(Straßburg) Das Europäische Parlament hat die Neudefinition der Familie beschlossen. In der am Dienstag, den 13. März 2012 angenommenen Entschließung über die Gleichstellung von Mann und Frau geht es vordringlich um Frauenquote und gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen. Tatsächlich geht es jedoch um weit mehr. Die Entschließung fußt auf dem Jahresbericht 2011 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der EU, der mit 361 Ja-Stimmen angenommen wurde. 268 Abgeordnete stimmten dagegen, 70 enthielten sich der Stimme. Die Resolution zur Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsfindungsprozessen wurde mit 508 Ja-Stimmen angenommen. 124 Abgeordnete waren dagegen, 49 enthielten sich. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail und das heißt im konkreten Fall in den in der Entschließung und im Bericht aufgelisteten Dokumenten, auf die sie sich stützen. Die Mehrheit des Europäischen Parlaments kritisierte damit jene Mitgliedsstaaten, die als Familie die natürliche Bindung eines Mannes und einer Frau in der Ehe betrachten und daher sogenannte Homo-„Ehen“ ablehnen. Das Europaparlament hält ausdrücklich fest, daß es verschiedene Arten von Familie gebe, die alle denselben rechtlichen und gesetzlichen Schutz genießen müßten. So werden von der Mehrheit der Europaabgeordneten als gleichgestellte „Elternschaften“ aufgelistet: verheiratete Eltern, nicht verheiratete, Lebenspartnerschaften, Eltern unterschiedlichen Geschlechts und desselben Geschlechts, Single-Eltern und Adoptiveltern.
Mit der Entschließung werden zudem die Mitgliedsstaaten eingeladen, bei der sozialen Sicherheit auf individualisierte Systeme abzuzielen. Vorgeblich zielt dieser Punkt auf den Schutz der Frauenrechte ab. Tatsächlich führt er eine Neuheit ein, die einer anthropologischen Revolution gleichkommt, nämlich der Vorstellung von der menschlichen Person als bloßem Individuum, das von allen Bindungen völlig losgelöst ist. Das Ausmaß dieser Wende wird um so deutlicher, wenn man sie mit der Allgemeinen Menschenrechtserklärung vergleicht, die im Artikel 16 die Familie als „Fundamentale Zelle der Gesellschaft“ definiert. So auch die Verfassungen zahlreicher Staaten.
Die Person ist jedoch wesentlich mehr als nur das bloße Individuum. Sie existiert letztlich nur in Beziehung zu anderen und lediglich innerhalb einer Beziehung kann sie ihre eigene Identität verstehen, entfalten und verwirklichen. Zum besseren Verständnis genügt es, sich ein Kind vorzustellen, das geboren wird und im selben Augenblick verschwinden alle anderen Menschen auf einen Schlag. Es könnte nicht überleben. Dabei geht es nicht nur um das physische Überleben. Es würde nie zu sprechen lernen und die Vernunft zu gebrauchen. Letztlich würde es nie seine eigene Identität begreifen und die Fragen ergründen können, warum es auf dieser Welt ist und nach dem Sinn des Lebens. Die Feststellung scheint banal und doch ist sie existentiell. Geht es nach der derzeitigen Mehrheit des Europäischen Parlaments will man den Menschen jedoch genau so haben: Auf der einen Seite den Staat, dem nur das Individuum ohne Beziehungen gegenübersteht. Mit anderen Worten: Der Staat und eine Monade. Das ist der Traum aller Totalitarismen, für die jede Bindung, jede echte Beziehung potentiell eine Quelle des Widerstandes gegen die herrschende Macht darstellt, unabhängig ob sich der Totalitarismus als Kommunismus oder Nationalsozialismus im 20. Jahrhunderts oder in seiner neuesten Variante des 21. Jahrhunderts präsentiert.
Der Natur des Personseins und damit der einzigen wirklichen Form des Menschseins entsprechen Beziehungen zu anderen Personen. Entsprechend logisch ist die natürliche Familie der beste Ort, um eigenen Fähigkeiten und Stärken zu entwickeln, entdecken und zu entfalten durch die Erziehung von Vater und Mutter. Nicht zufällig gehört es zu einem Charakteristikum aller totalitären Regime, den Einfluß der Eltern auszulöschen und die Kinder möglichst frühzeitig unter staatliche Kontrolle zu bringen. Eine Tendenz, die sich unschwer auch heute durch die Kinderkrippen und Zwangskindergarten feststellen und die totalitären Züge der sich entfaltenden politischen Stoßrichtung erkennen läßt.
Alle nichttotalitären Staaten haben sich in besonderer Weise und zu allen Zeiten um die Familie gekümmert und ihr einen herausragenden Stellenwert und besonderen rechtlichen Schutz zukommen lassen. Weil sich die Gemeinschaft damit selbst und ihr Gemeinwohl schützte. Das war nie eine Frage der Religion oder religiöser Vorstellungen. Es ist eine Frage von der, ganz unabhängig vom Credo, die Zukunft einer Gemeinschaft, eines Volkes und eines Staates abhängt. Es ist daher von fundamentalem Interesse und eine grundlegende Pflicht eines Staates, die natürliche Familie und die Kinder zu schützen. Ohne Kinder gibt es keine Zukunft. Es geht aber nicht nur um deren bloße Zeugung, sondern auch um den Schutz eines geborenen Raumes, indem die Kinder aufwachsen und damit organisch in die Gemeinschaft hineinwachsen. Das sichert einem Volk und einem Staat Stabilität und verhindert und vermindert Konfliktpotentiale. Es genügt an die enormen Sozialkosten zu denken, die bereits heute durch die Zersetzung der Familie zu tragen sind: erhöhte Armutsrate, steigende Verarmungsgefahr, geringere schulische Leistungen, sinkendes Bildungsniveau, Zunahme der Jugendkriminalität, Verbreitung von Alkoholismus, Drogenabhängigkeit und anderer Abhängigkeiten unter Jugendlichen.
Ein Staat, dem seine eigene Zukunft ein Anliegen ist, muß dafür Sorge tragen, die Familie zu stärken. Es ist nicht Aufgabe des Staates, wieviel Zuneigung und Liebe es zwischen den Menschen gibt. Er hat nicht zu beurteilen, ob ein Paar sich ausreichend gern hat. Die Individualrechte sind ausreichend durch das Bürgerliche Gesetzbuch geschützt. Sie haben jedoch nichts mit dem Familienrecht zu tun. Die Konfusion, die gezielt gefördert ist, vernebelt Begriffe und Konzepte, um die natürliche Ordnung unkenntlich zu machen und durch ihre Abwertung zu zersetzen.
Das Hauptgut, die wichtigste Ressource, um die sich ein Staat zu kümmern hat, sind daher zwangsläufig die Kinder. Der Staat hat sich dabei nicht direkt und in Eigenregie der Kinder anzunehmen, sondern im Sinne des Subsidiaritätsprinzips dem bereits natürlichen Rahmen, den die Familie darstellt, in die die Kinder hineingeboren werden, den nötigen Schutz zukommen zu lassen. So sehr die willentliche Leugnung einer natürlichen Ordnung durch bestimmte Kräfte und durch eine Entfremdung des Zeugungsaktes durch Technisierung vorangetrieben wird, wird auch heute ein Kind nur durch eine heterosexuelle Vereinigung zwischen Mann und Frau gezeugt.
Die Beziehung zwischen Mann und Frau findet in der Ehe ihren natürlichen Rahmen, wiederum völlig unabhängig von religiösen Überzeugungen, weil sie Stabilität gibt, in der ein Paar Verantwortung gegenüber der Gesellschaft übernimmt. Kinder zu zeugen und zu erziehen ist keine rein private Angelegenheit. Sie hat eine ganz herausragende soziale Bedeutung.
Alle anderen affektiven Beziehungen haben dagegen privaten Charakter, selbst dann, wenn sie öffentliche Auswirkungen haben sollten. Sie sind daher einzig mit dem Privatrecht zu regeln, um die Rechte des Einzelnen zu schützen.
Wenn das Europäische Parlament beschlossen hat, selbst nicht mehr das Fundament unserer Gesellschaft, Staaten und Völker anzuerkennen, bedeutet das nichts anderes, als daß es sich für den Selbstmord entschieden hat.
Text: BQ/Giuseppe Nardi
Bild: Wikimedia