Liebe Brüder und Schwestern!
Die Betrachtungen über einige Aspekte des Betens Jesu, die ich in den vergangenen Wochen angestellt habe, möchte ich nicht beschließen, ohne auch eine kleine Erwägung über das Schweigen Jesu, über Beten und Schweigen, Wort und Schweigen vorgelegt zu haben. Bei Christus selber gehören Sprechen und Stille zusammen, bilden eine innere Dynamik, die für sein Beten charakteristisch ist. Das Wort Gottes können wir nur hören, wenn wir dafür offen sind, wenn wir gesammelt und schweigend sind. So hat der hl. Augustinus gesagt: »Wenn das Wort Gottes wächst, werden die Menschenworte weniger« (vgl. Sermo 288,5: PL 38,1307), werden wir stiller. Ganz in diesem Sinne zieht sich Jesus selbst immer wieder in die Einsamkeit zurück, um einfach im Innern eins zu sein mit dem Vater, um in der Stille ohne viele Worte zu beten. Und auch in uns schafft echte Stille einen tiefen inneren Raum, damit sich etwas für die Anwesenheit Gottes in uns auftut, damit das Wort Gottes in uns eindringen und uns langsam durchdringen kann. Neben dieser ersten Stille gibt es freilich noch eine zweite dunklere und schwierigere: daß nämlich Gott auch uns gegenüber schweigen kann. Es gibt das Schweigen Gottes, der Herr selbst hat es dramatisch erfahren am Kreuz: Warum hast du mich verlassen? Und im Menschenleben wiederholt es sich immer wieder, daß Gott schweigend ist, daß er uns nicht zu hören scheint. Und gerade da will uns Jesus lehren, daß hinter dem Schweigen Gottes seine größere Weisheit und Güte steht, daß wir dieses Schweigen aushalten und damit dann auch fähig werden, inwendig seine Antwort und seine Anwesenheit wahrzunehmen – wahrzunehmen, daß er nicht etwa schweigt, weil er nicht da wäre, sondern weil er größer ist und uns über unsere Worte ins Größere hineinführen will. So wollen wir den Herrn darum bitten, daß wir erstens selber still werden können und damit fähig, einen Raum für Gottes Wort in uns zu haben, und daß wir zweitens das Schweigen Gottes ertragen können, daß es uns auch immer wieder öffnet, damit wir wieder wahrnehmen: Ja, er ist da. Wie der Psalm sagt: Der, der den Mund gemacht hat und die Zunge, die Redeorgane, sollte etwa nicht reden können? Der die Ohren gemacht hat, sollte nicht hören können? (vgl. Ps 94,9), so hat er überhaupt Reden, Schweigen und Hören geschaffen. Und wir müssen immer wieder durch sein Schweigen hindurch ins Größere seines Wortes und seiner Wahrheit hinaufgezogen werden.
Ganz herzlich grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher. Nehmen wir uns in dieser österlichen Bußzeit wirklich Zeiten der Stille, um auf dem Weg des vertrauensvollen Gebetes voranzuschreiten und um uns wirklich mit der Liebe Christi zu verbinden und in die Nähe von Gottvater zu kommen. Der Herr schenke euch allen eine gesegnete Fastenzeit.