Internationale Kampagne für ein Abtreibungsmoratorium


Am 18. Dezem­ber 2007 ver­ab­schie­de­ten die Ver­ein­ten Natio­nen in New York mit den Stim­men von 104 Staa­ten ein Mora­to­ri­um zur Todes­stra­fe. Die Ent­schei­dung wur­de als gro­ßer zivi­li­sa­to­ri­scher Sieg gefei­ert und all­ge­mein begrüßt. Ein Mora­to­ri­um bedeu­tet die einst­wei­li­ge Aus­set­zung einer Maß­nah­me. Im kon­kre­ten Fall for­dern die Ver­ein­ten Natio­nen alle Staa­ten auf, kei­ne Todes­ur­tei­le mehr zu exekutieren.

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Als die Nach­richt aus New York in den Redak­tio­nen ein­traf, ver­faß­te Giu­lia­no Fer­ra­ra, Chef­re­dak­teur der libe­ra­len ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung Il Foglio den Leit­ar­ti­kel für die Aus­ga­be des näch­sten Tages. Dar­aus wur­de ein lei­den­schaft­li­cher Appell für das Leben mit der For­de­rung: „Jetzt auch ein Abtreibungsmoratorium“.

Fer­ra­ra schreibt in sei­nem Appell: „Freu­en wir uns“ über die Ver­ab­schie­dung des Mora­to­ri­ums zur Todes­stra­fe, „beschlie­ßen wir nun“ – als logi­sche Fort­set­zung – „auch ein Abtrei­bungs­mo­ra­to­ri­um“. Das erreich­te Mora­to­ri­um zur Todes­stra­fe sei erst das „Klei­ne Mora­to­ri­um“, „laßt uns nun das Gro­ße Mora­to­ri­um gegen das Blut­bad an Unschul­di­gen voranbringen“.

Die Dis­kus­si­on um den Lebens­schutz hat eine völ­lig neue Dimen­si­on erreicht. Die For­de­rung nach einem umfas­sen­den Schutz des mensch­li­chen Lebens kommt nicht von der katho­li­schen Kir­che, son­dern von einem der bedeu­tend­sten Intel­lek­tu­el­len des lai­zi­sti­schen Lagers.

Fer­ra­ra löste damit in Ita­li­en umge­hend eine leb­haf­te, teil­wei­se hit­zi­ge Debat­te aus. Genau die­se woll­te Fer­ra­ra, ein „Quer­den­ker und bril­lan­ter Rhe­to­ri­ker“ (Gui­do Horst in der Tages­post), pro­vo­zie­ren. Er baut sei­ne Argu­men­ta­ti­on gegen die Abtrei­bung auf zwei­er­lei auf: „die Ver­nunft und das Recht, die Din­ge beim Namen nen­nen zu dür­fen – daß näm­lich Abtrei­bung die Tötung eines unschul­di­gen Men­schen ist.“

Am 3. Janu­ar legt Fer­ra­ra nach. Seit die Regie­run­gen der ein­zel­nen Staa­ten die Abtrei­bung lega­li­siert haben, habe sich viel gewan­delt, „nicht nur die Ultra­schall­bil­der, die sicht­bar machen, wo man so tat, als wür­de man nichts sehen.“ Es habe sich aber auch die „Men­ta­li­tät gewan­delt, in erheb­li­chem Maße das eige­ne Selbst­ver­ständ­nis, das der ande­ren, und auch die Bedeu­tung einer frei­en Gesell­schaft“. Des­halb „träu­me“ er von „fünf Mil­lio­nen Pil­gern für das Leben und die Lie­be“, die im kom­men­den Som­mer in Rom mit der For­de­rung nach einem Abtrei­bungs­mo­ra­to­ri­um zusam­men­kom­men und die die­sen Wan­del bekräf­ti­gen und für alle sicht­bar machen wür­den, „les­bar auch für jene Blin­den und Kurz­sich­ti­gen, die so tun als wäre nichts gesche­hen und wei­ter­hin Zeit ver­lie­ren mit der Idee, daß der Mensch gene­tisch so sehr dem Affen ähn­lich sei, daß er sich viel schlim­mer als jeder Affe beneh­men kön­ne.“ Fer­ra­ra schlägt dafür auch gleich einen ein­gän­gi­gen Slo­gan vor. In Abwand­lung eines bekann­ten Wor­tes von Bert­rand Rus­sell: „Make love not war“, for­dert Fer­ra­ra: „Make love not abor­ti­on“, „Macht Lie­be nicht Abtrei­bung“. Am 5. Janu­ar ergänzt Fer­ra­ra sei­nen Appell und regt kon­kret eine Ergän­zung der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te an. Arti­kel 3: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Frei­heit und Sicher­heit der Per­son“, soll­te nach dem ersten Kom­ma mit dem Zusatz „von der Zeu­gung bis zum natür­li­chen Tod“ erwei­tert wer­den. Das wäre „ipso fac­to ein Mora­to­ri­um“ und „eine Ver­pflich­tung für die gesam­te Poli­tik, das mensch­li­che Leben, das gebo­re­ne und das unge­bo­re­ne, zu schützen“.

Für sei­nen Appell ern­tet Fer­ra­ra bis­si­ge Kri­tik und auch hef­ti­gen Spott, fin­det aber auch zahl­rei­che Zustim­mung, die über gewohn­te ideo­lo­gi­sche Gren­zen hin­aus­geht. Es sol­len nur zwei Bei­spie­le ange­führt wer­den: Beim tra­di­tio­nel­len Neu­jahrs­emp­fang der 176 beim Hei­li­gen Stuhl akkre­di­tier­ten Bot­schaf­ter macht sich Papst Bene­dikt XVI. das The­ma zu eigen und for­dert eine freie öffent­li­che Dis­kus­si­on „über die Wür­de des mensch­li­chen Lebens“ und „über den hei­li­gen Cha­rak­ter des mensch­li­chen Lebens“, das durch „bestän­di­ge, in allen Kon­ti­nen­ten ver­brei­te­te Angrif­fe“ bedroht wer­de. Die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung titelt am 8. Janu­ar: „Papst for­dert Abtreibungsmoratorium“.

Eben­so schließt sich der indi­sche Kom­mu­nist, Athe­ist und Bür­ger­recht­ler Lenin Rag­ha­var­shi der For­de­rung Fer­ra­ras an. Ragh­var­shi ist Vor­sit­zen­der des People’s Vigi­lan­ce Com­mit­tee On Human Rights, (Pvchr). Der Trä­ger des Men­sch­rechts­prei­ses Gwang­ju 2007 for­dert den Schutz des Lebens „von der Zeu­gung an“ und klagt vor allem die „selek­ti­ve Abtrei­bung“ an, die in Staa­ten wie Indi­en und der Volks­re­pu­blik Chi­na weit­ver­brei­tet ist.

Fer­ra­ras For­de­rung, den Kampf gegen die Todes­stra­fe nicht auf hal­bem Weg abzu­bre­chen, son­dern kon­se­quent auf jede Form der Todes­stra­fe aus­zu­wei­ten, zieht immer wei­te­re Krei­se. Sein Ruf nach einem „Gro­ßen Mora­to­ri­um zur Todes­stra­fe“, die auch ein Abtrei­bungs­mo­ra­to­ri­um mit­ein­schließt, nimmt die Dimen­si­on einer inter­na­tio­na­len Kam­pa­gne an.

(RP)

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