Fünf Ratschläge für den Pfarrer

Jeder kann das Gute wählen, wenn er es wirklich will


Von Guil­ler­mo Vil­la Trueba*

Anzei­ge

Fra­gen sind fas­zi­nie­ren­de klei­ne Geschöp­fe – sie kom­men in allen Grö­ßen und Schat­tie­run­gen daher.

  • Es gibt ganz ein­fa­che, sol­che, die bei­na­he jedes Kind beant­wor­ten könn­te:
    Wie alt bist du? Magst du Erd­beer­eis? Wel­cher Dino­sau­ri­er ist dein Lieblingsdino?
  • Dann gibt es die mit Zäh­nen und Klau­en: Fra­gen, die Ver­stand, Ernst­haf­tig­keit und Nach­denk­lich­keit ver­lan­gen:
    Wie lau­tet die Dia­gno­se des Pati­en­ten? Wie läßt sich die Ren­ta­bi­li­tät des Unter­neh­mens stei­gern? Soll­te man ein bestimm­tes Gesetz reformieren?
  • Und schließ­lich gibt es eine drit­te Art, die „ehr­wür­di­gen Fra­gen“, vor denen man ehr­furchts­voll den Hut zieht, sich nach­denk­lich am Kopf kratzt und lie­ber eine Zeit­lang schweigt, um sie inner­lich zu erwägen.

Eine sol­che Fra­ge war es, die mir unlängst ein lie­ber Prie­ster­freund stell­te – ein umtrie­bi­ger, klu­ger und scharf­sin­ni­ger Costaricaner:

„Don Guil­ler­mo, Sie sind viel in der Welt her­um­ge­kom­men und ken­nen die Lage unse­rer Kir­che an vie­len Orten. Sagen Sie mir: Wel­che kon­kre­ten Bedürf­nis­se sehen Sie? Wel­che Rat­schlä­ge wür­den Sie einem Pfar­rer geben, der sei­ne Pfar­rei ver­bes­sern möchte?“

Er sprach es so bei­läu­fig aus, als fra­ge er, wie wohl mor­gen das Wet­ter wer­de – und blieb danach völ­lig gelas­sen (so sind Prie­ster eben!).

Natür­lich darf man eine sol­che Fra­ge nicht hastig „ver­rau­chen“ wie eine bil­li­ge Selbst­ge­dreh­te; sie ver­langt, daß man sie genießt wie eine gute Zigar­re – mit Zeit, Bedacht und Sorg­falt. Zudem läuft man, wenn man sich auf der­art heik­les Ter­rain begibt, leicht Gefahr, sich in Neben­schau­plät­ze zu ver­ir­ren – etwa in die Debat­te, ob der Zugang zur triden­ti­ni­schen Mes­se erwei­tert oder der ver­pflich­ten­de prie­ster­li­che Zöli­bat abge­schafft wer­den sol­le. Doch dem gewöhn­li­chen Pfar­rer steht es weder zu, ehr­gei­zi­ge lit­ur­gi­sche Refor­men zu ergrei­fen noch jahr­hun­der­te­al­te kirch­li­che Dis­zi­pli­nen zu ändern.

Sei­ne hohe und edle Auf­ga­be ist es, die ihm anver­trau­te Her­de zu den grü­nen Auen des Heils zu füh­ren – im Auf­trag Chri­sti, des Guten Hir­ten schlechthin.

Nach eini­gen Tagen des Nach­sin­nens erlau­be ich mir daher, die­sem geschätz­ten Freund – und jedem Prie­ster, der es hören möch­te – fünf beschei­de­ne Rat­schlä­ge zu unter­brei­ten. Ich tue dies still und lei­se, auf sei­ne Bit­te hin, und vor allem im Gei­ste des canon 212 des Codex Iuris Cano­ni­ci, der den Lai­en nicht nur das Recht, son­dern auch die Pflicht auf­er­legt, ihre Mei­nung über das Wohl der Kir­che gegen­über ihren Hir­ten und Mit­chri­sten zu äußern.

Ich tei­le die­se Gedan­ken in der Über­zeu­gung, daß die Mühe nicht ver­geb­lich war, wenn auch nur einer davon für einen Prie­ster frucht­bar ist.

1. Die eschatologischen Themen wieder in die Predigt aufnehmen – die letzten Dinge verkünden

Die feu­ri­gen Pre­dig­ten über Sün­de, Höl­le, teuf­li­sche Ver­su­chung, Fege­feu­er und Jüng­stes Gericht – jene The­men, die jahr­hun­der­te­lang die Her­zen der Gläu­bi­gen ent­flamm­ten – sind weit­hin von den Kan­zeln ver­schwun­den. An ihre Stel­le tra­ten moti­vie­ren­de Anspra­chen über Selbst­ver­wirk­li­chung und sozia­les Engagement.

Wenn in den letz­ten Jahr­zehn­ten pro­te­stan­ti­sche Sek­ten in vie­len Regio­nen His­pano­ame­ri­kas und Spa­ni­ens gro­ßen Zulauf erhal­ten haben, dann liegt das nicht zuletzt dar­an, daß ihre (selbst­er­klär­ten) „Pasto­ren“ noch den Mut haben, über jene letz­ten Din­ge zu spre­chen, denen vie­le katho­li­sche Prie­ster aus Furcht vor Anstoß ausweichen.

Dabei gilt: Die Treue zur kirch­li­chen Leh­re darf kei­ne gele­gent­li­che Aus­nah­me sein, son­dern muß der stän­di­ge Grund­ton jeder Pre­digt blei­ben. Und doch ist die Rede über die „letz­ten Din­ge“ – oder, wie Pater Castel­la­ni sagen wür­de, die „escha­to­lo­gi­schen“ – selbst bei recht­gläu­bi­gen Prie­stern sel­ten geworden.

Wir dür­fen nicht ver­ges­sen: Die Kir­che ist kein Selbst­hil­fe­ver­ein und kei­ne NGO. Sie ist die Braut Chri­sti – ihre zen­tra­le Sen­dung ist die salus ani­ma­rum, das Heil der See­len. Nur sie ver­mag Ant­wort zu geben auf die tief­sten Fra­gen des mensch­li­chen Herzens.

Wie der hei­li­ge Augu­sti­nus sag­te: „Du hast uns auf Dich hin geschaf­fen, o Herr, und unru­hig ist unser Herz, bis es ruht in Dir.“
Mit weni­ger Fein­füh­lig­keit aus­ge­drückt: Unser Herz wird weder im sozia­len Akti­vis­mus noch in der viel­ge­prie­se­nen „uni­ver­sel­len Brü­der­lich­keit“ Frie­den fin­den – son­dern allein in Ihm. 

2. Mit Mut und ohne falsche Rücksicht predigen – das Gute vom Bösen unterscheiden

Man darf kei­ne Angst haben, zu leh­ren, zu for­dern und – wenn nötig – zu tadeln. Es wäre ein schwe­rer Irr­tum anzu­neh­men, die Mehr­heit der Gläu­bi­gen ken­ne den Kate­chis­mus in- und aus­wen­dig. Vie­le haben nie von den „stren­ge­ren“ Leh­ren der Kir­che gehört.

Doch Chri­stus ruft uns – Kle­ri­ker wie Lai­en – dazu auf, alles hin­ter uns zu las­sen, das Kreuz auf uns zu neh­men und Ihm zu fol­gen. Mit Mut.

In einer Welt, in der die Ein­flüs­se des Zeit­gei­stes die Unter­schei­dung zwi­schen Tugend und Sün­de bei­na­he aus­ge­löscht haben, braucht das Gewis­sen unse­rer Zeit drin­gend Ori­en­tie­rung. Wer von uns hat sich nicht schon von fal­schem Mit­leid lei­ten las­sen – aus Angst, jeman­dem weh zu tun oder als „into­le­rant“ zu gelten?

Dar­um müs­sen unse­re Hir­ten wie­der vom Ambo oder der Kan­zel aus klar und lie­be­voll, aber ohne Beschö­ni­gung leh­ren, was die Kir­che wirk­lich sagt – und was Chri­stus von uns erwartet.

3. Die Eucharistie ins Zentrum stellen – die reale Gegenwart betonen und zur Gewissens­prüfung anregen

Ein auf­fäl­li­ges Phä­no­men in vie­len Pfar­rei­en, beson­ders in den USA: Bei der Kom­mu­ni­on tre­ten fast alle Gläu­bi­gen an den Altar – wie eine ein­zi­ge Men­ge – wäh­rend die Beicht­stüh­le leer blei­ben. In etli­chen Gemein­den gibt es nur ein oder zwei Beicht­zei­ten pro Woche – oft zu unpas­sen­den Stunden.

Gegen die­ses Übel, das längst auch Spa­ni­en und Latein­ame­ri­ka erfaßt hat, hilft nur eines: die Ver­kün­di­gung der wah­ren Gegen­wart Chri­sti in der Eucha­ri­stie. Denn soll­ten wir nicht den höch­sten Respekt vor dem leben­di­gen Gott haben, der in Leib, Blut, See­le und Gott­heit wirk­lich gegen­wär­tig ist?

Der Prie­ster hat dafür zu sor­gen, daß aus­rei­chend Beicht­ge­le­gen­hei­ten bestehen, und die Gläu­bi­gen zu leh­ren, daß der Emp­fang der Kom­mu­ni­on im Zustand schwe­rer Sün­de ihre eige­ne See­le gefähr­det. Denn – so mahnt der hei­li­ge Pau­lus – wer unwür­dig ißt und trinkt, „ißt und trinkt sich das Gericht“. So ein­fach – und so ernst – ist es.

4. Der Liturgie ihre Ehrfurcht zurückgeben – Schluß mit Lässigkeit und Improvisation

Das pasto­ra­le Pro­blem unse­rer Zeit ist nicht mehr eine „gesetz­li­che Starr­heit“ ver­gan­ge­ner Tage, son­dern der Man­gel an Ehr­furcht. Die­ser reicht von schlich­ter Nach­läs­sig­keit bis zu den gröb­sten lit­ur­gi­schen Mißbräuchen.

Man braucht nicht ein­mal die extre­men Fäl­le – Regen­bo­gen­fah­nen auf dem Altar oder Prie­ster im Clowns­ko­stüm – zu bemü­hen. Schon das Para­phra­sie­ren des Meß­buchs, das Über­las­sen der Pre­digt an Lai­en, das Anspre­chen Got­tes als „Mut­ter“ oder das Ver­wei­gern der Mund­kom­mu­ni­on sind Ver­stö­ße, die vie­ler­orts zur Gewohn­heit gewor­den sind.

Wenn aber jun­ge Men­schen – oder Neu­an­kömm­lin­ge im Glau­ben – in der Lit­ur­gie kei­ne Wür­de und kei­ne hei­li­ge Ernst­haf­tig­keit erken­nen, wie sol­len sie dann glau­ben, daß sie sich hier wirk­lich in der Gegen­wart des Herrn des Him­mels und der Erde befinden?

Die ein­fach­ste Lösung steckt in einem eng­li­schen Sprich­wort: „Say the black, do the red.“ Das bedeu­tet: Sprich mit Andacht die in Schwarz gedruck­ten Tex­te und füh­re gewis­sen­haft die in Rot bezeich­ne­ten Hand­lun­gen aus. Mehr braucht es nicht, um eine ehr­fürch­ti­ge Fei­er sicherzustellen.

Wir Gläu­bi­gen – beson­ders die jun­gen – wol­len kei­ne „krea­ti­ven“ Ein­fäl­le mehr. Wir seh­nen uns nach der Schön­heit und Ernst­haf­tig­keit der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie, deren wir um einer ver­meint­li­chen Moder­ni­tät wil­len beraubt wur­den. Denn die Art, wie wir Gott ver­eh­ren, ist kein Neben­ding: Lex oran­di, lex cre­den­di, lex viven­di.

5. Die feierliche Musik und das Latein wiederbeleben – im Geist des Konzils von 1963

In „Der Geist der Lit­ur­gie“ schreibt der Papst aus Bay­ern, die katho­li­sche Lit­ur­gie sei stets eine „kos­mi­sche Lit­ur­gie“, da wir in der Mes­se ein­tre­ten in eine Fei­er, die uns vor­aus­geht und uns mit Engeln und den Hei­li­gen aller Zei­ten vereint.

Dar­um sol­len wir die Lit­ur­gie nicht mit sub­jek­ti­ven Aus­drucks­for­men mensch­li­chen Wil­lens über­flu­ten, son­dern uns in die Tra­di­ti­on ein­fü­gen. Nur so ent­kom­men wir der Ver­ein­ze­lung und fin­den Gemein­schaft in der Com­mu­nio sanc­torum.

Musik und Spra­che sind die bei­den gro­ßen Trä­ger die­ser sakra­len Kon­ti­nui­tät. War­um wur­den Latein und die Kir­chen­mu­sik über Jahr­hun­der­te in so hohem Anse­hen gehal­ten? Weil sie das Hei­li­ge vom All­täg­li­chen klar unter­schei­den und uns spü­ren las­sen, dass wir uns auf höhe­rem Boden bewe­gen – im Gottesdienst.

Sie bewah­ren zudem die Ein­heit des Glau­bens und schaf­fen eine uni­ver­sa­le Ver­stän­di­gung: Gläu­bi­ge ver­schie­de­ner Spra­chen kön­nen gemein­sam beten und singen.

Daher beton­te das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil in der Kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um den Vor­rang der Kir­chen­mu­sik – ins­be­son­de­re des Gre­go­ria­ni­schen Cho­rals und der Poly­pho­nie (Nr. 112–116) – sowie die Bedeu­tung des Lateins (Nr. 36 und 54), das die Gläu­bi­gen so weit beherr­schen sol­len, daß sie die ihnen zukom­men­den Tei­le der Mes­se gemein­sam sin­gen oder spre­chen können.

Ist es wirk­lich ver­mes­sen, das Agnus Dei in jener Spra­che anzu­stim­men, in der es einst die hei­li­ge Tere­sa von Ávila und der hei­li­ge Johan­nes Bos­co san­gen? Oder zu wün­schen, daß die Musik der Mes­se sich unüber­hör­bar vom seich­ten Getö­se der Welt unter­schei­det? Ich wei­ge­re mich zu glau­ben, daß das zu viel ver­langt ist.

Schlußwort

Ich weiß, die­se Wor­te mögen man­chen hart vor­kom­men. Doch ange­sichts der Net­ze aus Ent­mu­ti­gung und Gleich­gül­tig­keit, die Luzi­fer und sei­ne Legio­nen über uns span­nen, ruft Chri­stus sei­ne Prie­ster dazu auf, Men­schen­fi­scher zu sein.

Men­schen­fi­scher – fehl­bar, müde, manch­mal irrend –, die aber vom leben­di­gen Gott über­reich­lich unter­stützt werden.

Unser Herr ver­langt kei­ne Genia­li­tät, son­dern Demut. Es genügt, unse­re Sün­den zu erken­nen und mit zer­knirsch­tem Her­zen die Gna­de zu emp­fan­gen. Ein guter Prie­ster muß kein bril­lan­ter Lati­nist oder glän­zen­der Red­ner sein, und nicht jede Pre­digt muß die Höhen des Tho­mas von Aquin erreichen.

Denn – wie Juan Manu­el de Pra­da in „Tau­send Augen birgt die Nacht“ sei­nen Hel­den Fer­nan­do Nava­les sin­nie­ren läßt:

„Nicht alle kön­nen Genies sein, und viel­leicht ist das gut so, denn Genia­li­tät – oder das, was die Welt dafür hält – ent­springt nicht immer dem Guten. Wohl aber kann jeder das Gute wäh­len, wenn er es wirk­lich will.“

Beten wir also für unse­re Prie­ster – daß auch sie das Gute wählen.

*Guil­ler­mo Vil­la Trueba, stu­dier­te Rechts­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­dad Pan­ame­ri­ca­na (Mexi­ko) und der Uni­ver­si­ty of Not­re Dame (USA) sowie Poli­tik­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­dad de Sevil­la (Spa­ni­en); die Pro­mo­ti­on zum Dok­tor der Rech­te erfolg­te an der Uni­ver­si­dad Inter­na­cio­nal Menén­dez Pelayo /​ Fund­a­ción José Orte­ga y Gas­set (Madrid); er publi­ziert zu rechts­hi­sto­ri­schen The­men und ist Autor von Reli­gi­on en Libert­ad, einem der bedeu­tend­sten katho­li­sches Online-Maga­zi­ne der spa­nisch­spra­chi­gen Welt.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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