(Vatikan) Mit den Abberufungen, Ernennungen und Bestätigungen von Samstag nimmt die Römische Kurie unter Papst Franziskus ein neues Gesicht an. Dabei fällt die starke Rolle auf, die Franziskus den Diplomaten zuweist. Der „unverzeihliche Fehler“ von Benedikt XVI., der Diplomatenriege (geführt von Kardinal Sodano) das Staatssekretariat zu entziehen, wurde von Papst Franziskus korrigiert. Die Revanche der Diplomaten ist gekommen, auf die sie seit Jahren gewartet haben. Sie erhalten sogar neue Bereiche dazu. Die Berufung des Präsidenten der Diplomatenakademie zum Präfekten der Kleruskongregation ist ein untypisches Betätigungsfeld für die Diplomaten des Heiligen Stuhls.
Anfang Oktober ist das erste Treffen des achtköpfigen Kardinalsrats vorgesehen, den Papst Franziskus am 13. April ernannte, um sich bei der Kurienreform und der Leitung der Kirche beraten zu lassen. Die Meinungen der Kardinäle zu dem, was sie zu tun haben, gehen erheblich auseinander. Die Personalentscheidungen fallen jedenfalls, wie durch die päpstlichen Entscheidungen deutlich wurde, nicht unter den Zuständigkeitsbereich der acht Kardinäle.
Entscheidung Benedikts XVI., einen Nicht-Diplomaten zum Staatssekretär zu machen, wurde ihm nie verziehen
Die Entscheidung von Papst Benedikt, den Nicht-Diplomaten Tarcisio Kardinal Bertone zu seinem wichtigsten Mitarbeiter zu machen, kam ihn teuer zu stehen. Das Staatssekretariat ist das einflußreichste Lehen der Vatikandiplomatie. Die Entfernung von Kardinal Sodano und die Zurückdrängung seiner Diplomatenriege wurde von dieser als Affront verstanden und brachte einen ganzen, einflußreichen Sektor in der Kirche gegen Benedikt XVI. auf. Kardinal Sodano wartete auf die Gelegenheit zur Revanche für den demütigenden Einschnitt nach 2005. Das Konklave bot eine unerwartete Gelegenheit, die Weichen neu zu stellen. Da es Papst Benedikt XVI. mehr um Theologie als um Diplomatie ging, schaffte er bis auf ganz besondere Ausnahmen die regelmäßigen Audienzen für die Apostolischen Nuntien ab. Es hatte auch mit seinem Bestreben zu tun, seine Kräfte schonend einzusetzen. „Man müßte lügen, um zu behaupten, daß die Nuntien darüber glücklich waren“, schrieb der Vatikanist Marco Tosatti von Vatican Insider.
Der Papst aus Argentinien scheint nicht den Fehler Benedikts XVI. wiederholen zu wollen. Er sagte in dem ausführlichen Civiltà Cattolica-Interview von sich selbst, „schlau“ zu sein. Er gibt den Diplomaten ihr altes Gewicht zurück und noch mehr dazu. Im Juni nahm er sich zwei ganze Tage Zeit, um die Nuntien zu empfangen. Er scheint entschlossen, für seine Personalentscheidungen vor allem im Diplomatischen Corps zu fischen.
Die neue Rolle der Diplomaten im Talar: Parolin, Stella, Baldisseri und Ricca
Durch die Ernennung von Msgr. Pietro Parolin zum neuen Staatssekretär wird nach sechs Jahren der „unverzeihliche Fehler“ Benedikts XVI. korrigiert. Auch Msgr. Battista Ricca, Direktor des Domus Santa Marta, wo der Papst wohnt, und nunmehr auch Hausprälat der Vatikanbank IOR, die erste und höchst umstrittene Personalentscheidung von Papst Franziskus, stammt aus der Riege der Vatikandiplomaten. Msgr. Beniamino Stella, der neue Präfekt der Kleruskongregation war Nuntius und leitet seit Jahren die Diplomatenausbildung des Heiligen Stuhls. Vatikandiplomat ist auch Msgr. Lorenzo Baldisseri, der neue Sekretär der Bischofssynode.
Zu den ersten von Papst Franziskus in ihren Ämtern bestätigen Kurienmitarbeitern gehören drei Diplomaten: Msgr. Angelo Becciu, Substitut am Staatssekretariat; Msgr. Dominique Mamberti, „Außenminister“ des Vatikans und Msgr. Peter Wells, Assessor am Staatssekretariat. Einzige Ausnahme der Gruppe war der Nicht-Diplomat Kurienerzbischof Georg Gänswein, der Sekretär von Benedikt XVI. Etwas anderes wäre eine „unkluge“ Provokation gewesen.
Zweites gemeinsames Merkmal der Ernannten: Sie sprechen Spanisch und waren in Lateinamerika tätig
Die durch Papst Franziskus in führende Kurienpositionen aufgestiegenen Monsignori Parolin, Stella, Baldisseri und Ricca haben noch etwas gemeinsam. Alle waren als Diplomaten in Lateinamerika eingesetzt und sind daher des Spanischen mächtig. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet, nahm der Papst eine Reihe von Ernennungen der zweiten und dritte Riege an der Römischen Kurie vor. Auch dort fällt die Zahl von Lateinamerikanern auf oder von Personen, die in Lateinamerika gewirkt haben. Die Tatsache, daß Papst Franziskus außer Italienisch keine weiteren Fremdsprachen spricht, scheint bei seinen Personalentscheidungen eine wichtige Rolle zu spielen. Er zieht es vor, Personen zu berufen, mit denen er sich in seiner Muttersprache Spanisch unterhalten kann, was eine direkte Kommunikation ohne Dolmetscher ermöglicht.
Zu dieser Gruppe gehören auch die Ernennung oder Bestätigung von Msgr. Celso Morga als Sekretär der Kleruskongregation; Msgr. Jorge Carlos Patron Wong an derselben Kongregation mit Zuständigkeitsbereich Priesterseminaren; Msgr. Vallejo Balda, Sekretär der neuen Kommission für die Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des Heiligen Stuhls, der die „schöne Francesca“ Chaouqui für eben diese Kommission aussuchte; und Msgr. Fernando Vergez Alzaga, als Generalsekretär des Governatorats des Vatikanstaates.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Radio Vatikan