekannt, wegen ihrer füh­ren­den Rol­le in dem fried­li­chen Volks­auf­stand, der 1986 das Ende der Herr­schaft von Fer­di­nand Mar­cos her­bei­führ­te. Des­sen Wit­we nahm fast 30 Jah­re spä­ter mit Mil­lio­nen ande­ren Phil­ip­pi­nos an der Papst-Mes­se in Mani­la teil. Anson­sten blieb der katho­li­sche Insel­staat wenig beach­tet. Heu­te bil­den Phil­ip­pi­nos in den isla­mi­schen Mon­ar­chien auf der ara­bi­schen Halb­in­sel ein Mil­lio­nen­heer katho­li­scher Gastarbeiter.

De Charentenays Buch über die katholischen Philippinen

Der nam­haf­te fran­zö­si­sche Jesu­it Pierre de Cha­ren­ten­ay setz­te sich die Auf­ga­be, die Wis­sens­lücken über die katho­li­sche Phil­ip­pi­nen zu schlie­ßen. De Cha­ren­ten­ay war bereits Lei­ter der Jesui­ten­hoch­schu­le Cent­re Sà¨vres von Paris und von 2004–2012 Schrift­lei­ter der fran­zö­si­schen Jesui­ten­zeit­schrift Étu­des. Seit 2013 hat er als stän­di­ger Mit­ar­bei­ter der Civil­tà  Cat­to­li­ca, den „Olymp“ der Jesui­ten­zeit­schrif­ten erklom­men. Bekannt­lich erscheint jeder Arti­kel der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift nach vor­he­ri­ger Kon­trol­le mit aus­drück­li­cher Druck­erlaub­nis des Vati­kans. Chef­re­dak­teur ist Pater Anto­nio Spa­da­ro, einer der eng­sten Ver­trau­ten des der­zeit amtie­ren­den Papstes.

Die Bedeu­tung des Buches von Pater de Cha­ren­ten­ay erschließt sich aus einem kaum beach­te­ten Ereig­nis. Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di, eben­falls Jesu­it, emp­fahl den akkre­di­tier­ten Jour­na­li­sten vor der Papst­rei­se zur Vor­be­rei­tung die Lek­tü­re des Buches. „Erst recht darf man mit gutem Grund anneh­men, daß Papst Fran­zis­kus das Buch gele­sen haben wird“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Pater de Cha­ren­ten­ay besuch­te die Phil­ip­pi­nen seit 1982 mehr­fach und leb­te 2013 fast ein gan­zes Jahr auf den Inseln. Das Buch liest sich in einem Atem­zug. Die Spra­che ist flüs­sig, die Detail­an­ga­ben sind fun­diert, der geschicht­li­che Abriß prä­zi­se. Der Fran­zo­se zeigt sich als auf­merk­sa­mer Beob­ach­ter, hält aber auch eini­ge Über­ra­schun­gen für den Leser bereit.

So erstaunt zum Bei­spiel, daß auf den Phil­ip­pi­nen vom Staat und von der Gesell­schaft auch für schwe­re Ver­bre­chen groß­zü­gig öffent­li­che Ver­ge­bung und auch Straf­nach­laß gewährt wer­den. Das größ­te Gefäng­nis des Lan­des beschreibt Pater de Cha­ren­ten­ay als rie­si­ges Dorf, inner­halb dem sich die Gefan­ge­nen frei bewe­gen und orga­ni­sie­ren können.

Obwohl die­se typisch phil­ip­pi­ni­sche Form der Mil­de Papst Fran­zis­kus, der die Ver­ge­bung durch „Barm­her­zig­keit“ zum Kern sei­nes Pon­ti­fi­kats mach­te, inter­es­sie­ren könn­te, ging er nicht dar­auf ein.

Lob für Regierung und deren Scheidungs‑, Homo‑, Abtreibungs- und Verhütungs-Agenda

Pater de Cha­ren­ten­ay wid­met ein aus­führ­li­ches Kapi­tel auch dem lang­wie­ri­gen und har­ten Kon­flikt zwi­schen den phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fen und der Regie­rung zum Gesetz über die „repro­duk­ti­ve Gesundheit“.

Der Autor erweist sich in die­sem Punkt kei­nes­wegs als „neu­tral“. Er ergreift unum­wun­den Par­tei für den „katho­li­schen“ Staats­prä­si­dent Benig­no „Noy­n­oy“ Aqui­no III. und des­sen Regie­rung, die das von den katho­li­schen Bischö­fen abge­lehn­te Gesetz vor­ge­legt und beschlos­sen haben. Gegen den Wil­len der katho­li­schen Kir­che setz­te die „katho­li­sche“ Regie­rung die inter­na­tio­na­le soge­nann­te „Überbevölkerungs“-Agenda des Club of Rome um.

Ähn­li­che Posi­tio­nen nimmt de Cha­ren­ten­ay in sei­nem Buch auch zu ande­ren auf den Phil­ip­pi­nen hart umkämpf­ten The­men wie Schei­dung, Abtrei­bung und „Homo-Ehe“ ein. Der Jesu­it geht soweit, die phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe wegen ihres Wider­stan­des als rück­wärts­ge­wandt und alt­mo­disch zu kri­ti­sie­ren. Nicht nur gegen­über dem Druck der „Moder­ne“, son­dern auch den Auf­for­de­run­gen von Papst Fran­zis­kus. Wört­lich schreibt de Charentenay:

„Der Satz von Papst Fran­zis­kus: ‚Wir kön­nen nicht nur auf die mit Abtrei­bung, Homo-Ehe und den Gebrauch von Ver­hü­tungs­me­tho­den ver­bun­de­nen Fra­gen behar­ren. Das geht nicht. Über die­se Din­ge soll­te man nicht außer­halb ihres Kon­tex­tes spre­chen und nicht stän­dig‘ – hat die Bischö­fe und die öffent­li­che Mei­nung sehr ange­spro­chen. Die Kon­fe­renz der phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe aber hielt an ihrer Oppo­si­ti­on aus prin­zi­pi­el­len Grün­den fest.“

Päpstliches  Schweigen und eine klare Botschaft

Papst Fran­zis­kus ging bei sei­nem Auf­ent­halt auf den Kampf der phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe nicht ein. Vor allem ver­tei­dig­te er sie weder gegen die Kri­tik noch ermu­tig­te er sie in ihrem Kampf. Da die Civil­tà  Cat­to­li­ca unter der Lei­tung von Pater Spa­da­ro als das wesent­li­che Sprach­rohr des Pap­stes gilt, de Cha­ren­ten­ay zur Redak­ti­on gehört und Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di des­sen Buch als Infor­ma­ti­ons­quel­le emp­fahl, dürf­ten die phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe spä­te­stens nach dem Papst-Besuch ver­stan­den haben, daß ihre Hal­tung vom der­zei­ti­gen Rom nicht gewünscht ist. Im über­tra­ge­nen Sinn scheint die Aus­sa­ge eines ande­ren Papst-Ver­trau­ten, des Hon­du­ra­ners Kar­di­nal Mara­dia­ga an Kar­di­nal Mül­ler auch den phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fen zu gel­ten: „Ihr soll­tet ein wenig fle­xi­bel sein“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: UDS/​Lessius (Screen­shot)

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!