Widerstand gegen Papst, weil er Konzilsauslegung in Frage stellt – Reform der Reform fortsetzen


(San Mari­no) Der Bischof der Diö­ze­se San Mari­no-Mon­te­fel­t­ro, und damit auch des ita­lie­ni­schen Klein­staa­tes San Mari­no, Msgr. Lui­gi Negri, war einer der weni­gen west­li­chen Bischö­fe, die Papst Bene­dikt XVI. nach des­sen Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum ein Dank­schrei­ben schick­ten. In einem gestern in La voce di Roma­gna erschie­ne­nen Inter­view sprach er über die „Reform der Reform“ des Hei­li­gen Vaters.

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Msgr. Negri lehr­te Geschich­te der Phi­lo­so­phie und Ein­füh­rung in die Theo­lo­gie an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Mai­land. 2005 wur­de er von Papst Johan­nes Paul II. zum Bischof von San Mari­no-Mon­te­fel­t­ro ernannt. Der Groß­teil der Diö­ze­se liegt in Ita­li­en, umfaßt aber auch den sou­ve­rä­nen Zwerg­staat San Mari­no. Er war ein enger Mit­ar­bei­ter von Don Lui­gi Giu­s­sa­ni, dem Grün­der der  Gemein­schaft Com­mu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne (Gemein­schaft und Befrei­ung), deren inter­na­tio­na­lem Vor­stand er angehört.

„In der Bezie­hung mit der Lit­ur­gie ent­schei­det sich das Schick­sal des Glau­bens und der Kir­che“, schreibt Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger in der „Theo­lo­gie der Lit­ur­gie“, dem ersten Band sei­ner Gesam­mel­ten Wer­ke. Am 27. Novem­ber bei der Ves­per für das unge­bo­re­ne Leben zum Advents­be­ginn bezeich­ne­te er die Lit­ur­gie als „den Ort, an dem wir die Wahr­heit leben und wo die Wahr­heit mit uns lebt“.
Exzel­lenz, das Haupt­merk­mal die­ses Pon­ti­fi­kats ist die Bezie­hung zwi­schen Glau­ben und Ver­nunft: War­um also das Behar­ren auf der Liturgie?

Negri: Die Lit­ur­gie ist das Leben von Chri­stus, das sich in der Kir­che ver­wirk­licht und die Chri­sten exi­sten­ti­ell mit­ein­be­zieht. Die Lit­ur­gie ist nicht ein­fach ein Kult, der vom Men­schen an Gott gerich­tet ist, wie es in den aller­mei­sten reli­giö­sen For­men der Fall ist. Die Lit­ur­gie ist die tief­grei­fen­de Ver­wirk­li­chung von Leben, Lei­den, Tod und Auf­er­ste­hung des Herrn, die auf sakra­men­ta­le Form Gestalt annimmt und die Chri­sten im sub­stan­ti­el­len und grund­le­gen­den Sinn mit­ein­be­zieht, indem sie sie Chri­stus und der Kir­che durch die Sakra­men­te ange­hö­ren läßt. Die Lit­ur­gie ver­tei­digt die Rea­li­tät Chri­sti und der Kirche. (…)

Seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil, aber in Ansät­zen bereits vor­her, begann hin­ge­gen eine lang­sa­me ‚Sozia­li­sie­rung‘ der Lit­ur­gie, als bestün­de der Wert der Lit­ur­gie in der Mög­lich­keit, daß das soge­nann­te christ­li­che Volk aktiv an einem Ereig­nis teil­neh­me, das dadurch in der Pra­xis sei­nes sakra­men­ta­len Cha­rak­ters ent­leert und zu einer Initia­ti­ve katho­li­schen Zusam­men­seins wur­de. Ich bin davon über­zeugt, daß mit der Lit­ur­gie­fra­ge die Wahr­heit des Glau­bens auf dem Spiel steht. Des­halb mei­ne ich, daß die Ver­tei­di­gung der voll­stän­di­gen Glau­bens­leh­re von der Wahr­heit abhängt, mit der die Lit­ur­gie zele­briert und gelebt wird.

Zwei Aspek­te schei­nen zen­tral im Band „Theo­lo­gie der Lit­ur­gie“ von Kar­di­nal Ratz­in­ger: Erstens das Über­ge­wicht, das sich lei­der bewahr­hei­tet hat, im Ver­ständ­nis der Mes­se als Ver­samm­lung, als „Ereig­nis einer bestimm­ten Grup­pe oder einer Orts­kir­che“, eines Mahls und daher die Teil­nah­me ver­stan­den als Han­deln ver­schie­de­ner Per­so­nen, das sich je nach Autor manch­mal in eine wah­re Par­odie ver­wan­delt. Zwei­tens die Zele­bra­ti­on zum Volk hin, was auf­grund einer Rei­he von Miß­ver­ständ­nis­sen und Zwei­deu­tig­kei­ten „heu­te wie eine Frucht der lit­ur­gi­schen Erneue­rung erscheint, die das Kon­zil woll­te“, wie der Papst schreibt. Die Kon­se­quenz: die Gemein­schaft als in sich geschlos­se­ner Kreis und eine nie zuvor gekann­te Kle­ri­ka­li­sie­rung in der alles auf den Zele­bran­ten aus­ge­rich­tet ist.

Negri: Ich stim­me dar­in über­ein, daß der Papst in der Lit­ur­gie die „Reform der Reform“ des Kon­zils fort­set­zen muß. Es muß aber auch mit aller Deut­lich­keit gesagt wer­den, daß der Papst sich schwer­tut die­se „Reform der Reform“ umzu­set­zen. Es gibt gar nicht so pas­si­ve, nega­ti­ve Wider­standsten­den­zen. Die nach­kon­zi­lia­re Lit­ur­gie­re­form war in nicht weni­gen Fäl­len eine Pseu­do­in­ter­pre­ta­ti­on oder mach­te Aus­nah­men zur Regel – man den­ke nur an das Pro­blem der Spra­che oder an die Hand­kom­mu­ni­on. Es gab regel­rech­te Hand­strei­che von Bischofs­kon­fe­ren­zen gegen Rom. Die schwa­che vati­ka­ni­sche Reak­ti­on war wahr­schein­lich durch Span­nun­gen und Gegen­span­nun­gen im Inne­ren der Struk­tu­ren bedingt, die eine exak­te Inter­pre­ta­ti­on und Anwen­dung des Kon­zils sicher­stel­len hät­ten sol­len. (…) Der Gegen­satz besteht also zwi­schen einer Ver­ge­mein­schaft­li­chung der Lit­ur­gie, die zur Anwen­dung der mensch­li­chen Gesetz­mä­ßig­kei­ten gemein­schaft­li­chen Ver­hal­tens auch in der Lit­ur­gie führt und die Gemein­schaft und den Prie­ster zum Sub­jekt macht und in den Mit­tel­punkt stellt auf der einen Sei­te und der Rück­füh­rung des wah­ren Sub­jekts der eucha­ri­sti­schen Zele­bra­ti­on in das Zen­trum, das Jesus Chri­stus selbst ist.

Alles, was das Bewußt­sein der Real­prä­senz Chri­sti zugun­sten der Anwe­sen­heit der Gemein­schaft redu­ziert, bedeu­tet einen Ver­lust der eigent­li­chen Bedeu­tung. In der Zeit, als die Lit­ur­gie­re­form nach dem Kon­zil umge­setzt wur­de, schrieb eine der höch­sten vati­ka­ni­schen Per­sön­lich­kei­ten – ich kann hier nicht sagen wer, aber ich bezeu­ge den Inhalt, weil ich ihn selbst gele­sen habe -, daß damit die Fei­er der Mes­se end­lich wie­der „ein gesun­des Übungs­feld katho­li­scher Gemein­schaft­lich­keit“ wer­de. Statt der Real­prä­senz von Chri­stus, der stirbt und auf­er­steht, der das neue Volk Got­tes schafft: „ein gesun­des Übungs­feld katho­li­scher Gemeinschaftlichkeit“.

Kön­nen Sie zumin­dest sagen, ob es sich um jemand han­del­te, der eine Stu­fe über Mon­si­gno­re Bug­nini stand?

Negri: Vie­le Stu­fen höher als Mon­si­gno­re Bugnini.

Vie­le Bischö­fe und Ordens­obe­re haben sich der Umset­zung des Motu pro­prio wider­setzt, dies erklär­te der Vize­prä­si­dent der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei ein Jahr nach der Ver­laut­ba­rung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum, mit der Papst Bene­dikt XVI. die tra­di­tio­nel­le triden­ti­ni­sche Lit­ur­gie öffent­lich frei­gab . Eine schwer­wie­gen­de Ankla­ge, geht es doch um bischöf­li­chen Unge­hor­sam. Wie sieht es in Ihrer Diö­ze­se aus?

Negri: Ich habe mich bemüht, den tie­fe­ren Sinn die­ses Motu pro­prio mei­nem Kle­rus zu erklä­ren und die päpst­li­che Wei­sung umzu­set­zen. Aller­dings muß ich auch sagen, daß bis heu­te die Durch­füh­rungs­be­stim­mun­gen feh­len, die wir seit Jah­ren erwar­ten. Kon­kret wer­den heu­te dort, wo der Bischof gehorch­te, wie ich es tat, nicht über­all Mes­sen im alten Ritus gefei­ert, aber über­all dort, wo es nach den Vor­ga­ben des Motu pro­prio bean­tragt wurde.

Wenn ich bereits sag­te, daß der Papst Schwie­rig­kei­ten hat, die „Reform der Reform“ umzu­set­zen, dach­te ich auch an die nach mehr als drei Jah­ren noch immer aus­ste­hen­den Durch­füh­rungs­be­stim­mun­gen für das Motu pro­prio. Mir scheint dabei, daß sich der Wider­stand nicht so sehr gegen das Motu pro­prio rich­tet, viel­mehr wol­len man­che nicht, daß die Lit­ur­gie­re­form, die bis­her domi­nie­ren­de Inter­pre­ta­ti­on der Kon­zils­tex­te und die prak­ti­schen Fol­gen in der Lit­ur­gie in Fra­ge gestellt wer­den. (…) Mei­ner Mei­nung nach gibt es einen erheb­li­chen Teil in der Kir­che, der der Mei­nung ist, daß die Refor­men nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil alles vor­her Gewe­se­ne aus­ge­löscht hät­ten. Über die­se Her­me­neu­tik des Bruchs fand der Papst kla­re und ein­deu­ti­ge Worte.

Wie zele­brier­te Don Lui­gi Giu­s­sa­ni die Hei­li­ge Messe?

Negri: Ich habe Giu­s­sa­ni nach dem Ritus des hl. Pap­stes Pius V. zele­brie­ren sehen. Und ich sah ihn nach der refor­mier­ten Lit­ur­gie zele­brie­ren und er tat es immer im vol­len Bewußt­sein, Stell­ver­tre­ter Chri­sti in einem Moment der Gna­de zu sein. (…) Ich den­ke, daß er bei der Lit­ur­gie wie bei ande­ren Fra­gen des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils eini­ge Inter­pre­ta­ti­ons­schwie­rig­kei­ten hat­te, wie sie nun all­ge­mein aner­kannt wer­den. So stimmt es voll­kom­men, wenn nun 40 Jah­re spä­ter Papst Bene­dikt XVI. sagt, daß jetzt die authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zils beginnt.

(Messainlatino/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di, Bild: Diö­ze­se San Marino-Montefeltro)

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