Msgr. Fellay: Konzil stillschweigend überwinden und Verurteilung verschieben


(Paris) Nach einem Inter­view des Ersten Assi­sten­ten Pater Niklaus Pflü­ger, gab nun der Gene­ral­obe­re der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X., Msgr. Ber­nard Fel­lay, selbst ein Inter­view, in dem er über den Stand der Gesprä­che mit Rom spricht. Anlaß für das Gespräch mit La Por­te Lati­ne ist der 40. Jah­res­tag der Grün­dung der Prie­ster­bru­der­schaft. Katho­li­sches – Maga­zin für Kul­tur und Kir­che doku­men­tiert das Gespräch in sei­nen wich­tig­sten Tei­len in deut­scher Sprache.

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Konn­ten Sie wäh­rend Ihrer Rei­se durch alle Kon­ti­nen­te fest­stel­len, daß die Bru­der­schaft und Erz­bi­schof Lefeb­v­re auf unter­schied­li­che Wei­se wahr­ge­nom­men wer­den? Sind der Grün­der und sein Werk noch immer Objekt eines gewis­sen Miß­trau­ens oder befin­den sich die Din­ge seit 1970 in dau­ern­der Entwicklung?

Sie ent­wickeln sich nicht sehr, von eini­gen Aus­nah­men abge­se­hen. Es scheint mir doch erstaun­lich, daß die Bru­der­schaft auf der gan­zen Welt in der­sel­ben Wei­se wahr­ge­nom­men wird, das heißt, sie wird von der gro­ßen Mehr­heit der Bischö­fe abge­lehnt und von einer kei­nen Her­de von See­len, die treu blei­ben wol­len, geschätzt. Ich den­ke, das ist eine geeig­ne­te bild­li­che Dar­stel­lung vom Aus­maß der Kri­se, wie auch ihres inne­ren Zusammenhangs.

Las­sen sich zumin­dest in Rom Ver­än­de­run­gen wahr­neh­men? Hat das Werk Msgr. Lefeb­v­res eine Wir­kung auf die höch­sten Instan­zen der Kirche?

In Rom ist eine gewis­se Ver­än­de­rung uns gegen­über von Bedeu­tung, wenn des­sen Aus­wir­kun­gen auch noch nicht beson­ders groß sind. Mir scheint, daß unse­re Arbeit von eini­gen geschätzt, von ande­ren hin­ge­gen gehaßt wird. Die Reak­tio­nen uns gegen­über sind sehr wider­sprüch­lich. Wir kön­nen deut­lich sehen, daß es zwei Lager gibt, eines ist uns wohl­ge­son­nen, das ande­re feind­lich gesinnt, was die Bezie­hun­gen eini­ger­ma­ßen erschwert, weil wir uns stän­dig fra­gen müs­sen, wer schließ­lich das letz­te Wort haben wird. Den­noch bleibt die Tat­sa­che, daß jene, die dem Papst treu sind, uns mit Respekt behan­deln und sich von uns viel für die Kir­che erwar­ten. Um jedoch kon­kre­te Aus­wir­kun­gen zu sehen, wird man noch war­ten müssen!

40 Jah­re sind an sich eine kur­ze Zeit und zugleich aber aus­rei­chend lang genug, daß eine gro­ße Zahl der Gläu­bi­gen kei­ne per­sön­li­che Erin­ne­rung mehr an das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil haben. Besteht nicht die Gefahr, daß durch die grö­ßer wer­den­de zeit­li­che Ent­fer­nung vom Kon­zil, auch in Bru­der­schaft eine gewis­sen Bequem­lich­keit ein­tritt bei Prie­stern und Gläu­bi­gen, sich mit der (der­zei­ti­gen) Situa­ti­on zufrie­den zu geben?

Es besteht ohne Zwei­fel die Gefahr, sich in einer gewis­sen prak­ti­schen Auto­no­mie ein­zu­schlie­ßen. Viel von die­sem Ver­hal­ten muß der Situa­ti­on ange­la­stet wer­den, in der wir uns befin­den, der einer ver­wei­ger­ten Tra­di­ti­on. Des­halb ver­su­chen wir die Sicht­wei­se der Gläu­bi­gen zu erwei­tern, indem wir ihnen von der Kir­che und von Rom spre­chen. Es ist sehr wich­tig einen römi­schen Geist zu bewah­ren. Unse­re Anhäng­lich­keit an Rom darf nicht nur sym­bo­li­scher Art sein, son­dern muß sehr kon­kret sein. Dar­in liegt auch ein Beweis für unse­re Treue zur Kirche.

Vor einem Jahr wur­den die Gesprä­che über die Glau­bens­leh­re zwi­schen Exper­ten des Hei­li­gen Stuhls und der Bru­der­schaft eröff­net. Wir sind uns bewußt, daß die­se Gesprä­che mit größ­ter Dis­kre­ti­on geführt wer­den und ein gro­ßer Teil der Gläu­bi­gen für einen glück­li­chen Aus­gang betet. Ohne in Details zu gehen, müs­sen wir uns bald ein unab­wend­ba­res Schei­tern oder viel­mehr eine unum­stöß­li­che Restau­ra­ti­on erwarten?

Mit Blick auf den Fort­gang die­ser Gesprä­che, den­ke ich nicht, daß sie zu einem abrup­ten Abbruch oder einer plötz­li­chen Lösung füh­ren wer­den. Es begeg­nen sich zwei Men­ta­li­tä­ten, aber der Wil­le ins Gespräch zu kom­men – auf theo­lo­gi­scher Ebe­ne – ist sehr real. Gera­de des­halb kön­nen die Früch­te, auch wenn die Ent­wick­lung mög­li­cher­wei­se lan­ge dau­ern wird, sehr viel­ver­spre­chend sein.

Muß man sich von die­sen Gesprä­chen eine ent­schie­de­ne Ver­ur­tei­lung des Kon­zils durch Rom erwar­ten oder wird man das Kon­zil am Ende ohne Wider­spruch aner­ken­nen müs­sen? Wie muß man sich den Aus­gang einer sol­chen lehr­amt­li­chen Kri­se vorstellen?

Mir scheint, wenn eine Ver­ur­tei­lung des Kon­zils ein­mal ein­tre­ten soll­te, dann wird dies nicht mor­gen sein. Jeden­falls wird klar deut­lich, daß es einen Wil­len gibt, der der­zei­ti­gen Lage Abhil­fe zu schaf­fen. Über die Lage der Kir­che, die beson­ders schwer­wie­gend ist, stim­men in vie­len Punkt unse­re Ein­schät­zun­gen [der Pius­bru­der­schaft und Roms] über­ein, sowohl bezüg­lich Glau­bens­leh­re als auch der Moral und der Dis­zi­plin. Den­noch domi­niert in Rom noch immer jene Rich­tung, die das Kon­zil ent­la­sten will: man will nicht bis zum Kon­zil vor­drin­gen, son­dern sucht ande­re Grün­de für die Kri­se, aber nie­mals beim Kon­zil! Ange­sichts des vor­herr­schen­den psy­cho­lo­gi­schen Kli­mas scheint es leich­ter, das Kon­zil still­schwei­gend zu über­win­den, indem man ein­fach an die unver­än­der­li­che Leh­re der Kir­che anknüpft und eine direk­te Ver­ur­tei­lung auf einen spä­te­ren Zeit­punkt ver­schiebt. Ich mei­ne, daß im der­zei­ti­gen Kon­text eine Ver­ur­tei­lung schlicht­weg nicht ver­stan­den würde.

In einem vor kur­zem erschie­nen Buch über das Zwei­te Vati­ca­num des römi­schen Theo­lo­gen Msgr. Ghirar­di­ni kommt der Autor zu einem recht alar­mie­ren­den Fest­stel­lung über die Kir­che. Er läßt erken­nen, daß eine Les­art des Kon­zils in der Kon­ti­nui­tät der Tra­di­ti­on gar nicht so sicher mög­lich ist und appel­liert fei­er­lich an den Papst, daß die gro­ße Arbeit einer lehr­amt­li­che Klä­rung vor­ge­nom­men wird. Wie soll man die­ses Buch aufnehmen?

Es ist nicht als Buch auf­zu­neh­men, das von uns kommt oder sich an uns rich­tet. Es rich­tet sich an die Katho­li­ken und die im Amt befind­li­che Hier­ar­chie auf der ande­ren Sei­te. Von die­sem Blick­win­kel aus betrach­tet ist die­ses Buch von gro­ßer Bedeu­tung, da es das Kon­zil, so wie es rezi­piert wird, infra­ge stellt. Es bricht ein Tabu. Wenn wir dies tun, lösen wir bei vie­len unse­rer Ansprech­part­ner einen Ver­tei­di­gungs­re­flex aus, der jede wei­te­re Dis­kus­si­on blockiert. Wenn der Schlag jedoch aus deren eige­nen Rei­hen erfolgt, stellt er vie­le Din­ge in Fra­ge. Die­ses Buch ist objek­tiv von Bedeu­tung. Es könn­te einer jener Fun­ken sein, die geeig­net sind ein gro­ßes Feu­er zu entfachen.

(Le Por­te Latine/​Giuseppe Nar­di, Bild: Le Por­te Latine)

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