(Bethlehem) Die Geburtskirche von Bethlehem wird von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben und damit das erste historische Gebäude dieser Art in Palästina sein. Doch die Entscheidung wurde zum diplomatischen Sturm. Israel und die USA vertreten die Ansicht, daß die Mitgliedschaft Palästinas bei der UNESCO, vertreten durch die Palästinenserbehörde des Westjordanlandes (nicht des Gazastreifens), „illegal“ sei.
Das Gewitter geht über der Geburtsbasilika nieder, wörtlich über dem dringend renovierungsbedürftigen, undichten Dach der Kirche, seit die UN-Kulturorganisation bekanntgegeben hat, daß bei der nächsten Sitzung des zuständigen Komitees, die vom 24. Juni bis 6. Juli in St. Petersburg stattfinden wird, auf dem “Eilweg“ das Ansuchen behandeln werde, “den Geburtsort Jesu, die Geburtskirche und den Pilgerweg von Bethlehem“ zum Weltkulturerbe zu erheben. Wenn spätestens im Juli eine positive Entscheidung fällt, womit gerechnet werden kann, wird Ort, an dem Jesus Christus geboren wurde, das erste Weltkulturerbe Palästinas sein.
Älteste erhaltene Kirche des Heiligen Landes
Anders als bei der UNO, ist die Palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah seit Oktober 2011 Vollmitglied der UNESCO.
Die Geburtskirche von Bethlehem ist ein Weltkulturerbe, daran besteht kein Zweifel, wenn man diese Bezeichnung ernst nehmen will. Es handelt sich um den Ort, an dem Jesus Christus geboren wurde. Die Kirche selbst ist eine der drei Basiliken, die Kaiser Konstantin der Große im 4. Jahrhundert an den bedeutendsten Orten im Leben Jesu errichten ließ. Die Kirche, wie sie die Pilger heute in Bethlehem sehen und betreten können, ist noch die byzantinische Kathedrale von Kaiser Justinian aus dem 6. Jahrhundert. Die Geburtskirche ist die älteste erhaltene Kirche im Heiligen Land.
Problem nicht kultureller, sondern politischer Natur – Tauziehen Israel-Autonomiebehörde
Das Problem liegt aber woanders und ist politischer Natur. Israel betrachtet die Mitgliedschaft Palästinas in der UNESCO als illegal. Die USA unterstützen die israelische Position mit solchem Nachdruck, daß sie den erheblichen finanziellen Beitrag für die UNESCO, den sie bisher leisteten, eingefroren haben. Mit der Anerkennung der Geburtskirche als Weltkulturerbe hofft Palästina in diesem Tauziehen einen weiteren Erfolg zu erzielen. Daß die Entscheidung dabei auf ein für die Christenheit so bedeutsames Kirchengebäude fiel, ist kein Zufall. Sie erklärt sich auch aus der verhältnismäßig einflußreichen Position der palästinensischen Christen in der gemäßigteren Autonomiebehörde des Westjordanlandes. Die Christen stellen dort heute zwar nur mehr acht Prozent der Bevölkerung, waren aber am Ende des Zweiten Weltkrieges noch 30 Prozent und maßgeblich an der Gründung der PLO beteiligt.
Der freie Zugang zu diesem Weltkulturerbe könnte ein nicht unwichtiges Element im politischen Kampf der Autonomiebehörde gegen den Staat Israel werden, der die Bewegungsfreiheit im Westjordanland durch eine Vielzahl von Kontrollpunkten nicht nur kontrolliert, sondern zu einem Zick-Zack-Kurs von teils unglaublicher Absurdität degradiert hat. Solche Kontrollpunkte samt der berüchtigten israelischen Mauer betrifft auch Bethlehem.
Katholische Kirche nicht begeistert über den neuen Konflikt
Aus diesem Grund herrscht auf christlicher Seite weniger Begeisterung, als man annehmen möchte. In der katholischen Kirche fürchtet man eine politische Vereinnahmung durch die eine oder die andere Seite. Pater Pierbattista Pizzabella der Kustos der Franziskanischen Kustodie des Heiligen Landes, die für die katholische Kirche die heiligen Stätten verwaltet, hatte deshalb angeregt, daß die Anerkennung als Weltkulturerbe der gesamten Stadt Bethlehem gelten solle, nicht nur der Geburtskirche. Damit sollte die geistliche Bedeutung des Ortes unterstrichen werden, aber vor allem auch deren übernationaler Charakter, wie er für alle heiligen Stätten gilt. Die Kustodie will nicht zuletzt verhindern, daß der politische Konflikt, der im Heiligen Land zwischen Israelis und Palästinensern hinter der harmlosesten Hecke lauert, nicht zu weiteren Verzögerungen bei den dringend notwendigen Restaurierungsarbeiten an der Geburtskirche führt. Bei jedem Regen dringt Wasser durch das undichte Dach in das Kirchengebäude ein mit entsprechenden Schäden an dem für die Christenheit, aber auch für die Menschheit insgesamt historisch wie kulturell so wichtigen Ort.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews