(Tripolis) Nach sechs Monaten Bürgerkrieg und dem Sieg der von westlichen Staaten militärisch unterstützten Anti-Gaddafi-Rebellen taucht in Libyen das Gespenst eines islamischen „Gottesstaates“ auf. Die ersten Entwürfe für eine neue Verfassung richten sich am islamischen Recht, der Scharia aus. In den Reihen der Rebellen fällt eine besorgniserregende Dichte an Dschihad-Kämpfern auf.
Das Libyen nach Gaddafi riskiert einen fundamentalistischen Absturz. Internationale Beobachter nehmen mit zunehmender Besorgnis zur Kenntnis, daß die vorliegenden Verfassungsentwürfe des provisorischen Nationalrats, die Ausrufung Libyens zum islamischen Staat vorsehen, dessen Rechtsgrundlage die Scharia sei. Die Übergangsregierung weigert sich, internationale UN-Truppen ins Land zu lassen. Die Blauhelme sollten den Demokratisierungsprozeß des Landes absichern. Beobachter erklären, daß viele „Rebellen“ extremistischen islamischen Gruppen angehören, die nicht für einen demokratischen Staat und die Menschenrechte, sondern für einen fundamentalistischen Gottesstaat gekämpft hätten.
Im Artikel 1 des Verfassungsentwurfs, den die Übergangsregierung vorlegte, heißt es: „Libyen ist ein unabhängiger, demokratischer Staat, in dem die Macht vom Volk ausgeht (…). Der Islam ist Staatsreligion und die grundlegende Quelle der Gesetzgebung und der Rechtsprechung“. Obwohl es sich vorerst nur um einen Entwurf handelt, machen Beobachter auf die Widersprüchlichkeit und Zweideutigkeit der Formulierungen hin. Sollte der Text in den Verfassungsrang erhoben werden, wäre diese sogar ein Rückschritt gegenüber den Öffnungen, die Gaddafi den anderen Religionen in Libyien gewährte.
Als besonderer Gefahrenherd werden die Gruppen von Dschihad-Kämpfer gesehen, die während des Bürgerkriegs im Sold von Sondereinheiten einiger NATO-Staaten standen. Dazu zählt vor allem die Libyan Islamic Fighting Group (LIFG). Eine extremistische Islamisten-Organisation unter der Führung von Abdelhakim Belhaj, eines libyschen Berbers, der sein Ausbildung während des Krieges der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion erhielt und sich in Afghanistan Al Qaida anschloß. 2003 in Libyien verhaftet, trat er in den Dienst Gaddafis und nun kämpfte er im Dienst der USA, in deren Sold er noch immer steht.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews