(Econe) Die Priesterbruderschaft St. Pius X. begibt sich vom 7.–8. Oktober 2011 in der Nähe Roms in Klausur, um über die „Doktrinelle Präambel“ zu beraten. Von deren Annahme hängt die volle Einheit mit der katholischen Kirche ab. Nachdem Msgr. Fellay, der Generalobere der Piusbruderschaft, vor zwei Wochen von Kardinal William Levada die „Präambel“ ausgehändigt bekam, versammelt er nun den Generalrat der Bruderschaft in der italienischen Stadt Albano Laziale. Dort befindet sich der Sitz des italienischen Distrikts
Es wird darum gehen, den „harten“ Flügel der Bruderschaft davon zu überzeugen, daß ein endgültiger Frieden und eine Versöhnung mit Rom nicht nur möglich, sondern ein Gebot der Stunde ist. Es geht nicht zuletzt um die Chance, die Wunde der fehlenden Einheit mit Rom, die konstitutioneller Teil der Katholizität ist, ein für allemal schließen zu können.
In der römischen Kurie geht die Rede, daß es mögliche Auswirkungen auf Assisi 3, das interreligiöse Treffen für den Weltfrieden geben könnte. Für den 27. Oktober hat Papst Benedikt XVI. Vertreter aller Religionen und auch Atheisten in die umbrische Heimatstadt des heiligen Franziskus eingeladen. Sollte die Einigung der Piusbruderschaft mit Rom vor dem 27. Oktober besiegelt werden, überlegen jüdische Vertreter dem Treffen in Assisi fernzubleiben. Sie wollen damit gegen die Rückkehr der traditionalistischen Piusbruderschaft in den Schoß der katholischen Kirche protestieren.
Begründet werden solche Gedankenspiele in jüdischen Kreisen – derzeit sind es nur solche – mit der Behauptung, die Lefebvrianer seien “Gegner“ des Dialogs zwischen der Kirche und den “älteren Brüdern“. Bereits bisher löste jede Geste des Heiligen Stuhls zur Wiederherstellung der vollen Einheit Econes mit Rom heftige Reaktionen auf jüdischer Seite aus. Zuletzt die Rücknahme des Exkommunikationsdekrets der vier Bischöfe der Piusbruderschaft Anfang 2009. Nicht minder aber auch das Karfreitagsgebet für die Bekehrung der Juden und eine mögliche Seligsprechung Papst Pius XII. Entsprechende Kritik deponierten die Vertreter des deutschen Judentums auch bei der Begegnung mit Papst Benedikt XVI. am 22. September 2011 im Reichstag, nach dessen historischer Rede vor dem Bundestag.
Rom hält an seiner Linie der strikten Trennung der verschiedenen Themen fest. Die jüdische Kritik wird im Vatikan im Bemühen um ein gutes Verhältnis ernst genommen, manche Reaktion jedoch als überzogen betrachtet und in der Regel einfach überhört. Daß Benedikt XVI. noch am selben Tag in seiner Predigt im Olympiastadion ausdrücklich Papst Pius XII. positiv erwähnte, wurde als elegante Antwort auf unangemessene jüdische Kritik gewertet.
Im Juli betonte Pater Federico Lombardi, der Leiter der vatikanischen Pressestelle, erneut, daß Priesterweihen der Piusbruderschaft “unrechtmäßig“ seien. Konkret ging es um vier Priesterweihen, die Msgr. Bernard Tissier de Mallerais, einer der vier Bischöfe der Piusbruderschaft im bayerischen Zaitzkofen durchführte. Solange die offenen Fragen zur Glaubenslehre nicht geklärt seien, besitze die Bruderschaft keinen kanonischen Status in der Kirche. Dementsprechend würden die von Erzbischof Lefebvre 1988 geweihten Bischöfe auch kein rechtmäßiges Amt ausüben, so Pater Lombardi noch im Sommer.
Nach acht Lehrgesprächen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bruderschaft kam es am 14. September 2011 zur entscheidenden Vorbegegnung im Vatikan. Am vierten Jahrestag des Motu proprio Summorum Pontificum überreichte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, dem Generaloberen der Bruderschaft, Msgr. Fellay, jene “Präambel“, die über die Zukunft der Bruderschaft entscheidet, aber auch zu einem Teil über die Zukunft der Kirche.
Die Einigung zwischen der Piusbruderschaft und Rom, oder ein noch nicht ganz auszuschließender definitiver Bruch, wird zeitlich jedenfalls unabhängig vom interreligiösen Treffen in Assisi erfolgen. Auswirkungen können nicht ausgeschlossen werden. Zu groß sind ganz unterschiedliche Erwartungen, die mit Assisi 3 verbunden sind. Nicht zuletzt auch jene, die sich eine Korrektur gegenüber Assisi 1 und Assisi 2 erwarten, um die katholische Position im interreligiösen Dialog zu schärfen.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider